Grenztonmuster

Unter Grenztonmuster versteht man die Richtung des Tonverlaufs an beiden Grenzen einer Intonationsgruppe. Besonders relevant ist das rechte Grenztonmuster, insofern als es im Deutschen – wenn auch meistens gemeinsam mit anderen Sprachmitteln – zur Kennzeichnung des Satzmodus verwendet wird. Dabei erfasst das Grenztonmuster die unakzentuierten Silben, die der letzten Akzentsilbe der Intonationsgruppe folgen (z. B. ge.lau.fen in Satz (1)); wenn auf die letzte Akzentsilbe keine weiteren Silben folgen, stimmen der Grenzton und der Ton auf der Nukleussilbe überein (z. B. .teur in Satz (3)). Grenztonmuster werden durch unterschiedliche Tonmuster realisiert. Im Folgenden werden die drei Grenztonmuster steigend, steigend-steigend und fallend beschrieben.

Grenztonmuster: steigend

(realisiert durch Steigtonmuster)

Das Steigtonmuster kommt in folgenden Satztypen im Frage-Modus vor: Ergänzungsfragesatz, Alternativfragesatz, Entscheidungsfragesatz, Bestätigungsfragesatz und Nachfragesatz. Das Zeichen für das Steigtonmuster ist ein nach oben weisender Pfeil ↑.

(1) und + Ergänzungsfragesatz
Und wo sind sie hingelaufen?
Et sont-ils partis ?

(2) Offener Alternativfragesatz (alle Teile steigend)
War da nicht noch ein dritter oder vierter oder fünfter?
N’y avait-il pas là un troisième,un quatrième,un cinquième ?

(3) Entscheidungsfragesatz
A: Sind Sie von Beruf Installateur?
B: Ja.
A: Üben Sie den auch aus?
A : Êtes-vous plombier de formation ?
B : Oui.
A : Et ... vous le pratiquez, ce métier ?

(4) Aussagesatz als Bestätigungsfrage
A: Sie heißen mit Nachnamen Tankredi?
B: Ja.
A : Votre nom de famille,c’est Tankredi ?
B: Oui.

Grenztonmuster: steigend-steigend

(realisiert durch Doppelsteigtonmuster)

Das Doppelgrenztonmuster kommt nur in Nachfragesätzen vor.
Das Zeichen für das Doppelsteigtonmuster sind zwei nach oben weisende Pfeile ⇈.

(5) Nachfragesatz
A: Wem gehört denn das Haus in Köln?
B: An der Koblenzer Straße das Haus?
A: Ja.
A : Dis donc,elle appartient à qui,cette maison à Cologne ?
B : La maison rue de Coblence ?
A : Oui.

(6) Nachfragesatz
A: Hatten Sie Probleme mit Ihrer Frau?
B: Mit meiner ersten Frau?
A: Ja.
A: Vous avez des problèmesavec votre femme ?
B : Avec ma première femme ?
A : Oui.

In Nachfragesätzen erscheint auch das einfache Steigtonmuster.

(7) Entscheidungsfragesatz als Nachfrage
A: Wir sind wie die Idioten durch ein trockenes Bachbett gebrettert.
B: Durch ein Bachbett?
A: Ja, ehrlich.
A : On a roulé comme des fous dans un cours de ruisseau asséché.
B : Dans un cours de ruisseau ?
A : Si je te le dis !

Grenztonmuster: fallend

(realisiert durch Falltonmuster)

Das Falltonmuster kommt in folgenden Satztypen vor: Aussagesatz, Ergänzungsfragesatz, Aufforderungssatz, Verbletzt-Aufforderungssatz und Verbletzt-Exklamativsatz.
Das Zeichen für das Falltonmuster ist ein nach unten weisender Pfeil ↓.

(8) Aussagesatz
Sie können doch kaum noch geradeaus gehen.
Vous n’arrivez même plus à marcher droit !

(9) Ergänzungsfragesatz
Was macht er denn zur Zeit?
Et qu’est-ce qu’il fait à présent ?

(10) Aufforderungssatz
Hol mal den Eimer her!
Passe-moi le seau vite fait !

(11) Exklamativsatz (Verbletztsatz)
Was d i e alles kann.
Le nombre de choses qu’elle sait faire, cette femme !

Wie wohl in der Mehrzahl der Sprachen sind im Deutschen Aussagesatz, Fragesatz und Aufforderungssatz besonders klar prosodisch gekennzeichnet. Darüber hinaus sind etwa Ergänzungsfragesätze schon durch ein Interrogativ-Element (W-Ausdruck) im Vorfeld gekennzeichnet, Entscheidungsfragesätze und Aufforderungssätze durch die Verberststellung. Prototypische Aufforderungssätze zeichnen sich zudem durch den Verbmodus Imperativ und das mögliche Fehlen des Subjekts aus.

Generell ist festzustellen, dass es auch im Französischen steigende, fallende und progrediente Tonmuster gibt. Nur sind diese stärker abgeflacht als im Deutschen. Eine besondere Bedeutung kommt dem Satzende zu. Selbst in Aussagesätzen bleibt es gern ein wenig in der Schwebe. Dafür erhält es sozusagen in Analogie zur endlastigen Wortbetonung in bestimmten Fällen eine – wenn auch diskret markierte – charakteristische Intonationsfigur. So kann ein Fragesatz durchaus mit einer absteigenden Linie enden wie etwa in dem Beispiel

Dis donc, elle appartient à qui, cette maison à Cologne ?

wo die eigentliche Frage bereits mit dem zweiten – tonlich steigenden – Teilstück beendet ist, während das dritte nur einen spezifizierenden Nachsatz bildet. Der Abschwung kann beim Typus Nachfrage sogar zu einer entschieden steigfallenden Geste werden, Zeichen herausfordernder Verwunderung, wie in:

Dans un cours de ruisseau ?

Die französischen Übersetzungen der deutschen Beispiele zeigen auch als weitere Eigenheit die Neigung des gesprochenen Französisch zur Aufteilung einer Redeeinheit in kurze Phasen, die jeweils einen Informationsschritt enthalten aber auch den Eindruck des Tempos und der Kurzatmigkeit erwecken können. Die Intonation dieser Phasen ist je nach Satztyp verschieden, parallel steigend etwa in einer Entscheidungsfrage wie

Et ... vous le pratiquez, ce metier ?

progredient, dann steigend oder auch mit der erwähnten steigfallenden Endfigur dagegen in Bestätigungsfragen mit Aussagesatzform wie:

Votre nom de famille, c’est Tankredi?

Überhaupt wird im Französischen gern die fragende Aussagesatzform verwendet, die sich durch steigende oder schwebende Endfigur von einer echten Aussage unterscheidet:

Vous avez des problèmes avec votre femme ?

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