Gewichtungsfunktionen

Mit dem Gewichtungsakzent kann der Sprecher die Aufmerksamkeit des Hörers auf besonders wichtige oder relevante Aspekte des jeweiligen Sachverhalts lenken und damit die Informationsstruktur der Äußerung bestimmen. Der Gewichtungsakzent markiert jeweils die für die Äußerung wichtigste Informationseinheit, den Informationskern des Vordergrundes. Bei dieser Art des Gewichtens spricht man in der Forschung zur Informationsstruktur auch von Fokussierung. Die verschiedenen Bereiche, auf die sich eine solche Fokussierung richten kann, werden im Abschnitt Fokussierungsbereiche behandelt.

Informationsstruktur

Als Vordergrund wird der Teil des Gesagten bezeichnet, der für den Adressaten als besonders relevant fokussiert und durch formale Mittel der kommunikativen Strukturierung hervorgehoben ist. Was nicht zum Vordergrund gehört, wird dem Hintergrund zugeordnet. Gemeinsam bilden Vordergrund und Hintergrund die Informationsstruktur einer Äußerung.

Fokussierung und Zuordnung zum Hintergrund erstrecken sich jeweils auf bestimmte funktionale Einheiten des Gesagten. Eine Hervorhebungsdomäne kann nur Ausdrücke umfassen, die funktional eine Einheit bilden wie z. B. Komplemente, der Verbalkomplex oder Attribute zu Nominalphrasen (s. auch Wortstellung und Informationsstruktur).

Fokussierungsbereiche

Beim Fokussieren wird jeweils eine Gewichtung vorgenommen, die zu einem je spezifischen Gegensatz zwischen Vordergrund und Hintergrund führt. Es lassen sich die folgenden drei Fälle unterschieden.

1. Fokus auf rhematischen Gegenständen oder Sachverhalten

Als Thema wird ein Gegenstand bezeichnet, über den fortlaufend etwas gesagt wird. Als Rhema wird bezeichnet, was an einer bestimmten Stelle über ein Thema gesagt wird. Ein Thema, über das fortlaufend geredet werden kann, bildet den Ankerpunkt, die Orientierungsbasis für neue Informationen im Diskurs. Die Relevanz des Themas besteht darin, dass es als konstantes Moment im Hintergrund präsent bleibt. Rhematisiert und in den Vordergrund gestellt werden kann neben einem neuen auch ein bekannter, aber im Diskurs vorgängig nicht besprochener Gegenstand. Der Äußerung lässt sich folgende Informationsstruktur, aufgeteilt in Hintergrund und Vordergrund, zuordnen.

thematische / einmalig vorkommende Elemente
rhematische Elemente

Beispiel:

(1)
In Kölnhabeich dannmeine Frau kennengelernt.

2. Fokus auf neuem Wissen

Relevant sind Informationsgehalte, die dem vorhandenen Wissen lokal oder global hinzuzufügen sind. Dazu gehören auch Bereiche, die durch Fragen als defizitär gekennzeichnet wurden. Träger neuen Wissens werden hervorgehoben gegenüber Ausdrücken, die Bekanntes oder Thematisches transportieren. Die neuen Wissenselemente können Thema werden oder auch nicht. Als Opposition ergibt sich:

bekannte Wissenselemente
neue Wissenselemente

Beispiel:

(2)
Dann bin ichin die Küche gegangen, ins Wohnzimmer,bin ins Schlafzimmergegangen [...]

Im Vordergrund erscheinen jeweils die für die Hörer neuen, relevanten Wissensanteile; thematische Elemente des Hintergrunds können unter bestimmten Bedingungen (z. B. bei paralleler syntaktischer Struktur) weggelassen werden. Der Hintergrund muss aber nicht immer sprachlich realisiert sein. In dem folgenden Beispiel aus Rundfunknachrichten bleibt der Hintergrund leer, ein für Diskursanfänge oder spontane Mitteilungen von Neuigkeiten typischer Fall.

(3) <<Unbekannte ter> <haben in der vergangenen Nacht einen Brandanschlag auf eine Gasverteilerstation in Schwandorf verübt>>.
(HR I Nachrichten, 19.1.1987, 6 Uhr, neu gesprochen)

3. Fokus auf Modifikationen des Gewussten oder Erwarteten

Relevant sind Informationsgehalte, die mit vorhandenem Wissen oder Erwartungen des Adressaten kontrastieren und im Falle einer Übernahme dieser Informationsgehalte eine Umstrukturierung in seinem Wissens- und Erwartungsbereich nötig machen.

nicht-kontrastierende Wissens-/Erwartungselemente
kontrastierende Wissens-/Erwartungselemente

Beispiel:

(4)
Ich kam gerade nach Haus,ruft der Habermann an.
Und da hab ichzu ihm gesagt"Eins sag ich ihnendie Mieterhöhung [...]

Wird in einem Erzählzusammenhang gesagt, dass jemand anruft, so erwartet der Hörer zunächst zu erfahren, was der Anrufer gesagt hat, bevor dann die Antwort mitgeteilt wird. Stattdessen geht der Erzähler direkt zu dem über, was er dem Anrufer in drastischer Weise gesagt hat und was für ihn den relevanten Punkt ausmacht. Zweifellos bilden derartige Erwartungs- oder Wissenskontraste ein weites, nicht einfach für alle Fälle generalisierbares Feld. Entscheidend ist die jeweilige Sprecherperspektive auf die Hörer.

Wenn der Vordergrund selbst strukturiert ist, d. h. Elemente enthält, die aus unterschiedlichen Gründen, aber ohne weitere formale Differenzierungsmöglichkeit hervorgehoben werden, muss der Hörer herausfinden, welche Art von Wissensorganisation er vornehmen soll. Ist das Objekt bereits präsent, so spricht das für eine Modifizierung. Der Einsatz syntaktischer Mittel wie Platzierung im linken Außenfeld (a) und freier Thematisierungsausdruck (b) indiziert eine Vordergrundsetzung, während eine Platzierung im Vorfeld (c) oder im Mittelfeld (d) keine kontextfreie Entscheidung erlaubt.

(a) Ne Freundin von mir die hat das auch so gemacht
(b) Eine Freundin von mir sie hat das auch so gemacht
(c)Eine Freundin von mir hat das auch so gemacht
(d)Das hat eine Freundin von mir auch so gemacht

Strukturen wie (a) und (b) kann man dadurch erklären, dass mit ihnen Vordergrund-Ambiguitäten vermieden werden. Ihnen entspricht eine vorgeschaltete Informationsstruktur, die dann überschrieben wird.

Fällen wie (c, d) kann man folgende Informationsstruktur zuordnen:

Wir haben hier zwei Hervorhebungsdomänen, die funktional klar geschieden sind.

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