Phrasen
Der strukturelle Aufbau eines Satzes erschlie?t sich nicht einfach dadurch, dass man ihn als eine lineare Ansammlung einzelner Wortformen auffasst.
Die Elemente der jeweiligen Phrasen - namlich die Wortformen - gehoren funktional zusammen und ihre Formeigenschaften konnen von einem bestimmten Element gesteuert werden. Dieses zentrale Element der Phrase wird als ihr Kopf bezeichnet. Dabei legt die Wortart des Kopfes die Bezeichnung der Phrase fest.
Phrasen oder Kombinationen von Phrasen konnen als unmittelbare Konstituenten des Satzes fungieren. Sie konnen zusammen mit dem Verbalkomplex Satze bilden:
Grundsatzlich konnen Phrasen durch mehrere Wortformen realisiert werden. Nominalphrasen, Pronominalphrasen, Adjektivphrasen und Adverbphrasen konnen aber auch aus nur einer einzigen Wortform bestehen. Der Satz
besteht aus einer Verbform und aus zwei Phrasen, einer Nominalphrase und einer Adjektivphrase, die je aus nur einem Element bestehen, dem Nomen bzw. dem Adjektiv. Das Nomen und das Adjektiv sind die Kopfe der jeweiligen Phrasen.
Phrasen sind uber ihren Kopf hinaus prinzipiell ausbaufahig:
Die Korrekturen sind notwendig.
Die meisten Korrekturen sind notwendig.
Die meisten Korrekturen an den Reformen sind notwendig.
Die meisten Korrekturen an den Reformen sind sehr notwendig.
Phrasen sind nicht nur beliebige Folgen von Wortformen. Phrasen sind Wortgruppen, deren Elemente syntaktisch und semantisch funktional zusammengehoren, eine Einheit bilden und bestimmten syntaktischen Regeln folgen.
- Phrasen sind funktional selbstandige Wortgruppen aus einem oder mehreren Elementen mit einem Kopf.
- Phrasen mit dem gleichen lexikalischen Kopf werden als Phrasen eines bestimmten Typs kategorisiert. Die Wortart des Kopfes gibt der Phrase ihren spezifischen Namen.
- Phrasen desselben Typs konnen koordiniert werden.
- Phrasen enthalten kein finites Verb als lexikalischen Kopf.
- Phrasen konnen auch als Teile anderer Phrasen vorkommen.
- Phrasen konnen - sofern sie nicht Teil anderer Phrasen sind - alleine das Vorfeld besetzen.
Syntaktische Eigenschaften
Phrasen sind zentrale Einheiten des syntaktischen Formaufbaus unterhalb der Satzgrenze. Sie konnen untereinander zu ubergeordneten Phrasen kombiniert werden (Phrasen konnen Bestandteil anderer Phrasen sein):
Zusammen mit dem Verbalkomplex konnen sie zu Satzen kombiniert werden:
Phrasen als unmittelbare Konstituenten des Satzes sind topikalisierbar, d. h. sie konnen im Aussagesatz im Vorfeld stehen:
Topikalisierung:
Wahrend der Seminarsitzung erklarte die Dozentin die Nominalphrase.
Sie sind als unmittelbare Konstituenten des Satzes als ganzes verschiebbar (permutierbar), austauschbar (kommutierbar) und koordinierbar:
Permutation:
Wahrend der Seminarsitzung erklarte die Dozentin die Nominalphrase.
Die Dozentin erklarte die Nominalphrase wahrend der Seminarsitzung.
Kommutation:
Die Dozentin erklarte in der Vorlesung die Nominalphrase.
Die Dozentin erklarte zu Hause die Nominalphrase.
Sie erklarte wahrend der Seminarsitzung die Nominalphrase.
Der Student aus dem zweiten Semester erklarte wahrend der Seminarsitzung die Nominalphrase.
Koordination:
Der Student und die Dozentin erklarten wahrend der Seminarsitzung die Nominalphrase.
Die Dozentin erklarte wahrend der Seminarsitzung und in der Vorlesung die Nominalphrase.
Durch diese vier Verfahren sind die Grenzen der Phrasen - sofern sie unmittelbare Konstituenten des Satzes sind - leicht feststellbar.
Die unterschiedlichen Arten von Phrasen werden nach der Wortart ihres jeweiligen lexikalischen Kopfs benannt:
Nominalphrase: die roten Schuhe
Pronominalphrase: er mit seinen ewigen
Bedenken
Prapositionalphrase: an der alten Brucke
Adjunktorphrase: wie ein Verruckter
Adjektivphrase: recht beruhmt
Adverbphrase: knapp daneben
Der lexikalische Kopf kann Formmerkmale anderer Elemente der Phrase steuern. Der Kopf der Nominalphrase, das Nomen Schuhe regiert z.B. das Genus (Maskulin) des Artikels und des Adjektivs, und es besteht Kongruenz in Numerus (Plural) und Kasus (Nominativ/Akkusativ) zwischen Nomen, Artikel und Adjektiv:
Die Praposition an regiert in der folgenden Prapositionalphrase den Kasus (Dativ) von Artikel, Adjektiv und Nomen der dem Kopf folgenden Nominalphrase:
Phrasen haben im Satzzusammenhang unterschiedliche syntaktische Funktionen. Sie konnen fungieren als Komplemente:
Claudia wohnt an der alten Brucke.
Er mit seinen ewigen Bedenken kommt ganz gut zurecht.
Die Antwort ist knapp daneben.
Sie konnen auch als Supplemente fungieren:
Recht beruhmte Schriftsteller wohnten im kleinen Haus an der alten Brucke.
Kurz davor hat er noch alles gewusst.
Semantisch-funktionale Eigenschaften
In der Nominalphrase und der Pronominalphrase wird - insofern sie aus mehreren Elementen bestehen - der Kopf der Phrase, namlich das Nomen oder das Pronomen spezifiziert:
Viele Korpora, besonders jene vom Institut fur Deutsche Sprache, sind mehrfach annotiert.
Mit Prapositionalphrasen konnen semantische Relationen ausgedruckt werden:
Die Adjunktorphrase hat pradikative oder spezifizierende Funktion:
Er als ihr bester Freund.
Auch Adjektivphrasen haben pradikative oder spezifizierende Funktionen:
der angeblich bayrische Bundeskanzler
Adverbphrasen spezifizieren Satze, andere Phrasen oder den Verbalkomplex.
Satz:
Phrase:
Verbalkomplex: