Tempus
poln. czas
Die Kategorisierung Tempus im verbalen Paradigma umfasst im Deutschen die Kategorien Präsens, Präteritum, Futur, Präsensperfekt, Präteritumperfekt und Futurperfekt. Die sechs Tempora bilden zusammen ein System zur sprachlichen Darstellung zeitlicher Zusammenhänge in der Kommunikation. Außer den Tempora – und damit als grammatisches Mittel außerhalb des Tempus-Systems – können Adverbialia (z. B.: im letzten Jahr (poln. w ubiegłym roku )) und Nominalphrasen (z. B.: die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten (poln. zjednoczenie obu państw niemieckich )) zur zeitlichen Einordnung von Sachverhalten beitragen.
Das polnische Tempussystem besteht aus folgenden vier Tempora:
- czas teraźniejszy, das dem deutschen Präsens semantisch entspricht,
- czas przyszły prosty und czas przyszły złożony, die dem deutschen Futur entsprechen. Czas przyszły prosty ist ein einfaches Tempus; es basiert auf den synthetischen Formen des Verbs und wird nur von den perfektiven (perf.) Verben gebildet. Czas przyszły złożony ist ein zusammengesetztes Tempus; es basiert auf den analytischen Formen und wird nur von den imperfektiven (imperf.) Verben gebildet,
- czas przeszły zur Beschreibung von Vergangenem; es geht hier um ein einfaches Tempus, zudem kennt das Polnische die Kategorien Präteritum und Präsensperfekt wie im Deutschen nicht,
- czas zaprzeszły, das dem deutschen Präteritumperfekt entspricht.
Wenn wir hier von Zeit sprechen, befinden wir uns auf unsicherem Terrain. 'Zeit' ist ein polysemer Begriff im Deutschen. Einerseits meinen wir damit alltagssprachlich die Spanne zwischen zwei Punkten, die in ihrer Dauer gemessen werden kann, oder einen mehr oder minder festgelegten Zeitraum, andererseits bezeichnen wir mit 'Zeit' bzw. 'Zeiten' ein grammatisches Phänomen. Mit der grammatischen Zeit 'Tempus' bzw. 'Tempora' sind wir in der Lage, Handlungen und Sachverhalte, die wir sprachlich beschreiben und vermitteln, auf einer Zeitschiene relativ zum Zeitpunkt der Äußerung anzuordnen. Um die Polysemie aufzulösen, werden wir künftig bei der Beschreibung des grammatischen Phänomens nur noch die Begriffe 'Tempus' bzw. 'Tempora' verwenden. Ähnlich halten wir es mit den alltagssprachlichen Begriffen Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit versus den grammatischen Termini 'Präsens', 'Futur' und 'Präteritum'.
Verbformen unterschiedlicher Art bringen das jeweilige Tempus zum Ausdruck. Die
Tempusform bezieht sich jedoch nicht nur auf das Verb bzw. die Verben sondern auf den ganzen Satz.
Ausnahmen gibt es auch hier:
Außerhalb des Skopus (des Geltungsbereichs) des Tempus können
unterschiedliche lexikalische Elemente liegen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel war von 1990 bis 1994 Bundesministerin für Frauen und Jugend.
Bundeskanzlerin als Bezeichnung von Angela Merkel muss außerhalb des
Skopus des Präteritums liegen, da die Betrachtzeit
zwischen 1990 und 1994 liegt und da war Angela Merkel nachweislich nicht Bundeskanzlerin.
Neben den Verbalmorphemen können auch andere Wortschatzeinheiten bzw. Wortgruppen in Funktion des
Temporaladverbiales die Aufgabe übernehmen, Zeiteinordnungen und Zeitbezüge auszudrücken:
Morgen fährt sie zum G8-Gipfel nach Paris.
Jutro jedzie do Paryża uczestniczyć w
szczycie G8.
In zehn Jahren hat das Ministerium das Projekt
abgeschlossen.
Za dziesięć lat ministerstwo
skończy projekt.
Die Thematische Einheit Tempus wird unter drei Gesichtspunkten betrachtet.
Der erste Teil besteht aus einer Beschreibung des Formenbestandes des Tempussystems. Der Formenbestand besteht im Deutschen aus finiten und infiniten Verbformen, dabei müssen synthetische und analytische Bildungen unterschieden werden. Im Polnischen unterscheiden wir noch zusätzlich zwischen den aspektuell perfektiven (poln. formy dokonane) und imperfektiven Verben (poln. formy niedokonane).
Deutsch | Polnisch |
Die Wirtschaftskrise bewirkt ein Umdenken. | Kryzys gospodarczy wpływa (imperf. Verb) na zmianę sposobu myślenia. |
Die Wirtschaftskrise bewirkte ein Umdenken. | Kryzys gospodarczy wpłynął (perf. Verb) na zmianę sposobu myślenia. |
Die Wirtschaftskrise wird ein Umdenken bewirken. | Kryzys gospodarczy wpłynie zmianę sposobu myślenia. Kryzys gospodarczy będzie (stopniowo, powoli etc.) wpływał na zmianę sposobu myślenia. |
Die Wirtschaftskrise hat ein Umdenken bewirkt. | — |
Die Wirtschaftskrise hatte ein Umdenken bewirkt. | Kryzys gospodarczy wpłynął był na zmianę sposobu myślenia. |
Die Wirtschaftskrise wird ein Umdenken bewirkt haben. | — |
Ein besonderes Gewicht liegt bei der Beschreibung des Formenbestands auf den Perfektformen. Die Perfektformen stehen im Vordergrund, weil sie als zusammengesetzte Formen einen größeren Formenbestand aufweisen als die einfachen Tempora. Bei der Bildung dieser analytischen Formen muss immer entschieden werden, welches der beiden Hilfsverben haben oder sein verwendet werden muss. Es gibt Kriterien für die Wahl des Hilfsverbs. Nicht immer sind sie jedoch vollkommen trennscharf.
Der zweite Teil widmet sich der Bedeutung der
Tempora. Wurde im ersten Teil die Ausdrucksseite der verschiedenen Tempora beschrieben,
so geht es bei der Bedeutungsbeschreibung darum, wie die einzelnen Tempora interpretierbar sind. Es
soll klar werden, welche Funktionen die Tempora in der verbalen Kommunikation haben.
Wesentlich ist unseren Überlegungen, sowohl bei der allgemeinen Betrachtung der Bedeutung der
Tempora als auch bei der Betrachtung der einzelnen Tempora im dritten Teil der Einheit Tempus, dass
Zeit immer relativ ausgedrückt wird.
Der dritte Teil befasst sich mit den einzelnen Tempora. Wir beschreiben darin neben den spezifischen Merkmalen des Ausdrucks die unterschiedlichen Funktionen der einfachen und zusammengesetzten Tempora und z. B. auch die spezifischen Unterschiede der beiden Vergangenheits-Tempora Präteritum und Präsensperfekt.
Mit den neuen Bezeichnungen 'Präsensperfekt' für Perfekt, 'Präteritumperfekt' für Plusquamperfekt und 'Futurperfekt' für Futur II wird der Bedeutung der zusammengesetzten Zeiten (z. B. Präsensperfekt: Hilfsverb im Präsens + Partizip Perfekt) Rechnung getragen.