Wortarten
Auf die Frage, worin sich Sprache gemeinhin manifestiert, wird die landläufigste Antwort lauten: Sprache manifestiert sich in Wörtern.
Bei einer grammatischen Beschreibung der deutschen Sprache sind Wörter aber nur auf einer von verschiedenen Beschreibungsebenen angesiedelt. Bei der Beschreibung von Sprache gibt es grundsätzlich zwei Perspektiven. Einerseits kann man absteigend (deszendent), andererseits kann man aufsteigend (aszendent) vorgehen. Deszendentes Vorgehen bedeutet, dass Sprache von der größten Einheit aus betrachtet wird und in immer kleinere Einheiten segmentiert wird. Das aszendente Vorgehen ist das umgekehrte. Wenn wir deszendent vorgehen, gehen wir vom Text aus und beschreiben dann die Einheiten, die den Text aufbauen, nämlich die komplexen und die einfachen Sätze. Die Sätze wiederum sind aufgebaut aus Phrasen und diese aus den Wörtern. Damit sind wir aber noch nicht am unteren Ende der deszendenten Beschreibung angelangt. Wörter werden gebildet aus einem oder mehreren Morphemen, den kleinsten bedeutungstragenden Einheiten der Sprache. Diese wiederum setzen sich aus den kleinsten bedeutungsunterscheidenden Elementen der Sprache, den Phonemen, zusammen.
Aszendente Beschreibung
Texte können auf Grund verschiedener Eigenschaften zu Textsorten klassifiziert werden. Sätze werden nach dem Grad ihrer Komplexität und nach ihrer Form und ihrer Funktion klassifiziert. Und wenn wir hier Wörter nach bestimmten Eigenschaften klassifizieren, dann sprechen wir von Wortarten oder Wortklassen. In der polnischen Terminologie werden sie relativ konsequent als części mowy (in direkter Übersetzung "Sprachteile") bezeichnet.
Relevant für die Beschreibung der Satzstruktur werden Wörter als syntaktische Wörter, als spezifische grammatische Ausprägungen eines Worts in einer ganz bestimmten, flexivisch markierten Wortform. In Sätzen realisierte Wörter (Wortformvorkommen) sind also immer syntaktische Wörter. Formgleiche syntaktische Wörter können unterschiedliche Funktionen einnehmen. So kann die Wortform zerstörte, die im Beispiel
Sie zerstörte seine Hoffnungen.
als 3. Person Singular Indikativ Aktiv Präteritum des Verbs zerstören bestimmt werden muss, in anderer lexikalischer Umgebung ein anderes syntaktisches Wort repräsentieren, z. B. die 1. Person Singular in ich zerstörte oder ein attributives Partizip in das zerstörte Reich. Die für die Beschreibung der Lexikon-Eigenschaften relevante Einheit, das Lexem, ergibt sich unter Absehung von grammatischen Kategorisierungen wie Person, Numerus, Kasus etc. sozusagen als Zusammenfassung des Paradigmas verschiedener syntaktischer Wörter unter einer Zitierform, hier das Verb zerstören. Die Zitierform bei Verben ist immer der Infinitiv, bei Substantiven ist es der Nominativ Singular.
Formgleiche syntaktische Wörter kommen auch im Polnischen vor. Häufiger als bei Verben oder Substantiven sind sie bei Adjektiven zu sehen. So kann eine Adjektivform zimne entweder attributiv (z. B. im Satz Te zimne szaszłyki nie nadaja się do jedzenia. als Plural Nominativ Maskulinum und im Satz Wypiłem zimne piwko. als Singular Akkusativ Neutrum) oder prädikativ (im Satz One są zimne. als Plural des Femininums oder Neutrums) verwendet werden. Die Zitierform bei Adjektiven ist immer der Nominativ Singular Maskulinum (zimny).
Wörter in diesem Sinne, also Lexeme oder lexikalische Einheiten, können hinsichtlich verschiedener Kriterien kategorisiert werden: nach ihren morphologischen, syntaktischen und semantischen Merkmalen. Nur die semantischen führen zu übereinzelsprachlichen Kategorien und können deshalb beim Sprachvergleich herangezogen werden. Die morphologischen und syntaktischen Eigenschaften sind jeweils einzelsprachliche Ausprägungen.
semantische Eigenschaften
Einige zentrale semantische Eigenschaften, - kognitive und konzeptuelle Grundfunktionen - nach denen man Wörter klassifizieren kann, finden sich in allen Sprachen. Wörter können Prädikate ausdrücken, - das ist im Deutschen die Hauptaufgabe von Verben; Wörter können wie im Deutschen die Nomina Gegenstände charakterisieren; Wörter können Sachverhalte modifizieren und spezifizieren, das sind die Hauptaufgaben der Adjektive und der Adverbien; Wörter können aber auch Sachverhalte zueinander in Beziehung setzen, das leisten vor allem Junktoren, Präpositionen, Partikeln und Adverbien.
morphologische Eigenschaften
Nach morphologischen Eigenschaften unterscheidet man flektierbare von unflektierbaren Wortarten. Flektierbare Wortarten haben einen (von Ausnahmen abgesehen) unveränderbaren Stamm und ver�nderbare Flexionsendungen (Flexive). In der Menge der flektierbaren Wörter ergeben sich die Hauptklassen Verb, Nomen, Adjektiv, Artikel, Pronomen. Ihre Veränderung erfolgt je nach der morphologischen Kategorisierung (Numerus, Genus, Kasus, Person, Tempus, Modus (Verbmodus), Genus verbi, Komparation). Üblicherweise bezeichnet man die Flexion des Verbs als Konjugation, die der nominalen Wortarten (Nomen, Adjektiv, Artikel, Pronomen) als Deklination. Unflektierbare Wörter dagegen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nie verändert werden, sie kommen nur in einer Form vor. Zu den Wortarten, deren Vertreter nicht flektiert werden, zählen die Adverbien, Partikeln, Präpositionen und Junktoren.
Flektierbarkeit ist auch im Polnischen das Hauptkriterium für die morphologische Einteilung der Wortarten. Allerdings gibt es geringe Unterschiede im Bereich der bestimmten Hauptklassen (Polnisch verfügt über keine Artikel), ihrer Funktionen (z. B. Adverbien) oder Ausnutzung einzelner Kategorisierungen (Kasuszahl, unterschiedliche Interpretationen des Aspekts).
syntaktisch-distributionelle Eigenschaften
Für die genauere Ermittlung und die Subklassifizierung der vier traditionellen nominalen Wortarten Nomen, Adjektiv, Artikel und Pronomen müssen zusätzlich syntaktisch-distributionelle Kriterien herangezogen werden wie z. B. die Position von Wörtern in Sätzen oder Phrasen, die syntagmatischen (horizontalen) Beziehungen zu anderen Einheiten im Satz (Rektion, Kongruenz, Valenz) oder die Stellungseigenschaften in der linearen Satzstruktur.
Bei den unflektierbaren Wörtern werden mangels eindeutiger morphologischer Flexionsendungen vor allem die syntaktisch-distributionellen Eigenschaften für die Klassenbildung relevant.
Wortarten des Deutschen mit den wichtigsten differenzierenden Merkmalen (kontrastiv):
Dieselbe Vorgehensweise ergibt im Polnischen folgende Einteilung der Wortarten. Flektierbare und konjugierbare Wortarten – also Verben – werden weiter geteilt. Die sog. echten Verben lassen sich nach Person konjugieren im Gegensatz zu den sog. Prädikativen, die zuweilen (insbesondere in älteren Grammatiken) auch unechte Verben genannt werden (z. B.: trzeba, widać). Deklinierbare Wortarten können weiter nach Genus flektiert werden. Dies betrifft Zahlwörter und Adjektive. Die letzteren werden auch noch nach Numerus flektiert (man lässt hier das Kriterium Komparierbarkeit außer Acht, weil sich nicht nur Adjektive sondern auch Adverbien im Polnischen graduieren lassen – im Zusammenhang damit wird Komparation nicht als Flexion sondern als Wortbildung betrachtet). Nach Genus werden weder Substantive noch Pronomina flektiert. Für ihre Ausdifferenzierung wird gewöhnlich das semantische Kriterium (und nicht das inhärente Genus) herangezogen: Benennungsfunktion der Substantive vs. Hinweisfunktion der Pronomina. Die nicht flektierbaren Wortarten werden nach syntaktischen Kriterien weiter geteilt. So differenziert man die einzige kasusregierende Wortart aus: Präpositionen. Die sonstigen Wortarten werden entweder syntaktisch integriert (Adverbien selbständig, Partikeln nicht selbständig) oder nicht. Zu den letzteren gehören die verbindende Funktion realisierenden Junktoren (Konjunktoren – in Bezug auf funktionsgleiche Elemente, Subjunktoren – in Bezug auf funktionsverschiedene Elemente) und die nicht kontextuellen Interjektionen (können weiter semantisch geteilt werden). Die potenziellen Adjunktoren werden je nach ihrer Funktion entweder als Präpositionen oder als Konjunktoren betrachtet.
Einige begründende Bemerkungen zu unserer Wortartenklassifikation