Wortstellung
poln. szyk wyrazów
In der thematischen Einheit Wortstellung geht es um die Abfolge der Stellungseinheiten im Satz, nicht der einzelnen Wörter. Wortstellung ist ein allgemein bekannter, vereinfachender Begriff, der hier aus praktischen Gründen beibehalten wird. Die Wortstellung innerhalb von Stellungseinheiten ist nicht Gegenstand dieser thematischen Einheit, sondern wird an anderer Stelle behandelt (s. Phrasen, Verbalkomplex). Andere Grammatiken überschreiben das Kapitel Wortstellung mit "Topologie", "Satzgliedstellung" oder "Wort(ab)folgeregeln".
In den Einheiten zur Wortstellung werden sowohl strukturelle Regeln aufgedeckt als auch kommunikative Aspekte berücksichtigt, die sich mit der Frage nach der Informationsstruktur, d. h. nach der Art von Information, die mit den einzelnen Satzteilen übermittelt wird, befassen. Die syntaktische Detailbeschreibung bezieht sich u. a. auf die Stellungseigenschaften der Primären Komponenten des Satzes.
Die Wortstellung interagiert in weiten Teilen mit intonatorischen (prosodischen) Mitteln, z. B. bei der Gliederung der Äußerung in Teileinheiten durch Segmentierungspausen, der Kennzeichnung der Satzmodi durch bestimmte Tonmuster und der kommunikativen Gewichtung von Äußerungsteilen mithilfe des Gewichtungsakzents. Zum Verhältnis der intonatorischen Mittel und Wortstellung befinden sich ausführlichere Informationen in der thematischen Einheit Wortstellung und Prosodie.
Auf die einführende Darstellung der Wortstellung in dieser Einheit folgt eine grundsätzliche Beschreibung der Satzklammer und Stellungsfelder in der deutschen Sprache. Die Satzklammer und die Stellungsfelder werden im Kontrast zu ihren ausgewählten funktionalen Äquivalenten im Polnischen dargestellt. Im Anschluss daran wird die Wortstellung in den einzelnen Stellungsfeldern behandelt: im Mittelfeld, im Vorfeld, im Nachfeld und in den Außenfeldern. Auf deutsch-polnische Kontraste wird hingewiesen.
Wortstellung und Satztypen
Wie die folgenden beiden Beispiele zeigen, spielt die Anordnung der Wörter im deutschen Satz bei der Interpretation des Satzes eine zentrale Rolle:
Kain erschlug Abel. ≠ Abel erschlug Kain.
In den folgenden Beispielen variiert die Wortstellung, die primären Komponenten des Satzes bleiben jedoch gleich:
Der Ältere erschlug den Jüngeren. = Den Jüngeren erschlug der Ältere.
Das Beispiel zeigt, dass die eindeutige Kennzeichnung von Wortformen mit den Mitteln der Flexion eine flexiblere Wortstellung ermöglichen kann. In flexionsärmeren Sprachen ist die Wortstellung deshalb in der Regel weniger variabel, vgl.:
engl. The elder killed the younger. ≠ The younger killed the elder.
Eine wesentlich reichere Flexion besitzt die polnische Sprache. Der Satz
poln. Chłop kury liczy.
kann mit der Bauer zählt die Hühner übersetzt werden. Überträgt man jedoch Wort für Wort, erhält man der Bauer die Hühner zählt. Die Wortstellung im Polnischen ist wegen seines großen Formenreichtums sehr (aber nicht: beliebig) frei bzw. variabel. Im Deutschen ist – anders als im Polnischen – die Wortstellung für die Bildung von Satztypen mitverantwortlich. Satztypen lassen sich u. a. nach der Stellung des finiten Verbs (z. B. Verbletztsatz), nach ihrem Satzmodus (z. B. Fragesatz) oder nach ihrer Selbstständigkeit bzw. Unselbstständigkeit (z. B. Hauptsatz vs. Nebensatz) beschreiben. Die polnischen Sätze (1) bis (6) sind allesamt Hauptsätze im Aussage-Modus, die nur hinsichtlich der Stellung ihrer primären Komponenten variieren. Ihre wörtliche Übertragung zeigt, dass sie im Deutschen unterschiedlichen Satztypen zuzuordnen sind:
polnisch | deutsch | |
(1) chłop kury liczy | (1') der Bauer die Hühner zählt | |
(2) chłop liczy kury | (2') der Bauer zählt die Hühner | |
(3) liczy kury chłop | (3') zählt die Hühner der Bauer | |
(4) liczy chłop kury | (4') zählt der Bauer die Hühner | |
(5) kury chłop liczy | (5') die Hühner der Bauer zählt | |
(6) kury liczy chłop | (6') die Hühner zählt der Bauer |
Aufgrund ihrer Wortstellung können (2') als Aussagesatz (im Aussage-Modus) und (4') als Fragesatz (im Entscheidungsfrage-Modus) verstanden werden.
Satz (6') kann z. B. in Verbindung mit einem bestimmten Kotext mit einem spezifischen Gewichtungsakzent auftreten, etwa nach einem Satz wie Die Bäuerin zählt die Gänse., dem dann der nachfolgende Satz gegenübergestellt wird: Die Hühner zählt der Bauer. Unter vergleichbaren Bedingungen kann man auch (3') als Fragesatz verstehen.
Als Hauptsätze sind (1') und (5') aber weder als Aussage noch als Frage möglich. Sie verstoßen offensichtlich gegen die Bauprinzipien deutscher Hauptsätze. Möglich sind die Abfolgen in (1') und (5') lediglich als Nebensätze, sie bedürfen hierzu aber eines entsprechenden Einleitungselements (weil der Bauer die Hühner zählt).
Die Stellung des Verbalkomplexes ist im Deutschen also nicht generell festgelegt (z. B. auf die Endstellung wie im Japanischen), sie ist aber für den jeweiligen Satztyp bindend festgelegt. Variabler ist die Wortstellung bei den nicht dem Verbalkomplex zugehörigen Teilen des Satzes.
Wenn man die Aufgabe hätte, aus den folgenden vermischten Wörtern
wird | am | Zeit | für | ProGr@mm | seit | Mannheimer | Deutsche | entwickelt | Sprache | Institut | einiger |
einen sinnvollen Satz zu bilden, muss man zunächst die Stellung des finiten Verbs festlegen. Für diese zwölf Wörter gibt es 479001600 Möglichkeiten der Wortstellung, aber nur ganz wenige davon ergeben einen syntaktisch richtigen und sinnvollen Satz. Wie viele es sind, hängt u. a. davon ab, wie viele Kontexte man zulässt. In jedem Fall muss man sich zunächst für einen Satztyp und damit für die Stellung des finiten Verbteils entscheiden, z. B.:
Aussagesatz:
finites Verb | infiniter Verbteil | ||
Seit einiger Zeit | wird | am Mannheimer Institut für Deutsche Sprache ProGr@mm | entwickelt. |
Entscheidungsfragesatz:
finites Verb | infiniter Verbteil | |
Wird | seit einiger Zeit am Mannheimer Institut für Deutsche Sprache ProGr@mm | entwickelt? |
Im polnischen Satz gibt es keine vergleichbaren Restriktionen für die Stellung des Verbalkomplexes und für die Stellung finiter und infiniter Verbformen innerhalb des Verbalkomplexes. Über die Abfolge Finitum – infiniter Teil des Verbalkomplexes oder aber infiniter Teil des Verbalkomplexes – Finitum entscheiden oft eher rhythmisch-euphonische Gründe als kommunikative Abtönung und Gewichtung. Der zuletzt genannte Faktor ist aber für die Thema-Rhema-Verhältnisse im Satz wichtig:
Od pewnego czasu w mannheimskim Instytucie Języka Niemieckiego
jest opracowywany ProGr@mm.
Od pewnego czasu w
mannheimskim Instytucie Języka Niemieckiego opracowywany jest ProGr@mm.
Od pewnego czasu jest opracowywany w
mannheimskim Instytucie Języka Niemieckiego ProGr@mm.
Od pewnego czasu
opracowywany jest w mannheimskim Instytucie Języka Niemieckiego
ProGr@mm.
Od pewnego czasu ProGr@mm jest opracowywany w
mannheimskim Instytucie Języka Niemieckiego.
Od pewnego czasu
opracowywany jest ProGr@mm w mannheimskim Instytucie Języka
Niemieckiego.
Jest opracowywany od pewnego czasu w
mannheimskim Instytucie Języka Niemieckiego ProGr@mm?
Opracowywany
jest od pewnego czasu w mannheimskim Instytucie Języka Niemieckiego
ProGr@mm?
Sichtbar ist jedoch, dass der finite und der infinite Teil des Verbalkomplexes tendenziell (obwohl nicht zwingend) zur Adjazenz neigen: semantisch und syntaktisch Zusammenhängendes erscheint in der Tendenz direkt nebeneinander. Auch die Sätze:
Od pewnego czasu jest ProGr@mm
opracowywany w mannheimskim Instytucie Języka Niemieckiego.
Od pewnego czasu jest w mannheimskim Instytucie Języka
Niemieckiego opracowywany ProGr@mm.
gelten als strukturell korrekt, was manche Grammatiker veranlasst, vom „Pseudorahmen“ oder „Prädikatsrahmen“ zu sprechen. Es wird aber zugleich darauf hingewiesen, dass hier keine Äquivalenz zwischen den topologischen Bereichen besteht, zumal es sich im Polnischen um Erscheinungen handelt, die nicht grammatikalisiert und vor allem stilistisch motiviert sind (mehr dazu bei Barański 2006).
Das Finitum ist im Polnischen sehr positionsvariabel, bis auf Imperativsätze, in denen es tendenziell satzinitial steht, wenn der Sachverhalt nicht negiert wird, und tendenziell satzfinal erscheint, wenn der Sachverhalt negiert wird.
Zrób to wreszcie!Mach das
endlich!
*To wreszcie zrób!
*das endlich mach!
Nigdy tego nie
rób! *nie das nicht
mach!
*Rób tego nigdy nie!
*mach das nie nicht!
Es handelt sich aber um gewisse Präferenzen und nicht um obligatorische Regeln, vgl.
Wreszcie to zrób.
Nie rób
tego nigdy.
(Zur Besetzung der Initialstelle im Polnischen und Deutschen vgl. Vogelgesang-Doncer 2006.)
Wortstellungsvariation
Mit Ausnahme des Verbalkomplexes sind einige Wörter so eng miteinander verbunden, dass sie nur zusammen umgestellt werden können. Sie bilden zum Teil komplexe Phrasen, die die primären Komponenten des Satzes Komplement und Supplement realisieren. Man erkennt bei den Stellungsvarianten der Beispiele (7) bis (9), dass einige Wörter immer zusammen umgestellt werden:
Ähnliches gilt für das Polnische:
(7') Od pewnego czasu w mannheimskim Instytucie Języka
Niemieckiego opracowywany jest ProGr@mm.
(8') Od pewnego
czasu ProGr@mm opracowywany jest w mannheimskim Instytucie Języka
Niemieckiego.
(9') W mannheimskim Instytucie Języka
Niemieckiego od pewnego czasu opracowywany jest ProGr@mm.
Die jeweils zwölf Wörter im Deutschen und elf Wörter im Polnischen gliedern sich in folgende vier Komponenten:
am Mannheimer Institut für Deutsche Sprache | seit einiger Zeit | ProGr@mm | wird entwickelt |
w mannheimskim Instytucie Języka Niemieckiego | od pewnego czasu | ProGr@mm | jest opracowywany |
Die ersten drei Komponenten sind Phrasen, die letzte – der Verbalkomplex – gilt in ProGr@mm nicht als Phrase. Die interne Abfolge der Wörter in einer Phrase ist sehr fest (s. hierzu auch Syntaktische Eigenschaften von Phrasen). Die Abfolge der Elemente auf der Phrasenebene kann also im Deutschen, abgesehen von wenigen Ausnahmen, nicht zum Zwecke der kommunikativen Gewichtung verändert werden.
Berücksichtigt man diese Einschränkungen auf der Phrasenebene, kann man durch die Variation der Wortstellung im Satz eine kommunikative Gewichtung der einzelnen Informationen vornehmen. Auf diese Weise werden bestimmte Ausdruckselemente gezielt fokussiert. Der stellungsbezogene Gewichtungseffekt wird durch die zweigliedrige kommunikative Grundstruktur deutscher Sätze bewirkt, die die weniger wichtigen – meist bekannten – Informationen dem Hintergrund und die wichtigeren – meist neuen Informationen – dem Vordergrund zuordnet.
Beispiel
Aber es gibt auch auf Satzebene Grenzen der Wortstellungsvariation. Die Abfolgen (11) und (12) gehören nicht zu syntaktisch wohlgeformten Strukturen deutscher Sätze, da sie elementare Wortstellungsregeln verletzen:
(12) *ProGr@mm seit einiger Zeit wird am Mannheimer Institut für Deutsche Sprache entwickelt.
Die Wortstellungsregeln sind sprachspezifisch. Eine Wort für Wort-Übersetzung von (11) und (12) ins Polnische ergibt normgerechte bzw. noch akzeptable Sätze:
W mannheimskim Instytucie Języka Niemieckiego jest opracowywany od
pewnego czasu ProGr@mm.
?ProGr@mm od pewnego czasu jest w mannheimskim
Instytucie Języka Niemieckiego opracowywany.
Funktionen der Wortstellung
Es zeigen sich also verschiedene Funktionen der Wortstellung, die in den folgenden Einheiten im Detail beschrieben werden:
- Sie ist an der Bildung von Satztypen beteiligt.
- Sie ermöglicht kommunikative Gewichtungen innerhalb des Satzes und kann den Satz in den umgebenden Kontext einbetten.
- Sie ist an der Entstehung bzw. Veränderung von Satzbedeutungen beteiligt.
Bis auf die erste Funktion erfüllt die Wortstellung im Polnischen die gleichen Aufgaben.