Phrasen
Andere Bezeichnungen:
Wortgruppen (polnisch: fraza, grupa wyrazowa)
Phrasen im Überblick
Phrasen oder Kombinationen von Phrasen können als unmittelbare Konstituenten des Satzes fungieren. Sie können zusammen mit dem Verbalkomplex Sätze bilden.
Die Verwendung der Lexeme Wortgruppe und Phrase ist insofern etwas ungenau, als beide intuitiv Mengen mehrerer Wortformen erwarten lassen. Grundsätzlich können Phrasen durch mehrere Elemente realisiert werden. Nominalphrasen, Pronominalphrasen, Adjektivphrasen und Adverbphrasen können aber auch aus nur einer einzigen Wortform bestehen.
Der Satz
besteht aus einer Verbform und aus zwei Phrasen, einer Nominalphrase und einer Adjektivphrase, die je aus nur einem Element bestehen, dem Nomen bzw. dem Adjektiv. Das Nomen und das Adjektiv sind die Grundelemente - die sog. Köpfe - der jeweiligen Phrasen. Phrasen sind über ihren Kopf hinaus prinzipiell ausbaufähig:
Veränderungen sind
möglich.
Die
Veränderungen sind möglich.
Die meisten Veränderungen sind
möglich.
Die
meisten Veränderungen im Text sind möglich.
Die meisten Veränderungen im Text sind
sehr gut möglich.
Phrasen sind nicht nur beliebige Folgen von Wortformen. Phrasen sind Wortgruppen, deren Elemente syntaktisch und semantisch funktional zusammengehören, eine Einheit bilden und bestimmten syntaktischen Regeln folgen.
Der Phrasenkopf ist nicht tilgbar, es sei denn, dass er
unmissverständlich aus dem Kontext hervorgeht.
Es war einmal ein König. Der
(König) hatte zwei Söhne, einen rechtschaffenen (Sohn) und einen tückischen (Sohn).
Katrin verliert oft ihre Kugelschreiber. Schon wieder hat sie einen
(Kugelschreiber) verloren.
Syntaktische Eigenschaften von Phrasen
Phrasen sind zentrale Einheiten des syntaktischen Formaufbaus unterhalb der Satzgrenze.
Folgende Kriterien gelten für Phrasen:
Phrasen können untereinander zu übergeordneten Phrasen kombiniert werden (Phrasen können Bestandteil anderer Phrasen sein):
Phrasen mit dem gleichen lexikalischen Kopf werden als Phrasen eines bestimmten Typs kategorisiert.
Die Wortart des Kopfes gibt der Phrase ihren spezifischen Namen.
Phrasen desselben Typs können koordiniert werden.
Phrasen enthalten kein finites Verb als lexikalischen Kopf.
Phrasen können auch als Teile anderer Phrasen vorkommen.
Phrasen können - sofern sie nicht Teil anderer Phrasen sind - alleine das Vorfeld besetzen
oder zusammen mit dem Verbalkomplex zu Sätzen kombiniert werden:
[Das Grammatikseminar der letzten Woche] musste ausfallen.
Phrasen als unmittelbare Konstituenten des Satzes sind im Deutschen topikalisierbar, d. h. sie können im Aussagesatz im Vorfeld stehen:
Topikalisierung:
Den Aufbau der Nominalphrase erklärte die
Dozentin während der Seminarsitzung.
Während der
Seminarsitzung erklärte die Dozentin den Aufbau der Nominalphrase.
Im polnischen Aussagesatz spielt die Topikalisierung keine distinktive Rolle. Streng genommen gibt es dort auch kein Vorfeld; man spricht allenfalls vom "linken Feld".
Moja siostra wczoraj dlatego tam właśnie
poszła.
*Meine Schwester gestern deshalb gerade dorthin
ging.
Phrasen sind als unmittelbare Konstituenten des Satzes als ganzes verschiebbar (permutierbar), austauschbar (kommutierbar) und koordinierbar:
Permutation:
Die Dozentin erklärte während der Seminarsitzung
den Aufbau der Nominalphrase.
Während der
Seminarsitzung erklärte die Dozentin den Aufbau der Nominalphrase.
Die Dozentin erklärte den Aufbau der Nominalphrase während
der Seminarsitzung.
Kommutation:
Die Dozentin erklärte während der Seminarsitzung
den Aufbau der Nominalphrase.
Die Dozentin erklärte in der Vorlesung den Aufbau der Nominalphrase.
Die Dozentin erklärte nach der Ankunft zu Hause
den Aufbau der Nominalphrase.
Die
Dozentin erklärte während der Seminarsitzung den Aufbau der Nominalphrase.
Sie erklärte während der Seminarsitzung den
Aufbau der Nominalphrase.
Der Student aus dem
zweiten Semester erklärte während der Seminarsitzung den Aufbau der
Nominalphrase.
Koordination:
Die Dozentin erklärte während der Seminarsitzung den
Aufbau der Nominalphrase und den Aufbau der Präpositionalphrase.
Der Student und die Dozentin erklärten während der
Seminarsitzung den Aufbau der Nominalphrase.
Die Dozentin erklärte
während der Seminarsitzung und in der Vorlesung den Aufbau der
Nominalphrase.
Durch diese vier Verfahren im Deutschen (drei im Polnischen, denn die Topikalisierung entfällt als Kriterium!) sind die Grenzen der Phrasen - sofern sie unmittelbare Konstituenten des Satzes sind - feststellbar.
Lediglich in emphatischen Texten, wo einiges hervorgehoben wird, können zuweilen die Grenzen der Phrasen gesprengt werden.
Männer sind alle Betrüger!
Eier hatte sie
keine.
Die unterschiedlichen Arten von Phrasen werden nach der Wortart ihres jeweiligen lexikalischen Kopfs benannt:
Nominalphrase: die roten Schuhe
Pronominalphrase:
er mit seinen ewigen Bedenken
Präpositionalphrase: an der alten Brücke
Adjunktorphrase: wie ein
Verrückter
Adjektivphrase: recht
berühmt
Adverbphrase: knapp daneben
Der lexikalische Kopf kann Formmerkmale anderer Elemente der Phrase steuern. Der Kopf der Nominalphrase, das Nomen Schuheregiert z.B. im Deutschen das Genus (Maskulin) des Artikels und des Adjektivs, und es besteht Kongruenz in Numerus (Plural) und Kasus (Nominativ/Akkusativ) zwischen Nomen, Artikel und Adjektiv in:
Die Präposition an regiert in der folgenden Präpositionalphrase den Kasus (Dativ) von Artikel, Adjektiv und Nomen der dem Kopf folgenden Nominalphrase:
Ähnliches gilt auch für die entsprechenden Phrasen im Polnischen. Divergenzen in Kongruenz und Rektion ergeben sich aus phrasenimmanenten Strukturunterschieden.
Phrasen haben im Satzzusammenhang unterschiedliche syntaktische Funktionen. Sie können fungieren als Komplemente:
Die roten Schuhe müssen repariert werden.
Claudia wohnt an der alten Brücke.
Er mit seinen ewigen Bedenken kommt ganz gut zurecht.
Die Antwort ist knapp daneben.
und als Supplemente:
An der alten Brücke ist die Touristenkonzentration
enorm.
Recht berühmte Schriftsteller wohnten im kleinen
Haus an der alten Brücke.
Kurz davor hat er
noch alles gewusst.
Semantisch-funktionale Eigenschaften von Phrasen
In der Nominalphrase, der Pronominalphrase, der Adjektivphrase und der Adverbphrase wird - insofern sie aus mehreren Elementen bestehen - der Kopf der Phrase, nämlich das Nomen, das Pronomen, das Adjektiv oder das Adverb spezifiziert:
Theorien der Sprachwissenschaft der 20er Jahre
jene vom Institut für Deutsche Sprache
sehr gut
heute am späten Nachmittag
Mit Präpositionalphrasen werden Komplement- bzw. Supplement-Relationen zum Verb (einschließlich Infinitive und Partizipien) oder attributive Relationen (Prädikationen) zum Nomen, Pronomen, Adjektiv, Adverb ausgedrückt:
Die Studenten gehen zur Grammatikvorlesung.
Wir
treffen uns in zwei Stunden.
die Wohnung in der ersten
Etage
Hallo, Ihr in der
letzten Bank!
dort auf
dem Hügel
Die Adjunktorphrase hat prädikative oder spezifizierende Funktion:
Das ist wie im richtigen Leben.
er als ihr bester Freund
Auch Adjektivphrasen haben prädikative oder spezifizierende Funktionen:
Sie ist recht berühmt.
der angeblich lustige Film
Adverbphrasen spezifizieren Sätze, andere Phrasen oder den Verbalkomplex:
Satz: Immer sonntags spielt er
Fußball.
Phrase: Die Wohnung oben ist unbewohnt.
Verbalkomplex: Sie
denkt überhaupt nicht gerne an ihn.
Phrasentypen
Nominalphrase (NP)
Pronominalphrase (PROP)
Präpositionalphrase (PP)
Adjunktorphrase (AJKP)
Adjektivphrase (ADJP)
Adverbphrase (ADVP)