Nominalphrase

Andere Bezeichnungen:

Nominalgruppe, Substantivphrase (polnisch: fraza nominalna, fraza rzeczownikowa)

Nominalphrase im Überblick

Die Nominalphrase (NP) ist der am häufigsten vorkommende Phrasentyp.
Kopf einer Nominalphrase ist ein Nomen. Der Kopf ist auf unterschiedliche Arten ausbaufähig.
Nominalphrasen sind mehr oder weniger komplexe Ausdruckseinheiten.
Nominalphrasen können als Ausdruckseinheiten unmittelbare Konstituenten des Satzes sein.

Die typische Nominalphrase besteht im Deutschen aus einem Nomen - dem Kopf der Nominalphrase -, dem Artikel und aus möglichen aber syntaktisch nicht notwendigen unterschiedlichen attributiven Erweiterungen. Aus polnischer Sicht erscheint das ungewöhnlich, da das Polnische keinen bestimmten und keinen unbestimmten Artikel kennt.

Das Fest fand gestern statt.
Das wundersame Fest fand gestern statt.
Das höchst wundersame Fest anlässlich seiner Wahl fand gestern statt.
Das höchst wundersame Fest, das anlässlich seiner Wahl ausgerichtet wurde, fand gestern statt.

Als minimalste Ausdrucksform kann die Nominalphrase nur aus dem lexikalischen Kopf bestehen, wenn dieser entweder ein Eigenname:

Franz geht.

ein Stoffname:

Stahl wird aus Eisen hergestellt.

oder ein abstrakter Gattungsname:

Geduld ist eine seiner Stärken.

oder die artikellose Pluralform eines Gattungsnamens ist:

Grammatiken sind dick.

ein Teil eines Idioms ist, der den Artikelgebrauch exakt festlegt:

Spaß machen
über Nacht

oder aber metasprachlichen, unbestimmt-allgemeinen bzw. parolenhaften Charakter hat:

Wir haben gestern Grammatik gelernt.
Friede ernährt, Unfriede verzehrt!
Eine Verbindung von Artikel und Nomen.

Morphologische Eigenschaften

Die Ausdruckseinheit Nominalphrase kann minimal durch ihren lexikalischen Kopf, einem Nomen, realisiert werden.
Im Deutschen gilt dies wohlgemerkt nur für den Fall, wenn das Nomen entweder ein Eigenname, ein Stoffname, die Pluralform eines Gattungsnamens oder ein Teil eines Idioms ist bzw. es metasprachlichen, unbestimmt-allgemeinen bzw. parolenhaften Charakter hat. Die typischste Realisierungsform der Nominalphrase im Deutschen ist jedoch - im Unterschied zum Polnischen - eine Verbindung von Artikel und Nomen. Dabei sind in der Position des Artikels - nämlich vor dem Nomen - alle Subklassen der Wortart Artikel möglich:

Definiter Artikeldas Fest Ø + uroczystość
Indefiniter Artikelein FestØ + uroczystość
Possessiv-Artikelunser Fest nasza uroczystość
Demonstrativ-Artikeldieses Fest ta uroczystość
W-Artikelwelch' Festcóż za uroczystość
Quantifikativ-Artikeljedes Fest każda uroczystość

Der definite und der indefinite Artikel sind im Polnischen unbekannt, die restlichen Subklassen der Artikel haben hingegen ihre lexikalischen Entsprechungen. Der Gebrauch der Possessiv-, Demonstrativ- und Qualifikativ-Artikel ist im Polnischen prinzipiell fakultativ. Die im Vergleich zum Deutschen ausgebaute Flexion des polnischen Nomens lockert den morphosyntaktischen NP-Verband: die grammatischen Kategorien der NP sind meist am Kopf eindeutig ablesbar, darüber hinaus ist bei Possessiv-, Demonstrativ- und Quantifikativ-Artikel die Nachstellung des Artikels möglich.

Im Polnischen muss die aktuelle Lesart der jeweiligen NP nicht markiert werden. Dies führt oft dazu, dass Deutsch sprechende Polen die Rolle der Artikel beim Aufbau der NP verkennen, unterschätzen oder falsch interpretieren. Von den drei Sätzen:
1. Angelika hat eine Kuckucksuhr.
2. Angelika hat die Kuckucksuhr.
3. *Angelika hat Kuckucksuhr
.
wird (3) aus polnischer Perspektive als am natürlichsten aufgefasst, zumal der deutsche Satz morphosyntaktisch dem polnischen Satz Angelika ma zegar z kukułką. am nächsten steht. Es wird auch fälschlicherweise angenommen, dass die Informationsstruktur von (3) und vom polnischen Satz ähnlich ist. In Wirklichkeit aber enthält der polnische Satz dieselben Implikationen wie (1). Diese sind auf Grund des Kontext- und/oder Situationsbezugs eindeutig und für jeden Sprecher des Polnischen sofort verständlich. Im Deutschen hingegen müssen diese ohnehin eindeutigen Implikationen - aus polnischer Sicht - "zusätzlich" und "überflüssig" durch Artikel wie in (1) und (2) markiert werden. Der Unterschied zwischen (1) und (2) wird von Sprechern des Deutschen nicht gesehen. Wird zwischen (1) und (2) gewählt, so entscheidet sich die Mehrheit der Deutsch sprechenden Polen für (2), was meist auf einen Lernfehler zurückgeht: Nomina als Vokabeln werden im Nominativ Singular gelernt und diese Kategorien sind außerhalb des Kontextes am bestimmten Artikel ablesbar. Die Tatsache, dass (2) einer kontextuellen Einbettung bzw. einer klärenden Situation bedarf, wird von den Deutsch sprechenden Polen nicht erkannt.

Weitere Erweiterungsmöglichkeiten

Ausbaufähig sind Nominalphrasen auf vielfältige Weise:

Erweiterungen links vom Kopf

Erweiterung durch einen Artikel und ein Adjektiv bzw. eine vorangestellte Adjektivphrase:
Der Artikel fungiert als Determinator der Phrase, das Adjektiv fungiert als Attribut zum Nomen.
Das Nomen regiert das Genus von Artikel und Adjektiv. Außerdem besteht Kongruenz in Numerus und Kasus zwischen Nomen, Artikel und Adjektiv.

Während aber die lineare Anordnung der Elemente im linken Feld einer mehrgliedrigen Nominalphrase im Deutschen streng geregelt ist und keinen Modifikationen unterliegt, sind die Stellungsregeln im Polnischen lockerer: der Determinator ist immer fakultativ und nach Ansicht mancher Stilisten nur dann einsetzbar, wenn es absolut notwendig ist, z. B. als Hervorhebung. Der Determinator im Polnischen steht in der Tendenz in der Initialstellung der Nominalphrase, in emphatischen Äußerungen darf er aber zuweilen rechts des Nomens stehen. Im linken Teil der Nominalphrase stehen qualitative Adjektive.

Erweiterungen durch
Artikelder Fußballer
Adjektiv
Adjektivphrase
Partizipialphrase
kleine Fußballer
kleine flinke Fußballer

hoch gelobte Fußballer
Artikel + Adjektivdie kleinen Fußballer
Fokuspartikel + Artikel + Adjektivphrasesogar der recht kleine Fußballer

Erweiterung durch eine vorangestellte Nominalphrase im Genitiv:

Hansens Hoffnungen
Mutters Apfelkuchen

Attribute zur näheren Personenbeschreibung können als Erweiterungsnomen vor dem Kopf der Nominalphrase stehen:

Herr Schmidt, Genosse Schmidt, Dr. Schmidt, Abteilungsleiter Schmidt

Bei Appositionen ist es oftmals nicht eindeutig, welches Nomen Bezugsnomen, welches Apposition ist:

Bundeskanzler Helmut Schmidt oder Bundeskanzler Helmut Schmidt

Erweiterungen rechts vom Kopf

Dem lexikalischen Kopf können Attribute unterschiedlichster Art nachgestellt sein:

Nominalphrasen im Genitivdie Macht des Staates
Adverbien/
Adverbphrasen
der Herr hier
die Dame dort hinten
Präpositionalphrasendie Gedanken an die Zukunft
Adjektivphraseder Bundeskanzler, schlauer als zuvor
Relativsatzder Staat, der gute Gewinne macht
Adjunktorphraseder Bundeskanzler als Politiker
Infinitivkonstruktionder Wunsch, in Urlaub zu fahren
Subjunktorsatz die Frage, ob wir mitfahren sollen

Die Skala der Erweiterungsmöglichkeiten rechts vom Kopf ist im Polnischen jedoch größer als im Deutschen:

Artikel (Demonstr., Poss., Quant.)Mężczyzna ów *Mann jener
Żona moja *Frau meine
Zbytek wszelki *Überfluss jeglicher
AdjektiveKanclerz federalny *Kanzler föderaler
Ten zegar stary *diese Uhr alte

Syntaktische Eigenschaften

Nominalphrasen können als Ausdruckseinheiten unmittelbare Konstituenten des Satzes sein:

Das Fest fand großen Anklang.

Nominalphrasen können in ihrer syntaktischen Funktion als Komplemente und als Supplemente gebraucht werden.
Komplemente der unterschiedlichsten Komplementklassen kommen dabei in Frage:

KsubGrüne Bäume dienen oft als Beispiel.
KakkSie bereiten das wundersame Fest vor.
KgenSie entsann sich der Erklärungen.
KdatDer Mandant schenkt dem Anwalt volles Vertrauen.
KsitDas Seminar beginnt diesen Dienstag.
KdilEr schlief drei Tage und Nächte durch.
KPRDSie sind Studentinnen im dritten Semester.

Als Nomen-Komplemente treten Nominalphrasen als Teile komplexer Nominalphrasen auf, wenn der Kopf der komplexen Nominalphrase aus einem deverbalen Nomen besteht und die Valenzeigenschaften des Verbes übernimmt, von welchem er abgeleitet ist. Dies betrifft allerdings nur die Anzahl, nicht die Kasuszuweisungen der angebundenen Komplemente.

Nomen-KomplementeVerb-Komplemente
Brunos Ausarbeitung der Nominalphrase ist umfangreich.Bruno arbeitet die Nominalphrase umfangreich aus.
Bundeskanzler Schröders Leugnung des Färbens der Haare wird zum Wahlkampfthema.Bundeskanzler Schröder leugnet das Färben der Haare.

Als Supplemente können sie Satzadverbialia oder Nomen-Supplemente sein:

SatzadverbialeEines Morgens dachte er nicht mehr nach.
Nomen-Supplementdas Auto des Bruders des Nachbarn

Als Komplemente und Supplemente sind Nominalphrasen primäre Komponenten des Satzes.

Semantisch-funktionale Eigenschaften

Mit Nominalphrasen wird im sprachlichen Kontext auf Gegenstände und Sachverhalte referiert.
Durch die Erweiterungen des Kopfes durch Artikel wird eine Determination des Kopfes bewirkt. Attributive Erweiterungen durch Adjektive oder durch genitivische Nominalphrasen bewirken in der Regel eine Denotatseinschränkung. In diesem Fall sind die Erweiterungen restriktiv.

Durch die Erweiterungen des Kopfes durch den bestimmten Artikel, den Possessiv-Artikel, den Demonstrativ-Artikel und einige Quantifikativ-Artikel wird im Deutschen eine Determination des Kopfes bewirkt: Es wird dem Kommunikationspartner unterstellt, dass er nach Ansicht des Sprechers über ausreichende Informationen/ausreichendes Wissen verfüge, den besprochenen Gegenstand zu identifizieren. Durch den unbestimmten Artikel, den Indefinit-Artikel oder W-Artikel wird hingegen angedeutet, dass der Kommunikationspartner nicht über ausreichende Informationen/Kenntnisse verfügt, um solch eine Identifizierung durchzuführen, dass er in der jeweiligen Kommunikationssituation keine solche Identifizierung durchzuführen braucht, oder aber dass der Sprecher selbst nicht in der Lage ist, den Gegenstand zu identifizieren. Ein expliziter, an der Oberfläche zu lokalisierender Hinweis auf die jeweilige Lesart der NP ist im Deutschen obligatorisch. Im Polnischen ist er prinzipiell fakultativ, zuweilen wird er aus stilistischen Gründen sogar als störend empfunden. Derselbe kommunikative Effekt wird im Polnischen durch den Satztyp (generisch vs. nicht generisch), Wortstellung, Intonation, zuweilen Verbalaspekt erreicht, die in sprachspezifischer Weise vor dem Hintergrund des Kontextes bzw. der Kommunikationssituation gedeutet werden.

Nominalphrase
Buch
Determinationdas Buch
Modifizierung durch
ein attributives Adjektiv
das letzte Buch
Modifizierung durch
eine attributive NP
das letzte Buch Walsers

Zum Text

Letzte Änderung
Aktionen
Seite als PDF
Seite drucken
Seite zitieren

Seite teilen