Wortstellung und Prosodie

In der nachfolgenden Einheit liegen zahlreiche Beispielsätze in vertonter Form vor. Die Tonbeispiele können Sie über das Lautsprechersymbol im mp3-Format abrufen. Über das Video-Symbol gelangen sie zu einer genauen Aufschlüsselung des Tonverlaufes in Form eines praat-Spektogramms (Abobe-Flash-Animation).

Wortstellung und Akzentuierung sind die Hauptmittel, um die in einem Satz bzw. in einer kommunikativen Minimaleinheit übermittelte Information zu strukturieren und kommunikativ zu gewichten. Unter dem Gesichtspunkt der Informationsstrukturierung gliedert sich eine kommunikative Minimaleinheit in Hintergrund und Vordergrund. Vordergrundeinheiten werden als besonders wichtig oder relevant erachtete Informationsteile durch Stellung und/oder Akzentsetzung hervorgehoben, d. h. fokussiert.

Das Verhältnis zwischen den Fokussierungsmitteln Stellung und Akzent ist nicht reziprok. Fokussierung durch Stellung zieht immer auch Fokussierung durch Akzent nach sich. Umgekehrt gilt das nicht.

Im Ungarischen lässt sich dieses Verhältnis zwischen den Mitteln der Fokussierung besonders gut beobachten. Die Fokussierung erfolgt primär durch die Wortstellung, indem die fokussierte Phrase vor das finite Verb gestellt wird. Die präverbale Phrase trägt auch den Hauptakzent im Satz. Bei neutraler Akzentuierung, d. h. in dem Fall, wenn keine Phrase besonders hervorgehoben wird, fällt der Hauptakzent auf das finite Verb. Darüber hinaus können weitere Phrasen mit einem Nebenakzent versehen und dadurch in den Vordergrund gestellt werden. Ausführlicher dazu vgl. Wortstellung und Akzentuierung.

Die verschiedenen Mittel der Fokussierung dürfen nicht konkurrierend eingesetzt werden. Für die Akzentuierung und die Wortstellung ergeben sich folgende Möglichkeiten:

a) Nur die Akzentuierung wird eingesetzt, während die Wortstellung nicht markiert ist, also die erwartbare Grundabfolge abbildet:

Wahrscheinlich hat [der Nachbar] [den Wagen] gesehen.

b) Akzentuierung und Wortstellung markieren dieselbe Einheit:

(Hat denn niemand den Wagen gesehen?)
Wahrscheinlich hat [den Wagen] [der Nachbar] gesehen.

c) Akzentuierung und Wortstellung markieren unterschiedliche Einheiten:

Wahrscheinlich hat [den Wagen] [der Nachbar] gesehen.

Die oben ausgeführten Möglichkeiten sind im Ungarischen nur beschränkt vorhanden. Die durch die Wortstellung fokussierte präverbale Phrase trägt auch obligatorisch den Hauptakzent. Im Standardfall markieren also Wortstellung und Akzentuierung dieselbe Einheit (Möglichkeit b):

(Talán senki nem látta az autót?)
Valószínűleg a szomszéd látta az autót.

Die Möglichkeit a) liegt im Ungarischen nur in sehr seltenen Fällen, bei markierter Akzentuierung vor. In bestimmten Kontexten ist es möglich, den Hauptakzent auf das finite Verb zu setzen (wie bei neutraler Akzentuierung, wenn keine Phrase fokussiert wird), aber eine Phrase mit einem Nebenakzent doch hervorzuheben (vgl. dazu ausführlicher Wortstellung und Akzentuierung):

A szomszéd valószínűleg látta az autót.

Auch im Ungarischen besteht die Möglichkeit c), d. h. neben der durch den Hauptakzent hervorgehobenen Fokusphrase auch weitere Phrasen durch Nebenakzentuierung in den Vordergrund zu stellen:

A szomszéd valószínűleg az autót látta.

Neben der Akzentuierung ist auch der Tonhöhenverlauf im Zusammenhang mit der Wortstellung für die Satzbedeutung maßgeblich. So tragen vor allem die Verbstellung und das Grenztonmuster, also der Tonhöhenverlauf in oder nach der letzten Akzentsilbe, zur Konstitution der Satzmodi bei.

Pausen verdeutlichen, wie grafische Markierungen (Komma, Gedankenstrich) in der Schriftsprache, z. B. den Übergang vom linken Außenfeld zum Vorfeld und vom Nachfeld zum rechten Außenfeld.

Im ungarischen Satz hat Pausensetzung auch andere Funktionen für die Informationsstrukturierung, vgl. Wortstellung und Pausen.

Eine Erscheinung, bei der Tonmuster und Wortstellung eng zusammenwirken, ist die topologische und intonatorische Aufspaltung von z. B. der Nominalphrase:

Dafür gibt es [viele Gründe].
[Gründe] gibt es dafür [viele].

Die oben skizzierten Erscheinungen werden in folgenden Abschnitten behandelt:

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