Satzklammer und Stellungsfelder

Hier wird zunächst definiert, was unter Stellungseinheiten zu verstehen ist, dann folgt eine Beschreibung der Satzklammer und Stellungsfelder, in denen die Stellungseinheiten vorkommen, und schließlich werden die Abfolgeregularitäten im rechten Satzklammerteil dargestellt.

Stellungseinheiten

Die Wörter in einem Satz werden beim Sprechen oder beim Schreiben linear angeordnet. Mehrere zusammenhängende Wörter können eine Phrase (blau gekennzeichnet) oder einen Verbalkomplex (rot) bilden. Normalerweise steht das, was inhaltlich und grammatisch eng zusammengehört, beieinander und bildet eine Stellungseinheit (eckige Klammern):

[Die ganze Mannschaft ] [fuhr ] [nach dem Spiel ] [in das abgelegene "Landhaus Bachmair" ].
(...), [weil ] [er ] [den Vorschlag ] [abgelehnt hatte].

Aber das ist nicht immer so:

[Er ] [hatte ] [den Vorschlag ] [abgelehnt ].
[An die Parteispitze ] [gewählt ] [wurde ] [einstimmig ] [der frühere Fraktionsvorsitzende ].
[Er ] [lehnte ] [den Vorschlag ] [ab ].
[Zeit ] [hatte] [er ] [immer ] [viel ].

Wegen dieser Möglichkeit, zusammengehörige Elemente getrennt zu positionieren, entspricht eine primäre Komponente des Satzes (d. h. ein Komplement, Supplement oder der Verbalkomplex) nicht automatisch auch einer Stellungseinheit. Im letzten Beispiel sind Zeit und viel zusammen ein Akkusativkomplement, das aber auf zwei Stellungseinheiten verteilt ist.

Stellungseinheiten sind Phrasen oder Teile des Verbalkomplexes, die bei gleichem kompositionalem Aufbau des Satzes innerhalb dieses Satzes (potenziell) verschoben werden können. Stellungseinheiten sind oft aber nicht immer mit primären Komponenten identisch.

Im ungarischen Satz kommen wie im Deutschen Phrasen und Verbalkomplexe/ -komplexteile als Stellungseinheiten vor:

[A játék után] [az egész csapat] [a távollévő Bachmair kúriába] [ment].
[nach dem Spiel ] [die ganze Mannschaft ] [in das abgelegene "Landhaus Bachmair" ] [fuhr].
Die ganze Mannschaft fuhr nach dem Spiel in das abgelegene "Landhaus Bachmair".

[Készülni akart] [a vizsgára]. – (…), [mert] [készülni akart] [a vizsgára].
[vorbereiten-sich wollte-er] [die Prüfung-auf]. – (...), [weil] [vorbereiten-sich wollte-er] [die Prüfung-auf].
Er wollte sich auf die Prüfung vorbereiten. – (...) weil er sich auf die Prüfung vorbereiten wollte.

Das letzte Beispielpaar zeigt, dass es im Ungarischen keinen topologischen Unterschied zwischen dem Hauptsatz und Nebensatz gibt.

Bestandteile von Phrasen können seltener (3), die des Verbalkomplexes (2) häufiger getrennt voneinander erscheinen. Die Stellungen der Verbalpartikel und des Vollverbs im Ungarischen (1) unterliegen festen Regelmäßigkeiten (vgl. Tompa 1968, 338ff).

(1) [Meg] [is] [mondta] [neki] [a véleményét].
[VP] [auch] [sagte-er/sie] [ihm/ihr] [die Meinung-seine/ihre].
Seine Meinung hat er ihm auch gesagt.

(2) [Akarsz] [holnap] [nekem] [segíteni]?
[Willst-du] [morgen] [mir] [helfen]?
Willst du mir morgen helfen?

(3) [Ideje] [mindig] [sok] [volt].
[Zeit-seine/ihre ] [immer ] [viel] [war].
Zeit hatte er immer viel.

Satzklammer

Die Satzklammer besteht aus einem linken und einem rechten Satzklammerteil. Der linke Satzklammerteil (lSkl) ist immer besetzt, der rechte (rSkl) je nach Satztyp obligatorisch oder fakultativ. Fakultativ ist er in Verberst- (1, 2, 3) und Verbzweitsätzen (4, 5) besetzt, obligatorisch in Verbletztsätzen (6, 7):

lSklrSkl
(1)Holstdu mir bitte den Mantel?
(2)Hastdu den Mantelabgeholt?
(3)Holstdu den Mantelab?
(4)Gestern war ich in Köln.
(5)Erhattegewusst,dass sie in Köln war.
(6)..., ohne dasswir esgemerkt hatten.
(7)Weres nicht hat glauben wollen,...

Die Beispiele (1) - (5) zeigen, dass der linke Satzklammerteil in Verberst- und Verbzweitsätzen immer nur durch ein Verb, und zwar in einer finiten Form, besetzt sein kann. In (6, 7) ist der linke Satzklammerteil durch ein einen Verbletztsatz einleitendes Element besetzt, das aber nicht immer aus nur einem Wort bestehen muss (6).

Die Besetzung des rechten Satzklammerteils ist viel komplexer und unterliegt bestimmten Abfolgeregularitäten. Ist er besetzt, wird er ausschließlich durch ein (2, 3, 5) oder mehrere verbale Elemente (6, 7), zu denen auch die Präverben ("trennbare Verbpräfixe") zählen (3), realisiert. Im Verbletztsatz bildet das einleitende Element den linken Klammerteil und der gesamte Verbalkomplex – also auch das finite Verb – den rechten.

In Verberst- und Verbzweitsätzen, in denen nur der linke Satzklammerteil realisiert ist (Beispiel 8), kann der fakultative – d. h. potenziell realisierbare – rechte Satzklammerteil als 'virtuell' bezeichnet werden. Seine Position ist fest, die Besetzung der Stellungsfelder bleibt von seiner Nicht-Realisierung bzw. Realisierung (durch die Bildung eines mehrteiligen Verbalkomplexes) unberührt (9):

lSklrSkl
(8)Esgerieteiniges aus den Fugenin diesen Tagen.
(9)Esisteiniges aus den Fugengeratenin diesen Tagen.

Zur Bezeichnung der „Satzklammer“ finden sich auch andere Termini wie beispielsweise "Verbalklammer" oder "Satzrahmen". In ProGr@mm wird der Ausdruck „Satzklammer“ als angemessener betrachtet und entsprechend auch verwendet, weil der linke Satzklammerteil nicht zwingend durch eine Verbform belegt sein muss.

Besetzungsmöglichkeiten der Satzklammer:

linker Satzklammerteilrechter Satzklammerteil
Verberstsatz
Verbzweitsatz
finite Verbform(Partizip II, Infinitiv, Präverb)
VerbletztsatzSubjunktor, Relativ-Element(Partizip II, Infinitiv), finite Verbform
lSkl = linker Satzklammerteil, rSkl = rechter Satzklammerteil
V-1 = Verberst-, V-2 = Verbzweit-, V-L = Verbletztsatz
Vfin = finite Verbform, Vinf = infinite Verbform, V-L Einl. = Verbletztsatz einleitendes Element

lSklrSklBesetzung der Satzklammerteile
V-1Vfin(Vinf)
Arbeiteter heute in Köln?finite Verbform
Liestdu mir noch ein Gedichtvor?finite Verbform – Präverb
V-2Ichlernemeistens in der Nacht.finite Verbform
Ichhabeheute Nacht nicht so vielgelernt wie gestern.finite Verbform – Partizip II
Wannlernstdu?finite Verbform
Leiderkonnteich gestern Nacht nichtlernen.finite Verbform – Infinitiv
V-LV-L Einl.(Vinf) Vfin
weilich oft nachts lerne.Subjunktor – finite Verbform
demich gerade am Telefongesagt habe,dass er Recht hatte.Relativ-Element – Partizip II, finite Verbform
warumsie nicht bei ihm bleiben wollte?Interrogativ-Element – Infinitiv, finite Verbform

Die Satzklammer ist ein besonderes sprachliches Merkmal der deutschen Sprache, welches in dieser allgemeinen Ausbreitung in keiner anderen Sprache vorkommt. In ihrer Grundstellung sind also die Satzelemente vor dem rechten Satzklammerteil positioniert.

Im Ungarischen können die Bestandteile des Verbalkomplexes eine Stellungseinheit bilden, sie werden aber – aus u.a. kommunikativen Gründen – oft voneinander getrennt. Im ungarischen Satz nimmt das finite Verb eine zentrale topologische Stellung ein: Die Stelle vor ihm ist für die Hauptinformation bzw. den Fokus der Aussage vorbehalten.
Während die Spaltung des deutschen Verbalkomplexes formalgrammatischen Regeln unterliegt, wird sie im Ungarischen von kommunikativ-pragmatischen Erfordernissen bestimmt. Die Stellungsvariationen der Bestandteile des ungarischen Verbalkomplexes werden unten im Subkapitel Abfolgeregularitäten des rechten Satzklammerteiles behandelt. Vgl. Wortstellung im Allgemeinen.

Stellungsfelder

Die Stellungsfelder ergeben sich aus der relativen Position zum linken und rechten Satzklammerteil. Aufgrund der Satzklammer ergeben sich die drei Stellungsfelder Vorfeld, Mittelfeld und Nachfeld:

VorfeldlSklMittelfeldrSklNachfeld
(10)Der zweifache Europameisterhat heute nicht so gut gespielt wie sonst.
(11)Gesternister wesentlich schnellergelaufen als heute.
(12)Unsere Mannschaftsiegt.
(13)Erreisteletzten Dienstagab.
(14)Wollensie morgen frühabreisen?
(15)Machmal ein bisschen schneller!
(16)weiler heute nicht so gutgespielt hatwie sonst.
(17)diegestern in besserer Launegewesen ist.


Zu den einzelnen Stellungsfeldern:

Vorfeld

Das Vorfeld ist der Teil des Satzes, der sich vor der linken Satzklammer befindet. Es ist nur in Verbzweitsätzen besetzt. Verberst- und Verbletztsätze verfügen über kein Vorfeld (vgl. (14)-(17) oben).

Beispiel:

(18) Der zweifache Europameister Björn Lukas aus Laurenburg wird den Besuchern die Techniken des Kickboxens demonstrieren. [Rhein-Zeitung, 07.03.2006]
A laurenburgi Björn Lukas kétszeres európabajnok be fogja mutatni a kickbox technikáit.

Mittelfeld

Das Mittelfeld ist der Teil des Satzes, der sich zwischen dem linken und dem realisierten oder potenziell realisierbaren rechten Satzklammerteil befindet. Dieses Stellungsfeld kann in allen Satztypen besetzt sein, was auch in den meisten Sätzen der Fall ist. Deshalb sind hier die Stellungsregularitäten besonders wichtig.

Beispiele:

(19) Die Steueraffäre um gestohlene Bankdaten bewegt die Gemüter.
Az ellopott banki adatok körüli adóbotrány borzolja a kedélyeket.
(20) Darf sich der Staat auf Geschäfte mit Kriminellen einlassen, um der Steuergerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen?
Üzletbe bocsájtkozhat az állam bűnözőkkel, hogy az adózási jogszerűséget győzelemre vigye?
(21) Oder muss er ein paar Millionen sausen lassen, weil es die Moral gebietet? [heute.de, 01.02.2010]
Vagy elherdálhat néhány milliót, mert az erkölcs ezt írja elő?

Nachfeld

Das Nachfeld ist der Teil des Satzes, der sich rechts vom realisierten oder potenziell realisierbaren rechten Satzklammerteil befindet. Dieses Stellungsfeld kann in allen Satztypen besetzt werden, auch wenn der rechte Satzklammerteil nicht realisiert ist.

Beispiele:

(22) Wolltest du nicht einen Impfstoff entwickeln, der aussterbende Tierarten im Amazonasgebiet vor fremden Viren schützt? [die tageszeitung, 10.01.2007]
Nem akartál olyan oltásszérumot kifejleszteni, amely az Amazonasz területén élő, kipusztulástól veszélyeztetett állatfajokat megvédi az idegen vírudsoktól?
(23) "Ich habe eigentlich das ganze Turnier über nicht so gut gespielt wie sonst" [Nürnberger Zeitung, 07.09.2007]
Tulajdonképpen az egész versenyben nem játszottam olyan jól mint egyébként.
(24) "Die Spannung tut mir gut. Sie gibt mir die Energie, um gewinnen zu können. [die tageszeitung, 04.06.2005]
A feszültség jót tesz nekem. Energiát ad, hogy győzni tudjak.
(25) Die Welt hält die Luft an, und mancher Realpolitiker spricht von einem schlechten Witz. Was von dem, was dieser Präsident versprochen hat, konnte er erreichen in der eben neun Monate währenden Amtszeit? [zeit.de, 10.10.2009]
(…) Abból, amit megigért, mit tudott az elnök az éppen kilenc hónapig tartó hivatali idejébenmegvalósítani?

Im Unterschied zum Vorfeld in Verbzweitsätzen gilt das Nachfeld als strukturell fakultative Position (s. Wortstellung im Nachfeld). Seine Besetzung ist aber unabhängig vom Vorhandensein des rechten Satzklammerteils, wie die Beispiele (8) und (9) oben zeigen.

VorfeldlSklMittelfeldrSklNachfeld
Esgerieteiniges aus den Fugenin diesen Tagen.
Esisteiniges aus den Fugengeratenin diesen Tagen.

Wie die ungarischen Übersetzungen der Sätze (18) bis (25) zeigen, sind die Wortstellungsstrukturen in den beiden Sprachen ganz anders. Die deutschen Stellungsfelder, wenn sie überhaupt in ähnlichen Formen im ungarischen Satz wie in (22) und (25) zu erkennen sind, fehlen im Ungarischen vollkommen. Zumal im Ungarischen mehrteilige Verbalkomplexe viel seltener vorkommen. Eine dem Deutschen entsprechende Struktur ist vielmehr der relativ großen topologischen Freiheit im Ungarischen zu verdanken. Der Satz (25) kann auch im Weiteren sozusagen beliebig modifiziert werden:

(25a) (…) [Abból], [amit] megigért, [mit] tudott [az elnök] [az éppen kilenc hónapig tartó hivatali idejében] megvalósítani?
[Davon], [was] VP- versprach-er, [was] konnte [der Präsident] [in der eben neun Monate währenden Amtszeit] VP-verwirklichen?

Infinitivkonstruktionen mit zu weisen ein satzähnliches Konstrukt auf; von Verberst- und Verbzweit- bzw. Verbletztsätzen unterscheiden sie sich hinsichtlich zweier Merkmale: Sie haben einerseits kein Subjekt, andererseits keine finite Verbform.

Im Hinblick auf die Funktion drücken sie Komplemente und/oder Supplemente von Sätzen aus, denen sie untergliedert sind (Akkusativkomplement in (1)). Sie können auch Erweiterungen von Nominalphrasen rechts vom Kopf darstellen (2).

(1) Für die Sicherheitskonferenz in München hatte sich Gates vorgenommen, ein „großes politisches Bild” zu malen und auf Nadelstiche gegen einzelne Mitglieder zu verzichten, wie ein Nato-Diplomat sagte. [Nürnberger Nachrichten, 09.02.2008, S. 2]

(2) Allerdings zogen zwei Konkurrenten, die beim Protest als Zeugen hätten aussagen sollen, ihre Unterstützung zurück. Aus Angst, selbst disqualifiziert zu werden … [Die Presse, 11.01.2000, Ressort: Sport; Fatale, Verwechslung].

Infinitivkonstruktionen weisen formale Ähnlichkeiten mit Phrasen und Sätzen auf. Hinsichtlich der Wortstellung weisen Infinitivkonstruktionen mit zu eine der Elementenfolge von Sätzen ähnliche Struktur auf, wobei Stellungsfelder auftreten, aber – wie beim Verbletztsatz – ohne Vorfeld. Infinitivkonstruktionen mit zu können auch von den drei Präpositionen um, ohne und anstatt regiert werden (3). Der präpositionale Kopf nimmt hierbei eine mit dem linken Satzklammerteil vergleichbare Stellung ein. Mit dem rechten Satzklammerteil vergleichbar ist zu + das Verb im Infinitiv (vgl. 1, 3 und 4), zu dem weitere infinite Verbformen hinzukommen können (vgl. 2).

(3) Um etwa Krebs zu operieren, macht man einen Schnitt von ungefähr fünf Millimetern Größe. [Hannoversche Allgemeine, 06.09.2007, S. 27]

(4) Für das Jahr 2008 hat sich der Concordia-Vorstand vorgenommen, das Beitragsminus zu stoppen. [Hannoversche Allgemeine, 27.11.2007, S. 13]

Die Besetzungsmöglichkeiten und die Abfolge der Komplemente und Supplemente vor und nach den infiniten Verbteilen innerhalb von Infinitivkonstruktionen mit zu ist dieselbe wie im Mittel- bzw. Nachfeld von Verbletztsätzen; nur fehlen dabei das Subjekt und das finite Verb.

Außenfelder

Als Außenfelder werden Bereiche bezeichnet, die syntaktisch nicht in den Satz integriert, aber Teil der kommunikativen Minimaleinheit sind. Sie sind intonatorisch und oft auch grafisch (z. B. durch Komma oder Gedankenstrich) vom Satz abgetrennt.

Folgende Beispiele illustrieren die Besetzung im linken Außenfeld (26) und im rechten Außenfeld (27):

(26) Also, mit den amerikanischen Wörtern in der deutschen Sprache kann es gelegentlich böse Missverständnisse geben! [Mannheimer Morgen, 29.01.2008]
(27) Sie sagten doch zu, uns zu helfen, Herr Müller!

Detailliertere Informationen zum linken und rechten Außenfeld befinden sich in der Einheit Außenfelder.

Außenfelder kennt die ungarische Grammatikographie nicht, da sie auch nicht von Feldern spricht. Allerdings kann man auch im Ungarischen die Elemente, die nicht Teil des jeweiligen Satzes, wohl aber Teil der kommunikativen Minimaleinheit sind, in diesem topologischen Bereich behandeln.

Szóval, a német nyelvben található amerikai szavakkal olykor durva félreértések lehetnek.
Also, mit den amerikanischen Wörtern in der deutschen Sprache kann es gelegentlich böse Missverständnisse geben! [Mannheimer Morgen, 29.01.2008]

Hát ugye megigérte, hogy segít nekünk, Müller úr.
Sie sagten doch zu, uns zu helfen, Herr Müller!

Abfolgeregularitäten im rechten Satzklammerteil

Die Abfolge der verbalen Elemente im rechten Satzklammerteil bildet die hierarchische Ordnung der Teile des Verbalkomplexes ab:

Er wird ans Telefon gerufen worden sein.

Noch deutlicher wird das in Verbletztsätzen, da bei diesen der gesamte Verbalkomplex im rechten Satzklammerteil steht. Im Extremfall können das vier Verbformen sein, deren richtige Anordnung auch für Muttersprachler nicht immer ganz unproblematisch ist. Dabei gilt, mit bestimmten Ausnahmen, die Regel "Finitum am Ende":

Im Verbletztsatz muss immer ein Element finit sein. Bei zwei oder mehr Verbformen steht die finite immer am Ende.

Beispiele für die Abfolge der Verbformen im Passiv im rechten Satzklammerteil von Verbletztsätzen:

Präsens Passiv: (…), dass er ans Telefon gerufen wird.
Präsensperfekt Passiv: (…), dass er ans Telefon gerufen worden ist.
Futurperfekt Passiv: (…), dass er ans Telefon gerufen worden sein wird.

Das Finitum kann ein Hilfsverb (vgl. auch die Beispiele im Passiv), modal gebrauchtes Vollverb oder Modalverb sein (finite Verbteile rot, infinite fett markiert), z. B.:

(...), obwohl es sie gewaltig geärgert hatte.
(...) , bevor sie abgefahren sind.

(...), weil er damals viel zu arbeiten schien.

(...), weil es ihr natürlich auch geschenkt worden sein kann.

Bei zusammengesetzten Tempusformen von Modalverben, deren Partizip II durch den Infinitiv Präsens ersetzt wird ("Ersatzinfinitiv"), folgen zwei (oder drei) Infinitive im rechten Satzklammerteil aufeinander. In diesen Fällen steht die finite Form des Hilfsverbs haben am Anfang des gesamten Verbalkomplexes:

(...), weil er nicht hat kommen dürfen.
*(...), weil er nicht kommen dürfen hat.

(...), weil er nicht hat kommen dürfen sollen.
Ossietskys 80. Geburtstag, den er am 3. Oktober hätte feiern können, ging unbemerkt vorüber. [H. Pross, Söhne der Kassandra, 99]

Bei Komplementen, die als Infinitive realisiert werden (s. Überblick über die Komplementklassen und ihre Realisierungsformen), kann die Abfolge der Infinitive und der finiten Verbform innerhalb des rechten Satzklammerteils bzw. um diesen herum variieren:

Bei den finiten Formen des Hilfsverbs werden kann fakultativ umgestellt werden:

(...), dass sie das Flugzeug landen sehen wird.
(...), dass sie das Flugzeug wird landen sehen.

Bei den finiten Formen der Modalverben ist die Umstellung bei drei Infinitiven möglich:

(...), weil Sonja ihn kommen sehen haben will.
(...), weil Sonja ihn will kommen sehen haben.
(...), weil Sonja ihn will haben kommen sehen.

Tendenziell wird bei zwei Infinitiven das finite Modalverb nicht vorangestellt, wenngleich dessen Voranstellung in literarischen Texten durchaus belegt ist:

(...), weil Berghoff ihn scheitern sehen wollte.

Vorgestern noch hätte er es nicht für möglich gehalten, [...] daß er noch einmal den Strom des Lebens, der Freude, der Jugend so voll und drängend durch sein Blut könnte strömen fühlen. [H. Hesse, Narziß, 245; zit. nach Bech (1983), 66]

Weiterführende Literatur: Bech (1983), Vogel (2009).

Im Ungarischen kommen wesentlich weniger mehrteilige Verbalkomplexe vor und ihre Kombinatorik ist deshalb kleiner als im Deutschen (vgl. Verbalkomplex):

1. finites Vollverb mit Präverb: elolvas: VP-lesen
2. finites Hilfsverb mit Vollverb im Infinitiv: tanulni fog: lesen wird-er
3. finites Modalverb mit Vollverb im Infinitiv: tudok neked segíteni: kann-ich dir helfen
4. Modalverb mit eingeschränkter Konjugierbarkeit und Vollverb im Infinitiv: itt kell maradni: hier muss-man bleiben
5. finites Vollverb im Präteritum mit dem unflektierbaren Element volna zum Ausdruck des Konditionals: elutazott volna: VP-fuhr-er volna

Das finite Vollverb mit Präverb kann topologisch in drei Formen erscheinen (Tompa 1968, 338):

a) „gerade Wortfolge”: VP-Vollverb: Elolvastam a könyvet. - VP-las-ich das Buch. (Ich habe das Buch gelesen.)
b) „unterbrochene Wortfolge”: VP – anderes Element – Vollverb: El is olvastam a könyvet. - VP– auch – las-ich das Buch. (Ich habe das Buch auch gelesen.)
c) „umgekehrte Wortfolge”: das Präverb folgt dem Vollverb mittelbar oder unmittelbar: Nem olvastamel a könyvet. - Nicht las-ichVPdas Buch. (Ich habe das Buch nicht gelesen.)

Obige Verbindungsmöglichkeiten 1. bis 5. können in einer eingeschränkten Kombinatorik vorkommen:

De meg fogod tudni csinálni ezt a feladatot is. - AberVPwirst-du können machen diese Aufgabe auch. (Aber du wirst auch diese Aufgabe machen können.)

Die Reihenfolge der Elemente ist je nach Kontext unterschiedlich:

Nem tudta megcsinálni a feladatot. - Nicht konnte-er VP-machen die Aufgabe. (Er konnte die Aufgabe nicht machen.)
Befejezni már nem tudta a feladatot. - VP-abschließen schon nicht konnte-er die Aufgabe. (Er konnte die Aufgabe nicht mehr abschließen.)
El tudtál volna menni szinházba? - VP-konntest-du 'volna' gehen ins Theater? (Hättest du ins Theater gehen können?)

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