Korrespondenz und Flexion bei mehreren attributiven Adjektiven
In Nominalphrasen mit mehreren attributiven Adjektiven (bzw. Partizipien) herrschen besondere Korrespondenzbeziehungen. Bei mehreren Adjektiven, die nicht zur selben Adjektivphrase gehören, spielt es keine Rolle, ob es sich um koordinierte, eine Nominalphrase erweiternde Adjektive handelt (1) oder um mehrere Adjektive, bei denen das erste eine folgende Nominalphrase spezifiziert, die schon um eine Adjektivphrase erweitert ist (2). In beiden Fällen werden alle Adjektive flektiert (adjektivische Köpfe fett markiert):
Bei (Nominalphrasen erweiternden) Adjektivphrasen gelten die Bedingungen für die syntaktische Struktur von Adjektivphrasen: Nur der Kopf der attributiv verwendeten Adjektivphrase wird flektiert, die den Kopf erweiternden Adjektive bleiben unflektiert:
Weitere Beispiele für die Flexion attributiver Adjektive in Nominalphrasen, in denen mehr als ein Adjektiv vorkommt:
Schwache Flexion:
Starke Flexion:
Im Karohemd, Jeans und großer schwarzer Sonnenbrille hielt der Pastor seine Predigt. (Mannheimer Morgen, 28.07.2004)
In jenem Moment, [...] enterten unzählige große, schwarze, langbeinige Spinnen das Boot und seine Besatzung. (die tageszeitung, 24.08.2006)
Die Beispiele legen folgenden Schluss nahe:
Es gelten dabei die Rektions- (Artikel regieren Adjektive) und Kongruenzbeziehungen, die im Abschnitt Korrespondenz in der Nominalphrase erläutert werden. Abweichungen von der Regel der parallelen Flexion, die das Flexionsmuster ab dem zweiten Adjektiv betreffen, werden im Folgenden erläutert.
Schwankungen zwischen starkem und schwachem Flexionsmuster
Zwischen Artikeln und Adjektiven gibt es fließende Übergangsbereiche, die sich durch unterschiedliche Grade von Adjektiv- oder Artikelhaftigkeit auszeichnen. Dies zeigt sich im Flexionsmuster (Genitivformen) und schlägt sich in den Korrespondenzbeziehungen (z. B. Rektion des Flexionsmusters nachfolgender Adjektive) nieder.
einig-, etlich-, irgendwelch-, manch-, mehrer-, sämtlich- (Quantifikativ-Artikel)
solch-, welch- (Demonstrativ- bzw. W-Artikel)
beide, viel, wenig, andere, folgende (Adjektive)
Die Flexion nachfolgender attributiver Adjektive ist zum einen abhängig von den funktionalen Eigenschaften der Wortform, die die Nominalphrase einleitet (Determination bei Artikeln, Attribution bei Adjektiven), zum anderen von den Flexionsmarkern, die diese Wortform trägt.
Syntaktisch ist die erste Position einer Nominalphrase prototypisch durch einen Artikel besetzt, also für die Funktion der Determination prädestiniert. Semantisch gesehen zeichnen sich Artikel, die sich wie Adjektive verhalten, durch das Merkmal der Indefinitheit aus und sind häufig quantifizierend (Quantifikativ-Artikel). Adjektive, die sich wie Artikel verhalten, haben verweisenden Charakter (z. B. textverweisende und quantifikative Adjektive).
Ist der Artikel oder das Adjektiv in der ersten Position durch den Flexionsmarker-en gekennzeichnet, folgt darauf auch immer -en bei dem nachfolgenden Adjektiv, da sich starke und schwache Flexion hier nicht unterscheiden (z. B. mit solchen schönen Blumen). Bei den anderen Flexionsmarkern in der ersten Position (-e, -er, -em, -es) können Schwankungen zwischen starkem und schwachem Flexionsmuster nachfolgender Adjektive aber sichtbar werden (z. B. solche schöne/schönen Blumen).
Tendenziell werden Adjektive, die auf Adjektive mit Eigenschaften von Artikeln oder konsonantischen Flexionsmarkern folgen, eher schwach flektiert. Dabei existieren Abstufungen je nach Lexem und Flexionsendung, was zu Varianz im Gebrauch starker und schwacher Flexionsmuster bei den nachfolgenden Adjektiven führt. Diese Schwankungen werden von den normativen Grammatiken hinsichtlich ihrer standardsprachlichen Akzeptanz teilweise unterschiedlich bewertet.
Nach der Endung -em (Dativ Singular)
In den folgenden Beispielen wird das zweite Adjektiv entgegen der oben formulierten Regel nicht parallel stark flektiert, sondern folgt dem schwachen Flexionsmuster:
(2) Gewalt überschattet den Auftakt zu Südafrikas zweitem demokratischen Wahlkampf. (die tageszeitung, 25.01.1999)
Als Erklärung bietet sich die phonologische Markiertheit der Dativ-Singular-Endung -em an, die eine zweite gleichlautende Endung innerhalb der Nominalphrase (parallel stark flektiert) nicht nötig macht, stattdessen wird der weniger markierte nasale Marker -en eingesetzt. Standardsprachlich wird die parallele Flexion dennoch vorgezogen (Duden 2005: 974). Zur Flexion bei artikellosen Folgen von Adjektiven siehe auch Grammatik in Fragen und Antworten.
Die durch sein relativ hohes phonologisches Gewicht bedingte Auffälligkeit des Flexionsmarkers -em ist ikonisch, ihr entspricht seine spezifische grammatische Funktion: Es ist der einzige Marker im System der Nominalflexion, der nur in einem Kasus vorkommt (Dativ) und dabei die wenigsten Synkretismen aufweist (Dativ Singular: Maskulinum und Neutrum), d. h. die grammatischen Kategorien der Wortform im Vergleich zu den andern Flexionsmarkern am eindeutigsten kennzeichnet.
Nach Adjektiven mit Eigenschaften von Artikeln
Systematische Abweichungen gibt es aber auch bei einer Reihe von Adjektiven und zwar auch nach anderen Endungen als -em. Hier lässt sich ebenfalls beobachten, dass nicht immer parallel stark flektiert wird (Beispiel 3), sondern gelegentlich auf ein stark flektiertes ein schwach flektiertes Adjektiv folgt (Beispiel 4):
(3) | [...], finden sich | folgende interessante | Beispiele: [...] | [Mannheimer Morgen, 21.03.1998] |
(4) | [...] und hat über dieses faszinierende Instrument | folgende interessanten | Tatsachen herausgefunden: [...] | [Salzburger Nachrichten, 15.05.1999] |
Ausschlaggebend hierfür ist, dass bestimmte Adjektive mit Eigenschaften von Artikeln, wenn sie innerhalb einer Nominalphrase die syntaktische Position eines Artikels einnehmen, auch die Funktion der Determination und die syntaktischen Eigenschaften von Artikeln in Bezug auf die Korrespondenzbeziehungen in der Nominalphrase übernehmen. Ein solches stark flektiertes Adjektiv regiert wie ein Artikel die schwache Flexion eines folgenden Adjektivs. In Beispiel (4) verhält sich das Adjektiv folgend wie ein Artikel, der bei dem Adjektiv interessant das schwache Flexionsmuster regiert. In Beispiel (2) ist das, unabhängig vom Dativ Singular, ebenso der Fall.
Die Artikelhaftigkeit bestimmter Adjektive ist semantisch bedingt. Insbesondere Zahladjektive (wie in Beispiel (2)) und textverweisende Ausdrücke (wie in Beispiel (3) und (4)) weisen eine semantische Nähe zu Artikeln auf (vgl. hierzu Wiese 2004 (pdf-Dokument)), da sie wie diese die Funktion des Verweisens auf einen Gegenstand besitzen. Die Flexionseigenschaften des zweiten Adjektivs hängen dabei nicht nur von der Artikelhaftigkeit des ersten Adjektivs ab, sondern auch vom phonologischen Gewicht seiner Flexionsendung. Im Falle der Adjektive mit Eigenschaften von Artikeln wird nach bloßer Schwa-Endung auf -e am häufigsten parallel (stark) flektiert, nach der Endung -em hingegen fast durchweg schwach.
Nach Artikeln mit Eigenschaften von Adjektiven
Einige Artikel, z. B. die Quantifikativ-Artikel einig- und etlich-, die nach dem Muster der Adjektivflexion flektieren, verhalten sich teilweise auch syntaktisch wie Adjektive und bewirken bei nachfolgenden Adjektiven starke Flexion, das heißt die Formen werden parallel flektiert.
Auch in diesen Fällen kommt es zu Schwankungen, wie das folgende, seltenere Beispiel mit schwachen Flexion zeigt: