Flexion der Adjektive
Komparation und Deklination stellen für Adjektive unabhängige, durch verschiedene Marker gekennzeichnete und an einer Wortform gleichzeitig agglutinierend wirkende Formen der Flexion dar (schönere Blumen). Adjektive können als Attribute, als Prädikativkomplemente und als Adverbialia fungieren. Zu den Adjektiven zählt auch das aus einem Verb gebildete Partizip I. Das Partizip II ist eine Flexionsform des Verbs, die auch als Adjektiv gebraucht werden kann (vgl. Verbflexion).
Beispiele:
- Attribut: ein katastrophales Ergebnis
- Prädikativkomplement: das Ergebnis war katastrophal
- Adverbiale: sie lügt katastrophal
- Partizip I/II: ein schockierendes Ergebnis/die schockierten Besucher
- Komparation: ein katastrophaleres Ergebnis/das katastrophalste Ergebnis
In einigen Grammatiken werden auf ein Verb bezogene Adjektive als Adverbien bezeichnet, z. B.:
In ProGr@mm wird die Unterscheidung aber nicht nach dem syntaktischen Bezug, sondern nach den Flexionseigenschaften getroffen. Adverbien sind unflektierbare Ausdrücke wie z. B.:
Adjektive in attributiver Verwendung sind hingegen grundsätzlich flektierbar. Sie können aber wie im obigen Beispiel als Adverbiale fungieren.
Deklination der Adjektive
Attributiv verwendete Adjektive flektieren nach Kasus, Genus und Numerus und treten in zwei Flexionsmustern auf, einem "starken" und einem "schwachen":
Flexionsmuster | Flexionsmarker | Verwendung | Beispiel | |
starke Flexion | -e, -en, -er, -es, -em | nach endungslosem/unflektiertem Artikel und wenn kein Artikel vorhanden
ist: ø; ein; mein, dein/Ihr, sein/ihr, unser, euer/Ihr, ihr; kein, irgendein | mit frischem Mut | |
schwache Flexion | -e, -en | nach dem definiten Artikel und Artikeln, die Flexionsendungen
besitzen: der/die/das...; dies-, jen-, welch-, solch-; ein-; kein-; mein-, dein-/Ihr-, sein-/ihr-, unser-, euer-/Ihr-, ihr- | mit dem frischen Mut der Jugend |
Manche Grammatiken (vgl. Eisenberg 2006) unterscheiden ein drittes, gemischtes Flexionsmuster für Adjektive nach Artikeln, die in ihren Flexionsmustern sowohl endungslose als auch Formen mit Flexionsendung besitzen (indefiniter Artikel, Possessiv-Artikel und Quantifikativ-Artikel kein-). Nach dieser Einteilung würden nur Adjektive ohne Artikel stark flektieren und vorausgehende Artikel entweder das schwache oder das gemischte Flexionsmuster beim Adjektiv regieren. Das gemischte Flexionsmuster setzt sich dann aus starken (rot markiert) und schwachen Formen zusammen:
Singular | Plural | |||
Mask- | Neut- | Fem. | ||
Nom. | -er | -es | -e | -en |
Akk. | -en | |||
Dat. | -en | -en | ||
Gen. |
Die Wahl des Flexionsmusters, nach dem ein Adjektiv flektiert, ist abhängig vom Vorhandensein eines Artikels und dessen Rektionseigenschaften. Ist ein Artikel vorhanden, regiert er nachfolgende attributive Adjektive hinsichtlich der Flexionskategorie stark oder schwach. Ist kein Artikel vorhanden kommt nur die starke Flexion in Frage.
Auch Adjektive, die syntaktisch wie Nomina (nominalisiert) gebraucht werden, flektieren nach den adjektivischen Flexionsmustern stark/schwach:
Die Unbekannten hatten im Gebüsch gelauert. (dpa, 05.02.2006)
Lexikalisierte Nominalisierungen von Adjektiven folgen nominalen Flexionsklassen.
Bei Farb- und Sprachbezeichnungen handelt es sich um Neutra der Nebenklasse -s/-s, wobei das Plural-s bei Farben als umgangssprachlich gilt und das Genitiv-s bei Sprachen fakultativ ist (vgl. Duden 2006):
Daneben gibt es auch den syntaktisch nominalisierten Gebrauch solcher Farb- und Sprachbezeichnungen mit schwacher Adjektivflexion (z. B. des Grünen, das Deutsche).
Maskuline Nomina, die durch Nominalisierung aus Adjektiven hervorgegangen sind (und in der Regel belebt sind) flektieren wie Nomina der Nebenklasse -(e)n/-(e)n (die sog. schwachen Maskulina), z. B. ein Invalide.
Davon zu unterscheiden ist, wenn das Adjektiv als Teil einer aufgespaltenen Nominalphrase in Distanzstellung zum Nomen steht, bzw. das Bezugsnomen ausgelassen wird (Analepse). In diesen Fällen wird das Adjektiv regelmäßig wie ein attributives Adjektiv stark/schwach flektiert und, anders als im nominalisierten Gebrauch, orthographisch durch Kleinschreibung gekennzeichnet:
Starke Flexion
Die Formen entsprechen mit Ausnahme des Genitiv Singular Maskulinum und Neutrum denen des Grundmusters der Flexion von Artikeln und Pronomina. Im Genitiv Maskulinum und Neutrum besitzen Adjektive aber immer die Endung -en (statt -es):
Singular | Plural | |||
Maskulinum | Neutrum | Femininum | ||
Nominativ | -er | -es | -e | -e |
Akkusativ | -en | |||
Dativ | -em | -er | -en | |
Genitiv | -en | -er |
Adjektive flektieren nach dem starken Muster, wenn kein Artikel vorausgeht, wenn der vorausgehende Artikel nach dem Muster des indefiniten Artikels (ohne Nominativendung) flektiert oder unflektiert ist. In der starken Flexion übernimmt dann die Adjektivform die spezifische Markierungsleistung eines Artikels mit Flexionsendung. Beispiele:
altes | Zeug | |
sein | altes | Zeug |
lauter | altes | Zeug |
Vergleich zwischen dem Grundmuster der Artikelflexion und starker Adjektivflexion in der Nominalphrase (Abweichungen sind gelb hervorgehoben):
Maskulinum | Neutrum | Femininum | Plural | ||
Nominativ | dieser Wein roter Wein | dieses Glas dünnes Glas | diese Freude große Freude | diese Gläser dünne Gläser | |
Akkusativ | diesen Wein (ohne) roten Wein | dieses Glas (ohne) dünnes Glas | diese Freude (ohne) große Freude | diese Gläser (ohne) dünne Gläser | |
Dativ | diesem Wein (mit) rotem Wein | diesem Glas (mit) dünnem Glas | dieser Freude (mit) großer Freude | diesen Gläsern (mit) dünnen Gläsern | |
Genitiv | dieses
Weins roten Weins | dieses
Glases dünnen Glases | dieser Freude großer Freude | dieser Gläser dünner Gläser |
Schwache Flexion
Bei der schwachen Adjektivflexion treten nur die zwei Marker -e und-en auf:
Singular | Plural | |||
Maskulinum | Neutrum | Femininum | ||
Nominativ | -e | -e | -e | -en |
Akkusativ | -en | |||
Dativ | -en | -en | ||
Genitiv |
Adjektive flektieren nach dem schwachen Muster, wenn ein Artikel vorausgeht, der Flexionsendungen besitzt. Dies ist nach Artikeln der Fall, die nach dem Grundmuster flektieren und nach dem definiten Artikel. Bei den Artikeln, die nach dem Muster des indefiniten Artikels (ohne Nominativendung) flektieren, werden Adjektive schwach flektiert, wenn die Form des Artikels Flexionsendungen besitzt (z. B. nach einem, keiner, seines). In der schwachen Flexion ergänzt dann die Adjektivform die Markierungsleistung eines Artikels mit Flexionsendung in den Kongruenzbeziehungen innerhalb der Nominalphrase. Beispiele:
seines alten Zeugs
Maskulinum | Neutrum | Femininum | Plural | ||
Nominativ | der nette Mann | das nette Kind | die nette Frau | die netten Leute | |
Akkusativ | den netten Mann | das nette Kind | die nette Frau | die netten Leute | |
Dativ | dem netten Mann | dem netten Kind | der netten Frau | den netten Leuten | |
Genitiv | des netten Mannes | des netten Kindes | der netten Frau | der netten Leute |
Zu Schwankungen zwischen starkem und schwachem Flexionsmuster bei adjektivischen Bezeichnungen nach einem Personalpronomen (z. B. wir Deutsche/Deutschen) siehe Grammatik in Fragen und Antworten, bei Folgen von mehreren attributiven Adjektiven siehe Wortgruppenflexion.
Unflektierte Adjektive
Syntaktisch bedingte Endungslosigkeit
Gemäß den Bedingungen für die syntaktische Struktur von Adjektivphrasen wird nur der Kopf (fett) einer attributiv verwendeten Adjektivphrase flektiert (rot), d. h. Adjektive, die den Kopf einer Adjektivphrase erweitern (blau), bleiben unflektiert, z. B.:
Die Köpfe von adverbial und prädikativ verwendeten Adjektivphrasen bleiben ebenfalls unflektiert (Das Bier ist angeblich _ bayrisch_ ).
Verwendungsweise | |
attributiv | der leuchtend
grüne Baum
die ganz besonders zufriedenen Kunden |
adverbial | Der Baum schillert leuchtend grün. Die Kunden sehen ganz besonders zufrieden aus. |
prädikativ | Der Baum ist leuchtend
grün. Die Kunden sind ganz besonders zufrieden |
Die Adjektive viel und wenig sowie ihre Komparativformen mehr und weniger können wie Quantifikativ-Artikel verwendet werden und bleiben dann unflektiert (vgl. Quantifikativ-Artikel lauter, etwas).
Nicht flektierbare Adjektive
Adjektive, die nur prädikativ verwendbar sind, werden folglich (standardsprachlich) nicht flektiert:
Die Komparativformen mehr und weniger sind, unabhängig von ihrem syntaktischen Gebrauch, nicht flektierbar: * mehre, * wenigeres.
Die Flexion bestimmter Farbadjektive wird von normativen Grammatiken abgelehnt, z. B. lila, oliv, orange, ocker, pink, rosa, türkis. Entsprechende Formen werden aber bei attributivem Gebrauch gelegentlich trotzdem flektiert.
Adjektive mit unbetontem Vollvokal im Auslaut, wie z. B. prima, mini und die Farbadjektive lila, rosa, flektieren aus phonologischen Gründen nicht (und bilden keinen Komparativ): * lila-e, * rosa-er. In flektiertem Gebrauch wird deshalb dem Wortstamm der Farbadjektive ein -n hinzugefügt, um Flexionsendungen anhängen zu können (z. B. ein lilanes Hemd, rosane Gardinen):
Besonderheiten bei Zahladjektiven
Die Flexion der deutschen Zahladjektive ist teilweise uneinheitlich. Ordinalzahl-Adjektive (z. B. der dritte Mann, das fünfte Gebot) werden regelmäßig stark oder schwach flektiert. Auch das Kardinalzahl-Adjektiv ein (nicht zu verwechseln mit dem indefiniten Artikel oder Indefinit-Pronomen ein-) wird normalerweise stark oder schwach flektiert.
Prädikativ, bei Uhrzeitangaben (ohne Uhr) und im mathematischen Gebrauch wird die Form eins verwendet, z. B.:
Der Gebrauch als Kardinalzahl-Adjektiv mit der Form ein (flektierbar) beschränkt sich im Wesentlichen auf Verbindungen mit Bruchzahlen, Junktoren + Kardinalzahlen und Uhrzeitangaben (mit Uhr), z. B.:
Die anderen Kardinalzahl-Adjektive und Bruchzahlen werden, bis auf einige Ausnahmen, nicht flektiert (endungslos).
Die Kardinalzahl-Adjektive hundert und tausend haben neben unflektierten auch stark/schwach (Plural) flektierte Formen, z. B.:
Bei den Zahlen zwei bis zwölf gibt es noch stark flektierte Formen. Die starken Nominativ/Akkusativ-Pluralformen auf -e sind stilistisch markiert und nur noch im nominalisierten Gebrauch zu finden.
Beispiele:
Nominativ-/Akkusativformen auf -e :zweie, dreie... zwölfe (nur nominalisiert); hunderte, tausende
Dativformen auf -en:zweien, dreien, vieren ... (*siebenen), ... zwölfen; hunderten, tausenden
Genitivformen auf -er:zweier, dreier, vierer (höhere Zahlen sind sehr selten); hunderter, tausender.
Komparation der Adjektive
Die Komparation (Steigerung) ist neben Deklination und Konjugation die dritte Form der Flexion. Adjektive können mit den Steigerungsstufen Positiv (Grundstufe), Komparativ, Superlativ kompariert werden, für die je eine Stammform zur Verfügung steht. Die jeweiligen Stammformen für Komparativ und Superlativ entstehen, indem die Komparationsmarker -er zur Bildung des Komparativs (z. B. stärker) und -(e)st zur Bildung des Superlativs (z. B. neuest-, stärkst-) an die gemeinsame Stammform des Nicht-Positivs angehängt werden:
Positiv | Komparativ | Superlativ |
neu | neuer | neuest- |
stark | stärker | stärkst- |
Bei Adjektiven mit bestimmten phonologischen Voraussetzungen kann der Superlativmarker silbisch mit Schwa verwendet werden: -est.
Standardsprachlich wird der Superlativ mit dem silbischen Marker gebildet, wenn die Positivstammform auf [d, t], [z, s] oder [sk] endet, z. B.:
Bei [ʃ] im Auslaut wird standardsprachlich meist ebenfalls die silbische Form verwendet, wenn nicht das Wortbildungssuffix -isch vorliegt, z. B.:
Bei Diphthongen oder Vollvokalen im Auslaut ist der silbische Marker fakultativ, z. B.:
Komparativ: -er
Superlativ: -(e)st
Der Umlaut kann phonologisch nicht vorhergesagt werden und tritt nur bei den Komparationsformen bestimmter Adjektive (s.u.) auf, dann aber immer in beiden Steigerungsstufen, weshalb von einer gemeinsamen Stammform für Komparativ und Superlativ (Nicht-Positiv) ausgegangen werden kann. Diese zweite Stammform entsteht auf der Grundlage der Positivstammform und ist entweder mit ihr formgleich (z. B. neu → neu-) oder trägt zusätzlich Umlaut (z. B. stark → stärk-).
Die Stammform(en) für Komparativ/Superlativ mehrsilbiger Adjektive werden fast immer ohne Umlaut gebildet.
Bestimmte einsilbige Adjektive bilden die Komparativ-/Superlativ-Stammformen mit Umlaut:
Einige Adjektive schwanken diesbezüglich:
Alle anderen einsilbigen Adjektive, sowie mehrsilbige Adjektive (mit Ausnahme von gesund) haben keinen Umlaut, z. B.:
dunkel, genau, lose, mager, sauber
Die mit diesen Stämmen gebildeten Komparativ- und Superlativformen werden wie attributive Adjektive dekliniert:
sein jüngerer Sohn
Wird ein Komparativ adverbial oder prädikativ gebraucht, wird die Grundform auf -er verwendet, an die keine weiteren Flexionsmarker treten. Superlativformen haben hingegen fast immer Flexionsendungen (Ausnahmen sind einige lexikalisierte Formen, die auf Superlative zurückgehen, z. B. längst). Der adverbial oder prädikativ verwendete Superlativ erhält regelmäßig die Kombination aus am + Superlativstammform + -en, z. B.am längsten:
Die Abfolge der Flexionssuffixe deklinierter Komparationsformen stellt ein Beispiel agglutinierender Suffigierung im Deutschen dar. Deklinationsmarker, die fusionierende Genus-/Kasus-/Numerus-Marker sind, werden direkt an die Komparationsmarker angehängt:
Unregelmäßige Komparationsformen
Einige wenige Adjektive bilden unregelmäßige Komparationsformen. Das betrifft:
uneinheitliche Stammformen in den Steigerungsstufen durch Suppletivformen:
gut → besser → best-
viel → mehr → meist-
wenig → minder → mindest (daneben regelmäßig wenig - weniger - wenigst)
oder phonologisch bedingte Lautveränderungen in den Komparationsformen:
groß → größer → größt- (Reduktion von [s])
hoch → höher → höchst-, nah → näher → nächst- (Schwund von [x]/[ç] vor vokalischen Endungen)
Flektierbarkeit
Die Komparativformen mehr und weniger bleiben unflektiert (z. B. *wenigere).