Flexion der Modalverben

Sechs Modalverben (dürfen, können, mögen, müssen, sollen, wollen) und das Vollverb wissen bilden eine gemeinsame Flexionsklasse, die auch im Singular Präsens den gleichen Synkretismus aufweist, den alle anderen Flexionsklassen nur in den übrigen Teilparadigmen besitzen: Die Personalkategorien 1., 2. und 3. Person sind bei wissen und den Modalverben im Präsens Singular formal nicht ausdifferenziert. Die Formen der 1. und 3. Person fallen bei diesen Verben in allen Teilparadigmen zusammen, es werden grundsätzlich nur Adressat (2. Ps.) und Nicht-Adressat (1./3. Ps.) flexionsmorphologisch unterschieden, z. B.: Ich/sie kann; ich/er weiß. Die Vertreter dieser kleinen Flexionsklasse flektieren nach dem Muster der sog. Präteritopräsentia, deren Synkretismus im Präsens auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass es sich dabei ursprünglich um Präteritalformen handelte.

Stammformen der Modalverben und wissen

Die Modalverben (außer sollen) und wissen besitzen getrennte Präsensstammformen für Singular und Plural.
Die Präteritalstammformen haben primäre/sekundäre Varianten (außer sollen/wollen) und sind durch das Suffix -t- (alternativ: -t-) gekennzeichnet. Primäre und sekundäre Präteritalstammform unterscheiden sich durch einen Umlaut (u→ü, o→ö).
Die Infinitiv- und die Präsens-Plural-Stammformen sind identisch.
sollenwollendürfenkönnenmüssenmögenwissen
Präsens-
stammform
Sg.
Pl.
soll-will-
woll-
darf-
dürf-
kann-
könn-
muss-
müss-
mag-
mög-
weiß-
wiss-
Präterital-
stammform
prim.
sek.
sollt-wollt-durft-
dürft-
konnt-
könnt-
musst-
müsst-
mocht-
möcht-
wusst-
wüsst-

Bildung der Flexionsformen

In der Flexionsklasse der Modalverben gleichen die Personal-/Numerussuffixe im Präsens den Suffixen starker Verben im Präteritum (endungslose Nicht-Adressatenformen). Die Bildung der Präteritalformen mit Vokalwechsel und dem Suffix -te- (alternativ: -t-) ähnelt der Bildung gemischter Verben. Der Konjunktiv ist (außer bei sollen und wollen) durch einen Umlaut gekennzeichnet.


Die syntaktische Eigenschaften von Modalverben – sie können im Verbalkomplex nicht alleine auftreten und regieren den Infinitiv eines Vollverbs – haben auch Einfluss auf den Gebrauch der Flexionsformen. Modalverben werden in der Regel nicht im Imperativ gebraucht. Das Partizip II wird in den zusammengesetzten Tempusformen der Modalverben durch den Infinitiv ersetzt (sog. Ersatzinfinitiv), z. B.:

Er hat kommen können/sollen/müssen.

Daneben können einige Modalverben auch als Vollverben mit Akkusativkomplement verwendet werden, z. B.:

Sie kann einen Trick.; Ich will Schokolade!

Wenn Modalverben wie Vollverben verwendet werden, wird auch das Partizip II verwendet. Zur Bildung des Partizip II wird ge- an die Partizipialstammform affigiert, die wie bei gemischten Verben durch Suffigierung von -t an die durch einen Vokalwechsel gekennzeichnete (primäre) Präteritalstammform gebildet wird. Bei alternativer Segmentierung des Präteritalmarkers ist die Partizipialstammform der Modalverben mit der (primären) Präteritalstammform identisch. Die Partizipien lauten gedurft, gekonnt, gemocht, gemusst, gesollt, gewollt, z. B.:

Eigentlich hätte Droste für seine Schmiergeldaffäre ein Jahr ins Gefängnis gemusst – so viel hatte der Staatsanwalt gefordert. (Hamburger Morgenpost, 31.03.2007)

Für das Vollverb wissen gelten die erwähnten Besonderheiten der Modalverben nicht.

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