Sonderfälle

Auf Orte zeigen und verweisen

Wir können die Position eines Gegenstandes auch dadurch beschreiben, dass wir auf den Ort „zeigen“. Dafür brauchen wir die Lokaladverbien hier, dort, da – s. dazu Deiktisches Adverb:

[Sprecher zeigt auf den Wasserhahn in seiner Nähe] (1) Hier tropft es!
(Sprecher zeigt auf den Tisch am anderen Ende des Raums] (2) Da liegt die Zeitung!

Diese Zeige-Funktion haben auch Präpositionaladverbien:

[Sprecher zeigt auf die Sitzbank] (3) Der Koffer ist darunter. [unter der Sitzbank]
[Sprecher zeigt auf die Tür] (4) Der Koffer ist dahinter. [hinter der Tür]

Präpositionaladverbien und die Lokaladverbien hier, dort, da haben eine weitere Funktion. Damit kann der Sprecher auch auf einen Ort verweisen, der dem Hörer schon bekannt ist – zur Vertiefung s. Nicht-Perspektivische Lokaladverbialia:

(5) Früher habe ich in Innsbruck gelebt. Dort sind die Winter viel kälter. [In Innsbruck]
(6) Im Flur ist ein schmaler, blauer Schrank. Darin hängen die Regenjacken. [Im Schrank]

Das gilt auch bei der Beschreibung von Bewegungen:

[Sprecher zeigt auf die Sitzbank] (7) Leg den Koffer darunter! [unter die Sitzbank]
[Sprecher zeigt mit dem Finger auf einen Punkt weit von sich selbst] (8) Stell den Koffer dorthin! [an den Punkt]
(9) Im Flur ist eine Sitzbank. Darunter habe ich meinen Koffer gelegt. [Unter die Sitzbank]
(10) Der Sölden nächstgelegene Flughafen ist Innsbruck. Dorthin gibt es Direktflüge von Hannover aus mit Welcome Air sowie von Berlin und Köln aus mit TUIfly. (Hannoversche Allgemeine, 24.11.2007, S.1 ) [Nach Innsbruck]

Zusammenfassend sind diese grammatischen Elemente ein Sonderfall, weil sie sowohl Lokalangaben aus Sprecher-Perspektive als auch nicht-perspektivische Lokalangaben ermöglichen.

Sind Lokaladverbialia immer nur auf konkrete Orte bezogen?

Auf Deutsch haben nicht alle Lokaladverbialia eine lokale Bedeutung im engeren Sinne, d.h. sie können auch auf Orte bezogen sein, die eigentlich keine Orte – oder mehr als Orte – sind.

Ein Beispiel dafür sind Grenzen – s. dazu Schwellen- oder grenzbezogene Lokaladverbialia. Grenzen sind ein Sonderfall, weil sie nicht immer konkrete, materielle Orte sind:

(1) Langfristig sollen die Dienste außerhalb des klassischen Geschäfts ausgebaut werden – etwa Rating- oder Marketingservice. (Hannoversche Allgemeine, 20.12.2007, S. 13)
(2) Erstmals in der Geschichte der Bundesliga summieren sich die Etats der Klubs auf einen Betrag oberhalb der 60-Millionen-Euro-Grenze. (Hannoversche Allgemeine, 29.09.2007, S. 28)

Lokale Adverbien können eine abstrakte Bedeutung haben, z.B. als Präverben von trennbaren Verben wie herausfinden und herstellen:

(3) Das haben jetzt zumindest britische Wissenschaftler herausgefunden. (Hannoversche Allgemeine, 21.08.2007, S. 24)
(4) „Wir mussten nicht nur CDs produzieren, sondern auch Maschinen, um CDs als Massenartikel herstellen zu können – so etwas gab es ja noch nicht“ (Hannoversche Allgemeine, 17.08.2007, S. 17)

Lokale Präpositionalphrasen können außerdem nicht nur auf Orte, sondern auch auf Menschen und Veranstaltungen bezogen sein:

(5) Ich war heute Morgen beim Bäcker.
(6) Treffen wir uns bei dir?
(7) Komm zu mir!
(8) Wenn die Schmerzen nicht aufhören, gehen Sie zum Arzt.
(9) Katrin geht einmal pro Woche zum Sport.
(10) Ich bin in einer Besprechung. Ich rufe dich später zurück.
(11) Wenn das Wetter schön ist, gehe ich samstags mit meiner Familie auf den Markt.

Kumulative Lokalangaben

(1) Der Kaffeeautomat ist im Raum um die Ecke.
(2) Die Besprechung findet am 24. September, 19.30 Uhr, in Heimersheim im Hotel "Zum Stern" statt. (Rhein-Zeitung, 24.09.1998)

Die Sätze (1) und (2) enthalten jeweils nicht eins, sondern zwei Lokaladverbialia. Das Lokaladverbial 1 nennt den Ort, an dem sich der Gegenstand befindet bzw. die Situation stattfindet. Das Lokaladverbial 2 vermittelt eine Zusatzinformation über diesen Ort.

Einschränkende Zusatzinformationen

In (1) hat das Lokaladverbial 2 die gleiche Funktion wie ein restriktiver Relativsatz. Es liefert nämlich eine einschränkende Zusatzinformation, die zur eindeutigen Identifizierung notwendig ist und die Auswahl möglicher Orte/Situationen einschränkt :

Der Kaffeeautomat istim Raumum die Ecke.
Wo ist der Kaffeeautomat?In welchem Raum?

Stellen wir uns vor, wir sind in einem großen Gebäude mit vielen Räumen. Wir wollen einen Kaffee am Automaten kaufen, aber wir wissen nicht, wo er ist. Wir fragen jemanden und bekommen den Satz (1) als Antwort. Die Information im Lokaladverbial 1 sagt uns, dass der Kaffeeautomat im Raum ist. Das hilft uns nicht viel, denn es gibt wie gesagt viele Räume im Gebäude. Zum Glück sagt uns die Zusatzinformation im Lokaladverbial 2, in welchem Raum der Kaffeeautomat ist.

Ein bekanntes Beispiel: Es gibt in Deutschland zwei Städte mit dem Namen Frankfurt. Wie können wir sie voneinander unterscheiden? Die eine heißt Frankfurt am Main und die andere heißt Frankfurt an der Oder.

Nicht-einschränkende Zusatzinformationen

In (2) funktioniert das Lokaladverbial 2 wie eine Apposition, denn es liefert eine nicht-einschränkende Zusatzinformation. Diese schränkt zwar die Auswahl der Orte/Situationen nicht ein, aber innerhalb eines Ortes oder einer Situation wird es dadurch exakter :

Die Besprechung findet am 24. September, 19.30 Uhr in Heimersheimim Hotel "Zum Stern"statt.
Wo findet die Besprechung statt?Wo genau in Heimersheim findet die Besprechung statt?

Das Lokaladverbial 1 sagt uns, dass die Besprechung im Ort Heimersheim stattfindet. Für die Leute, die zur Besprechung gehen möchten, ist diese Information zu wenig. Sie müssen nämlich genauer wissen, wo in diesem Ort die Besprechung ist. Diese wichtige Information gibt das Lokaladverbial 2.

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Autor(en)
Giorgio Antonioli
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