Flexionsklassenwechsel

Semantisch motiviert

Semantisch motivierte Flexionsklassenwechsel lassen sich bei den sog. schwachen Maskulina beobachten und sind auf das semantische Merkmal der Belebtheit zurückzuführen.

Nicht-belebte Nomina dieser markierten Flexionsklasse weisen eine Tendenz zum Wechsel in die unmarkierte Flexionsklasse für Maskulina/Neutra auf. Zu diesen Nomina gehören z. B. Funke, Gedanke, Wille und Friede.

Die Staatsanwaltschaft in Ansbach rechnet eigenen Angaben zufolge nicht damit, die genaue Quelle des Funkens noch ermitteln zu können, weil die Bäckerei bei der Explosion völlig zerstört wurde. (dpa, 02.10.2006)

Ein solcher Flexionsklassenwechsel dient dem Markiertheitsabbau und stabilisiert die semantischen Zuordnung des Merkmals "belebt" zur Nebenklasse -(e)n/-(e)n, wobei die Nebenklasse -(e)ns/-(e)n hierbei (vgl. Kasusflexion: Mischtyp mit Genitiv auf -(e)ns) als Übergangsklasse dienen kann. Am Ende des Prozesses steht eine auf -n endende Form des Nominativ Singular, dessen -n dem Stamm zugerechnet wird, an den dann regulär ein Genitiv-s angehängt werden kann. Entsprechende Nomina flektieren in Folge wie solche der Hauptklasse -(e)s/-(e), wobei das Schwa als Pluralmarker aufgrund des auf n auslautenden Stammes nicht realisiert wird (vgl. Wagen).

Nebenklasse -(e)n/-(e)n
(markiert)
Nebenklasse -(e)ns/-(e)n
(markiert)
Hauptklasse -(e)s/-(e)
(unmarkiert)
Nom.Sg.der Funkeder Funkeder Funken
Gen.Sg.des Funkendes Funkensdes Funkens
Nom.Pl.die Funkendie Funkendie Funken_

Der Wandel vollzieht sich bei Beispielen wie Magnet oder Planet im Singular nicht durch Integration von -n in den Stamm, sondern durch Endungslosigkeit in Nominativ, Akkusativ und Dativ (standardsprachlich teilweise anerkannt):

Nebenklasse -(e)n/-(e)n(markiert) Hauptklasse -(e)s/-(e)(unmarkiert)
Nom.Sg.der Magnetder Magnet
Akk.Sg.den Magnetenden Magnet_
Dat.Sg.dem Magnetendem Magnet_
Gen.Sg.des Magnetendes Magnets
Nom.Pl.die Magnetendie Magnete

Umgekehrt werden auch belebte Nomina aus anderen Flexionsklassen in die Nebenklasse -(e)n/-(e)n integriert (standardsprachlich nur selten akzeptiert), z. B.:

Denn die Freude des Autoren bei der Lesung ist ansteckend. (Mannheimer Morgen, 10.10.2005)
Nebenklasse -(e)s/-(e)n(markiert) Nebenklasse -(e)n/-(e)n(markiert)
Nom.Sg.der Autorder Autor
Gen.Sg.des Autorsdes Autoren
Nom.Pl.die Autorendie Autoren

Syntaktisch motiviert

Artikellose Eigennamen (Eigennamendeklination -s/—) wechseln die Flexionsklasse, wenn sie mit Artikel verwendet werden.

Anders als bei den obigen Beispielen ist dieser Wechsel also primär syntaktisch und nicht semantisch motiviert. Formal wird der Wechsel durchgängig nur bei Feminina sichtbar, da diese dann den Genitiv Singular am Nomen selbst (z. B. Annas Haare) nicht mehr markieren, z. B.:

Die blonden Haare der vierjährigen Anna sind auf dem Kopf zusammengesteckt. (Mannheimer Morgen, 22.02.2003)

Tritt zu sonst artikellos verwendeten Eigennamen, die ja einem eigenen Kasusflexionstyp angehören, ein Artikel hinzu, flektieren sie wie die unmarkierten Kasusflexionstypen (keine Kasusmarker/s-Kasusflexion), d. h. genusabhängig nach den Nebenklassen für phonologisch markierte Stammformen -/-s (Feminina) oder -s/-s (Maskulina und Neutra). Die Kasusflexion wird bei letzteren jedoch oft unterlassen (siehe Wegfall der Genitivmarker -(e)s bzw. -s), z. B.:

Die Etrusker lebten zwischen dem neunten und dem vierten Jahrhundert vor Christus in Teilen des heutigen Italiens. (Frankfurter Allgemeine, 28.03.2003)
Bevor es um das geplante Mediengesetz Silvio Berlusconis geht, ist eine kleine Einführung in die politischen Grundlagen des heutigen Italien nötig. (Die Zeit (Online-Ausgabe), 27.11.2003)
Eigennamendeklination -s/— Nebenklasse -s/-sBeispiele:
Nom.Sg.Deutschlanddas (heutige) Deutschland
Gen.Sg.Deutschlandsdes (heutigen) Deutschland(s)Damals lagen weite Teile des heutigen Deutschland unter Wasser. (die tageszeitung, 09.06.2006)
Nom.Pl.-die (beiden) DeutschlandsSusanne Fritsche war zehn Jahre alt, als die Mauer zwischen den beiden Deutschlands fiel. (Berliner Zeitung, 13.03.2004)
Nebenklasse -/-s
Nom.Sg.Annadie Anna
Gen.Sg.Annasder AnnaDie blonden Haare der vierjährigen Anna sind auf dem Kopf zusammengesteckt. (Mannheimer Morgen, 22.02.2003)
Nom.Pl.(Annas)die AnnasGroßeltern treten auf, Schauspieler reichlich, [...] und natürlich die Annas, Livias, Alicen, Judiths, diese ewig Anziehenden und sich immer wieder Entziehenden. (Die Zeit, 23.04.1998)

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