Relativsätze mit wer

ZielgruppeLernende (ab Niveaustufe B2)
LernzieleGeneralisierungen über Menschen ausdrücken

Das W-Wort wer ist vor allem als Fragewort mit der Bedeutung „Welcher Mensch?“ bekannt. Dabei steht es am Anfang von direkten und indirekten W-Fragen:

Kasusdirekte W-Frageindirekte W-Frage
NominativWer ist das?Ich weiß nicht, wer das ist.
AkkusativWen könnte das interessieren?Ich frage mich, wen das interessieren könnte.
DativWem gehört das Fahrrad?Wissen Sie, wem das Fahrrad gehört?
GenitivWessen Idee war das?Weißt du, wessen Idee das war?
mit PräpositionFür wen ist das Geschenk?
Von wem redest du?
Kannst du mir sagen, für wen das Geschenk ist?
Ich habe keine Ahnung, von wem du redest.

Das W-Wort wer hat eine weitere Funktion, denn es kann auch Relativsätze einleiten. Kennen Sie Relativsätze noch nicht? Dann klicken Sie bitte hier.

Hier sind einige Beispiele für wer-Relativsätze. Lesen Sie sie und lösen Sie die Aufgaben:

(1) Wer gehen kann, der geht. (Rhein-Zeitung, 18.03.2003)
(2) Wem es gut geht, der kauft auch gern“ (Rhein-Zeitung, 30.04.2016, S. 9)
(3) Wen Poker interessiert, der sollte es ausprobieren. (Die Rheinpfalz, 07.12.2011, S. 26)
(4) (…) wessen Handy während der Besprechungen klingelt, der muss eine Geldstrafe zahlen. (Braunschweiger Zeitung, 25.07.2009)
(5) Bei wem Interesse geweckt ist, der kann sich melden (…)“ (Rhein-Zeitung, 15.11.2008)

Auch in Relativsätzen bezieht sich wer immer nur auf Menschen.
1) Welche der Umschreibungen a), b) und c) hat dieselbe Bedeutung wie wer in den Beispielen?
a) „Ein bestimmter Mensch“
b) „Jeder Mensch“
c) „Welcher Mensch“
2) Das W-Wort wer hat in den Beispielen (1) bis (5) fünf verschiedene grammatische Funktionen. Diese sind meistens an seinem Kasus erkennbar. Ordnen Sie jedem Beispiel die passende Funktion zu.
a) Genitivattribut des Subjekts
b) Objekt eines Verbs mit Dativ
c) Subjekt
d) Objekt eines Verbs mit Präposition
e) Objekt eines Verbs mit Akkusativ

1b) „Jeder Mensch“. Die wer-Relativsätze in den Beispielen (1), (2), (3), (4) und (5) können so umgeschrieben werden:

Jeder Mensch, der gehen kann, geht.
Jeder Mensch, dem es gut geht, kauft auch gern.
Jeder Mensch, den Poker interessiert, sollte es ausprobieren.
Jeder Mensch, dessen Handy während der Besprechung klingt, muss eine Geldstrafe bezahlen.
Jeder Mensch, bei dem Interesse geweckt ist, kann sich melden.

2 a) Beispiel (4): wessen Handy
b) Beispiel (2): Wem
c) Beispiel (1): Wer
d) Beispiel (5): Bei wem
e) Beispiel (3): Wen

Relativsätze mit wer sind generalisierend. Ihr Inhalt betrifft nicht einen bestimmten Menschen, sondern kann jeden Menschen betreffen. Der Kasus von wer hängt von seiner grammatischen Funktion im Relativsatz ab:
– Subjekt (wer)
– Objekt eines Verbs mit Akkusativ (wen)
– Objekt eines Verbs mit Dativ (wem)
– Genitivattribut eines Nomens mit Subjekt- oder Objektfunktion (wessen)
– Objekt eines Verbs mit Präposition (z.B. bei wem)

Lesen Sie noch einmal die Beispiele (1) bis (5) und lösen Sie die Aufgabe. Achten Sie diesmal auf den Hauptsatz:

Wer gehen kann, der geht.
Wem es gut geht, der kauft auch gern.
Wen Poker interessiert, der sollte es ausprobieren.
Wessen Handy während der Besprechungen klingelt, der muss eine Geldstrafe zahlen.
Bei wem Interesse geweckt ist, der kann sich melden.
In den fünf Beispielen beginnt der Hauptsatz mit dem Wort der.
1) Was für ein Wort ist das?
a) Demonstrativpronomen
b) bestimmter Artikel
c) Relativpronomen
2) Welchen Kasus hat es?
a) Nominativ
b) Akkusativ
c) Dativ
d) Genitiv

1a) Demonstrativpronomen. Das Wort der kann kein bestimmter Artikel sein, weil bestimmte Artikel immer ein Nomen einleiten. Es kann auch kein Relativpronomen sein, weil das Verb in Relativsätzen immer am Ende steht.

HINWEIS: Die Demonstrativpronomina (kurz „d-Pronomina“) der, die, das haben die gleiche Form wie bestimmte Artikel und Relativpronomina, aber sie haben unterschiedliche Funktionen. Mit ihnen kann der Sprecher auf Menschen oder Gegenstände in seinem Umfeld zeigen:
„Siehst du den da drüben? Das ist ein weltberühmter Mann" (Frankfurter Allgemeine, 1995)
Außerdem kann der Sprecher mit d-Pronomina auf Menschen oder Gegenstände zurückverweisen, die er (oder ein anderer Sprecher) bereits genannt hat – genauso wie mit den Personalpronomina er, sie, es:
– Personalpronomen: „Das ist Armin Maiwald. Wahrscheinlich kennst du ihn (Stern, 17.02.2005)
– d-Pronomen: Shakespeare? Ist das ein Bier?“ – „Nein, Zlatko, kennst Du den nicht? Ist doch ein Schriftsteller“ (Mannheimer Morgen, 05.02.2007)
In Zusammenhang mit wer-Relativsätze hat das d-Pronomen der die zweite Funktion, denn es verweist auf den Relativsatz zurück.

2a) Nominativ. Der Kasus des d-Pronomens der sagt uns, dass der wer-Relativsatz das Subjekt des Hauptsatz-Verbs ist:

Wer geht? Jeder Mensch, der gehen kann.
Wer kauft auch gern? Jeder Mensch, dem es gut geht.
Wer sollte Poker ausprobieren? Jeder Mensch, den Poker interessiert.
Wer muss eine Geldstrafe zahlen? Jeder Mensch, dessen Handy während der Besprechung klingelt.
Wer kann sich melden? Jeder Mensch, bei dem Interesse geweckt ist.

Das Demonstrativpronomen (kurz „d-Pronomen“) der verweist auf den wer-Relativsatz zurück und verbindet ihn mit dem Hauptsatz. Es kann nicht nur im Nominativ sein, sondern auch:
– im Akkusativ (den), wenn der wer-Relativsatz das Objekt eines Verbs mit Akkusativ im Hauptsatz ist:
(6) Denn wer im Leben alles falsch macht, den erwarten hohe Strafen (…). (Mannheimer Morgen, 25.11.2009, S. 17) ➙ Wen erwarten hohe Strafen? Jeden Menschen, der im Leben alles falsch macht.
– im Dativ (dem), wenn der wer-Relativsatz das Objekt eines Verbs mit Dativ im Hauptsatz ist:
(7) Wer gerne an seinem Arbeitsplatz ist, dem wird auch nicht langweilig. (Hannoversche Allgemeine, 20.10.2007, S.6) ➙ Wem wird auch nicht langweilig? Jedem Menschen, der gerne an seinem Arbeitsplatz ist.
(8) „Wen man liebt, dem muss man auch die Wahrheit sagen“ (Berliner Zeitung, 21.09.2000, S. 23) ➙ Wem muss man auch die Wahrheit sagen? Jedem Menschen, den man liebt.
– im Genitiv (dessen), wenn der wer-Relativsatz das Attribut eines Nomens mit Subjekt- oder Objektfunktion im Hauptsatz ist:
(9) Wer aber ein Paket bekommt und nicht zuhause ist, dessen Sendung wird in der Packstation deponiert. (Braunschweiger Zeitung, 10.01.2007) ➙ Wessen Sendung wird in der Packstation deponiert? Die Sendung jedes Menschen, der ein Paket bekommt und nicht zuhause ist.
– mit Präposition (z.B. mit dem), wenn der wer-Relativsatz das Objekt eines Verbs mit Präposition im Hauptsatz ist:
(10) „Wer so etwas macht, mit dem können wir nicht mehr zusammenarbeiten“ (Mannheimer Morgen, 03.02.2007) ➙ Mit wem können wir nicht mehr zusammenarbeiten? Mit jedem Menschen, der so etwas macht.

Lesen Sie die Beispiele (11) bis (14) und lösen Sie die Aufgabe:

(11) Wer in einer Stadt fremd ist, will sich schnell orientieren können. (Rhein-Zeitung, 25.09.2007)
(12) Wen dies alles interessiert, kann mit uns Kontakt aufnehmen. (Der Spiegel, 08.08.1983, S. 7)
(13) Wem es zu heiß ist, macht einfach das Fenster auf. (Berliner Zeitung, 08.09.2007, S. 10)
(14) Wessen Bus oder Bahn unpünktlich ist, hat in Bremen einen Anspruch auf ein Tagesticket. (die tageszeitung, 14.05.2009, S. 28)

In den Beispielen (11) bis (14) steht kein d-Pronomen am Anfang des Hauptsatzes. Was könnte das bedeuten?
a) Das d-Pronomen wurde vergessen.
b) Das d-Pronomen im Hauptsatz ist nicht immer notwendig.
c) Die wer-Sätze in den Beispielen sind keine Relativsätze.

b) Das d-Pronomen im Hauptsatz ist nicht immer notwendig. In den vier Beispielen entfällt das d-Pronomen der. Trotzdem sind die Beispiele vollkommen grammatisch:

Wer in einer Stadt fremd ist, [der] will sich schnell orientieren können.
Wen dies alles interessiert, [der] kann mit uns Kontakt aufnehmen.
Wem es zu heiß ist, [der] macht einfach das Fenster auf.
Wessen Bus oder Bahn unpünktlich ist, [der] hat in Bremen einen Anspruch auf ein Tagesticket.
Das d-Pronomen im Hauptsatz ist nicht immer notwendig, sondern nur:
– in der Kombination Wer…, den… (Beispiel 6)
– in der Kombination Wer…, dem… (Beispiel 7)
– in der Kombination Wen…, dem… (Beispiel 8)
im Genitiv (Beispiel 9)
mit Präposition (Beispiel 10)
Sonst kann das d-Pronomen auch entfallen – s. Beispiele (11) bis (14).

Relativsätze mit wer gibt es oft in Sprichwörtern. Lesen Sie die folgenden Beispiele aus dem IDS-Sprichwörterbuch und lösen Sie die Aufgabe:

Wer rastet, der rostet. (Link zum Sprichwörterbuch)
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. (Link zum Sprichwörterbuch)
Wes(sen) Brot ich ess(e), des(sen) Lied ich sing(e). (Link zum Sprichwörterbuch)
Wer sucht, der findet. (Link zum Sprichwörterbuch)
Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht. (Link zum Sprichwörterbuch)

In welchen Sprichwörtern kann das d-Pronomen im Hauptsatz entfallen? Klicken Sie auf die Hyperlinks, um Ihre Lösung mit den Informationen aus dem Wörterbuch zu vergleichen.

Das d-Pronomen im Hauptsatz kann in den Sprichwörtern Wer rastet, der rostet und Wer sucht, der findet entfallen. Die Formvarianten Wer rastet, rostet und Wer sucht, findet sind auch möglich, ohne dass der Satz ungrammatisch oder unverständlich wird.

HINWEIS: Die wer-Relativsätze in den Beispielen (1) bis (14) stehen alle ganz am Anfang des Satzes. Sie können auch in der Mitte oder ganz am Ende des Satzes stehen, aber das ist viel seltener. Hier einige Beispiele:
– „Ein guter Richter ist, wer von vielen Sachen viel versteht (Berliner Zeitung, 10.04.2007, S. 4)
– Jetzt kann, wer will, einen Termin vereinbaren (…) (Mannheimer Morgen, 30.08.2013, S. 16)
– „Ich kann einladen, wen ich will (Der Spiegel, 07.10.2017, S. 18)
– „Kaufen kann nur, wem etwas angeboten wird (Spiegel-Online, 19.11.2007)
– „Offen kommunizieren kann nur, wessen Selbstwertgefühl stimmt (Hannoversche Allgemeine, 07.11.2009, S. 1)
– „Sie können sprechen, mit wem sie möchten (Die ZEIT, 02.06.2021, S. 58)
Wenn der wer-Relativsatz in der Satzmitte oder ganz am Satzende steht, ist im Hauptsatz kein d-Pronomen notwendig.

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Autor(en)
Giorgio Antonioli
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