Töne und Tonmuster

Tonalität und Tonbewegung

Artikulatorisch basiert die Tonalität auf Stimmbandvibrationen im Kehlkopf. Akustisches Korrelat ist der Verlauf der Grundfrequenz (F0) auf der Tonsilbe, der prominentesten Silbe in der syntaktischen Einheit, und deren Umgebung, gegebenenfalls auch der zugehörige Vor- und Nachlauf.

Die Grundfrequenzwerte bewegen sich zwischen einem sprecherindividuellen Minimum als Tiefpunkt und Werten oberhalb dieses Minimums. Akzente werden mit einer - in der Regel schweren - Silbe, der Nukleussilbe, und ihrer Umgebung assoziiert. In Wörtern sind dies normalerweise die Silben, die als Träger des Wortakzents dienen können. Siehe Wortakzent und Akzentstellen. In der Nukleussilbe liegt ein Gipfel bzw. ein Tal der Grundfrequenz, oder der Frequenzverlauf fällt bzw. steigt im Bereich der Nukleussilbe. Relevant erscheint ferner die Tonhöhe am Äußerungsende, der Offsetwert, partiell auch die Tonhöhe am Äußerungsanfang, der Onset.

Funktional relevant und vom Hörer wahrgenommen werden:

  • Konturen
  • Übergänge zwischen Tonstufen im Rahmen der Tonbewegung, vor allem zwischen hoch und tief gelagerten Tönen
  • Zielpunkte der Bewegung
  • Dauer der Äußerung und der Nukleussilbe
  • genaue Positionierung eines Grundfrequenz-Maximums im Verhältnis zur Intensität der Tonbewegung auf der Nukleussilbe
  • Tonverlauf auf unbetonten Silben

Für die Analyse ergeben sich folgende Ansatzpunkte:

  1. Ausgangspunkt, Stationen und Zielpunkt der einzelnen Tonbewegungen, jeweils relativ zu einem anzunehmenden, individuell unterschiedlichen Tonraum:
    1.1. tiefer Tonbereich mit einem extremen Tiefpunkt
    1.2. mittlerer Tonbereich
    1.3. hoher Tonbereich mit einem extremen Hochpunkt
    1.4. relativ unveränderte Tonlage
  2. Richtung der Tonbewegung: fallend, steigend, gleichbleibend
  3. Richtungsänderung im Tonverlauf, die als komplexe Tonbewegung erscheint, etwa: fallend-steigend
  4. intonatorische Detailstruktur wie die relative Dauer der Nukleussilbe
  5. tonales Merkmal relativ zur gesamten Äußerung wie Onset, Offset, Dauer der Nukleussilbe relativ zur Zeitstruktur der Äußerung

Wir kommen entsprechend der in (1) vorgenommenen Abstraktion mit sechs Tonstufen und drei Tonniveaus Hoch, Mittel, Tief aus und notieren Verläufe wie folgt:

H = Hoch
M = Mittel
T = Tief


Verstehst du das? Was soll ich verstehen?


Merkmale wie (4) und (5) sind in der Detailanalyse zusätzlich heranzuziehen, etwa um bestimmte KM-Modi intonatorisch trennen zu können. Prototypisch lassen sich hinsichtlich der Merkmale (1) - (3) die folgenden Tonmuster unterscheiden:


BenennungBeschreibungPrototypische Tonhöhenverläufe
FalltonmusterDer Abfall geht aus von einem hohen oder mittleren Ton bis in eine relativ tiefe Lage.
Der Abfall kann von der Nukleussilbe ausgehen (post-iktisch) oder zu ihr hinführen (prä-iktisch), ohne folgende, unakzentuierte Silben einzubeziehen.
SteigtonmusterMittel oder tief ansetzender, hoch ansteigender Tonverlauf ausgehend von der Nukleussilbe (post-iktisch) oder zu ihr hinführend (prä-iktisch), ohne folgende, unakzentuierte Silben einzubeziehen.
Mitteltonmuster Ansetzend etwa im Bereich mittlerer oder erhöhter Tonlage, endet das Muster in mittlerer oder gering absinkender Tonlage auf oder nach der Nukleussilbe. In einer Variante steigt der Tonverlauf bis nahezu in eine höhere Lage. Die Lautstärke bleibt unvermindert.
TaltonmusterDie Tonbewegung fällt aus etwa mittlerer Lage tief auf die Nukleussilbe, steigt dann bis in eine hohe Lage.
Gipfeltonmuster
Varianten: Die Tonbewegung steigt auf der Nukleussilbe aus einer mittleren in eine der hohen Tonlagen und fällt dann tief ab.




Der Ton steigt aus einer tiefen in eine hohe Tonlage und fällt in eine mittlere oder schon als tief zu wertende Tonlage ab. Ein maximaler Tonumfang ist besonders für Kontrast und Exklamativakzente relevant.




Der Ton steigt aus einer tiefen Lage nur bis in eine mittlere und fällt dann ab.











DoppelsteigtonmusterAusgehend von der Nukleussilbe steigt der Ton in eine hohe Lage und tendiert zu weiterer Steigung.
Jede Charakteristik von Tonhöhenverläufen durch eine Visualisierung auf der Basis von Messungen der Grundfrequenz ist in besonderem Maße eine idealisierende Abstraktion, im übrigen können Perzeption und Messung divergieren. Eine unmittelbare funktionale Interpretation ist nicht möglich, da die Intonation als Mittel der Form stets mit anderen Sprachmitteln interagiert; so kann man nicht von einer 'interrogativen Intonation' o. ä. sprechen.

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Autor(en)
Klaus Vorderwülbecke
Bearbeiter
Elke Donalies
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