Numerusflexion

Im Deutschen wie in anderen Sprachen stellt der Plural den markierten Numerus dar. Der Plural kann durch Pluralsuffixe in Verbindung mit bestimmten Stammformen mit/ohne Umlaut (") gekennzeichnet werden. Fur den Singular stehen keine gesonderten Numerusaffixe zur Verfugung.

Es gibt auch Nomina, die semantisch auf einen Numerus festgelegt sind (Singulariatantum, Pluraliatantum), z. B. Stoffnamen, Eigennamen, die entsprechenden Singular- bzw. Pluralformen konnen in der Regel flexionsmorphologisch gebildet werden, werden aber nicht oder in einer anderen Bedeutung gebraucht.

Beispiele fur Singulariatantum:

  • Stoffnamen: Fleisch, Milch, Salz, Sand. Wenn Stoffnamen auch eine Pluralform haben, bezeichnet diese verschiedene Sorten, z. B. Holzer, Ole, Salze.
  • Eigennamen: Gisela, Horst; Schmidt, Meier; Frankreich, Amerika; Rhein.. Wenn Eigennamen auch eine Pluralform haben, findet ein mit einem Bedeutungswechsel verbundener Ubergang vom Eigennamen zum Gattungsnamen statt, z. B. die Annas, die Mullers, die Amerikas.
  • Kollektiva: Obst, Vieh; Abstrakta: Hitze, Treue;Weltall, Schlaf .

Beispiele fur Pluraliatantum:

  • Eigennamen: die Niederlande, die Alpen.
  • Kollektiva: Trummer, Eltern, Geschwister, Leute, Spesen.
Die Pluralmarker am Nomen sind folgende Suffixe:
-(e)n, -(e), "-(e), "-er, -s.
Manche Pluralformen sind aus phonologischen Grunden suffixlos. Sie besitzen dann gar keinen (Nomina ohne Pluralmarker) oder nur den Umlaut als Pluralmarker.

Genusunabhangige Pluralbildung (phonologische Kriterien)

Flexionsaffixe sind nicht akzentuierbar (betonbar). Flexionsaffixe, die eine Silbe bilden, konnen als einzige Vokale die nicht akzentuierbaren Laute [?] (Schwa) oder [?] (vokalisches r) enthalten. Pluralformen morphologisch einfacher Nomina setzen sich prototypisch aus einer Stammsilbe, die den Hauptakzent tragt, und einem nicht akzentuierten Pluralsuffix zusammen. Sie haben im Deutschen also die Abfolge betonte/unbetonte Silbe (vgl. Eisenberg (2006: 166)). Beispiele (betonte Silben sind rot, die Pluralsuffixe fett markiert):

der Wolf ? die Wolfe; das Kind ? die Kinder

Nomina mit mehrsilbigen Stammformen, deren letzte Silbe das nicht betonbare Schwa enthalt, wurden gegen dieses Prinzip versto?en, wenn mit einem Pluralsuffix eine weitere unbetonte Schwa-Silbe an die Stammform treten wurde. Solche Nomina erhalten folglich eine nichtsilbische (schwalose) Variante der entsprechenden Pluralmarker (-n, endungslos, nur Umlaut), die Abfolge betonte/unbetonte Silbe bleibt somit im Plural erhalten:

die Ampel ? die Ampeln; der Mieter ? die Mieter; die Mutter ? die Mutter;

Es gibt im deutschen Kernwortschatz nur wenige morphologisch einfache Nomina mit zweisilbigen Stammformen, deren Flexionsformen untypisch zwei aufeinander folgende unbetonte Silben besitzen, z. B. Arbeit - Arbeiten (Pl.). Es treffen aber keine zwei Schwa-Silben aufeinander, da das nasale Suffix eine Silbe ohne Schwa bildet (mit silbischem n [n?]), z. B. Arbeiten ['arbaitn?].

Formen mit Abfolgen von bis zu drei unbetonten Silben (auch Schwa-Silben) sind bei der Komparation der Adjektive (z. B. schwachere, selteneres) hingegen der Normalfall. In der Verbflexion sind (maximal) zwei aufeinander folgende Schwa-Silben bei bestimmte Verben moglich (z. B. rudere, betete). Vgl. Eisenberg 1998: 136f.

Der s-Plural besitzt keine schwahaltige Variante und bildet niemals eine eigene Silbe. Das vokalische r im Suffix des "-er-Plurals ([?], [??]) wird immer realisiert und bildet eine Silbe:

die Bar ? die Bars; der Reichtum ? die Reichtumer

Nicht-Setzung von Schwa

Die Klammern um -(e) bei den Pluralmarkern kennzeichnen die Nicht-Setzung des Schwa-Lautes [?] nach unbetonten Silben im Stamm:

a) [?]: Hose - *Hoseen ? Hosen
b) [?] +Konsonant: Ampel - *Ampelen ? Ampeln ; Segel - *Segele ? Segel
c) [?]:Mutter - *Muttere ? Mutter
d) unbetonter Kurzvokal + Liquid (l, r):Nachbar - *Nachbaren ?Nachbarn

Umlaut/Umlautfahigkeit

Nicht alle Nomina mit den Pluralmarkern "-(e) oder "-er, die eine Kombination aus Umlaut + Suffix bilden, sind auch umlautfahig:

Kind - Kinder

Umlautfahigkeit fuhrt aber nicht zwingend zu Umlaut im Plural:

Wolf - Wolfe; Hund - Hunde;

Es kann deshalb nicht von einem Marker (")-(e) ausgegangen werden, sondern von zwei verschiedenen: "-(e) mit Umlaut und -(e) ohne Umlaut. Fur "-er gilt das nicht, da hier der Umlaut bei umlautfahigen Nomina grundsatzlich steht.

Nomina ohne Pluralmarker

Folgende nicht-umlautfahigen (bzw. im Rahmen der Wortbildung bereits umgelauteten) Maskulina/Neutra, deren Stammformen auf bestimmte unbetonte Wortbildungs- bzw. Pseudosuffixe enden, besitzen keine Pluralmarker, sofern sie keine n-Plurale bilden (z. B. die Bibeln):

WortbildungssuffixPseudosuffixBeispiel (Nom. Sg./Pl.)
-el-elDeckel; Esel
-telViertel
-er, -er/-ler/-ner etc.-erLyriker; Lehrer, Segler, Rentner; Eimer
-enSegen
-lein bzw. -elVogelein, Bundel
-chenMadchen

Die Stammformen, die nicht auf Nasal enden, konnen im Dativ Plural den Kasusmarker -n erhalten, was die resultierende Form auch kontextlos (z. B. in einer Nominalphrase ohne Begleiter) eindeutig als Pluralform kennzeichnet, z. B. Eseln, Lehrern (Dat.Pl.).

Bei Nomina ohne Pluralmarker kann von einer Bildung mit dem Pluralmarker (e) ausgegangen werden, bei der das -e aus phonotaktischen Grunden nicht realisiert wird, z. B. die Wagen (*Wagene). Bei Bildungen mit dem Pluralmarker "-(e) kann, wenn das -e aus phonotaktischen Grunden nicht realisiert wird, aber eine umlautfahige Stammform vorliegt, der Umlaut als alleiniger Pluralmarker stehen, z. B. die Mutter (*Muttere), aber: die Segel (*Segele).

Wortauslaut und Selektion der Pluralmarker (n-Plural)

Neben der Selektion nach Genus korreliert die Wahl der Pluralmarker teilweise mit phonologischen, den Wortauslaut betreffenden Merkmalen der Nomina, die weitgehend genusunabhangig sind. Sie geben zusatzliche, verlassliche Hinweise zur Pluralbildung, die aber grundsatzlich auch genusdeterminiert erklart werden kann.

c) Nomina auf -[?] bilden den Plural auf -n:Jacken f., Riesen m., Augen, n.
Hier liegt nur eine bedingt genusunabhangige Selektion vor, da die Gruppe der Neutra auf -[?] mit n-Plural sehr klein ist (z. B. Ende, das Junge). Neutra auf -[?] sind uberwiegend Abstrakta (z. B. das Erbe) und/oder Wortbildungen (z. B. Nominalisierungen: das Schone), die keine Plurale bilden konnen.

Nomina mit unbetontem Vollvokal im Wortauslaut (z. B. Opa) weisen ebenfalls eine phonologisch gesteuerte Pluralbildung auf, die im Folgenden unter dem Aspekt der Markiertheit betrachtet wird.

Phonologische Markiertheit (s-Plural)

Bestimmte Nomina tragen phonologische und teilweise lexikalische Merkmale, die sie fur die Pluralbildung als markiert kennzeichnen. Sie erhalten den Pluralmarker -s. Dazu zahlen:

d) fast alle Nomina auf unbetonten Vollvokal: Omas, Uhus, Autos
also auch Kurzworter und Akronyme wie Unis, LKWs ['?lka:ve:s] (aber auch endbetont: [?lka:'ve:s]).

Ausnahmen bilden einige Nomina mit en-Plural:

Villa - Villen, Konto - Konten, Firma - Firmen.

Viele dieser Nomina haben auch konkurrierende Pluralformen (Pizza - Pizzen/Pizzas). Gelegentlich sind auch fremdsprachliche Pluralsuffixe gebrauchlich (Saldo - Salden/Saldos/Saldi usw.). Die Wahl des en-Plurals kann hier als Integrationsprozess durch Markiertheitsabbau betrachtet werden.

e) Fremdworter mit fremdsprachlicher (markierter) Aussprache oder betontem Vollvokal im Auslaut.
Jobs [??ps], Chansons [?a?'s??s]

Bei eingedeutschter Aussprache werden unmarkierte Pluralmarker verwendet:
Balkon [bal'k??, bal'ko:n]- Balkone. Aber: Balkon (frz. Aussprache) [bal'k??] - Balkons

In der Regel ist nur der Auslaut fur den phonologisch markierten s-Plural relevant:
Computer [k?m'pju:t?] - Computer (Bei englischen Fremdwortern auf -er wird der Auslaut deutsch ausgesprochen).

f) Eigennamen (Mit Bedeutungsverschiebungen im Plural)
Vornamen: die Pauls (Gruppe von Personen mit diesem Vornamen), Nachnamen: die Backers (Familie bzw. ihre Mitglieder, Trager des Nachnamens)

g) Onomatopoetika (die Wauwaus)

h) Metalinguistische Substantivierungen (die Warums, die Ichs, die Bs)

Die phonologische Markiertheit oben genannter Nomina resultiert auch aus dem Bestreben des Sprechers, die Lautstruktur der Nomina zu bewahren, um ihre lexikalische Sonderstellung hervorzuheben. Die Wahl des s-Plurals ist dazu besonders geeignet, da Laut- und Silbenstruktur der Nomina bewahrt werden (kein Umlaut, kein silbischer Pluralmarker).

Genusabhangige Pluralbildung

Deutsche Nomina, die phonologisch unmarkiert sind, weisen eine genusabhangige Pluralbildung auf:

Feminina bilden vorwiegend Plurale auf -(e)n
Maskulina und Neutra bilden vorwiegend Plurale auf -(e)
  • Markierte Varianten innerhalb der genusabhangigen Pluralbildung sind Maskulina und Neutra auf -(e)n und Feminina auf "-(e) im Plural.
  • Maskulina und Neutra besitzen auch markierte Plurale auf "-er.
  • Der Pluralmarker "-(e) kommt in allen drei Genera vor, bei Neutra allerdings sehr selten (nur:Flo?e, Kloster, Wasser).
  • Der s-Plural wird genusunabhangig gebildet und kommt in allen drei Genera vor.

Ubersicht der Pluralmarker bei den drei Genera mit Beispielen (unmarkierte Typen orange unterlegt, seltene Falle in Klammern):

Bei Fremdwortern treten verschiedene Arten der Pluralbildung auf, die unterschiedliche Stufen der Anpassung an des deutsche Deklinationssystem widerspiegeln (deutsche Pluralmarker - Misch-/Doppelformen - nur fremdsprachliche Pluralmarker):

Mit deutschen Pluralmarkern, z. B.:

Mikrophone, Qualitaten, Kardinale, Hospitaler, Pizzas (vgl. aber auch Pizzen).

Eine besondere Gruppe bilden hier Fremdworter mit en-Plural, bei denen unbetonte Wortausgange im Plural wegfallen, z. B.:

Rythmus - Rythmen, Organismus - Organismen, Museum - Museen, Pizza - Pizzen.

Zusatzlich mit abweichendem Pluralbildungsstammform, z. B.:

Prinzip - Prinzipien.

Mit fremdsprachigen Pluralmarkern, z. B.:

Lexikon - Lexika, Index - Indizes, Schema - Schemata, Genus - Genera, Kasus -Kasus ['ka:zu:s].

Wie im Deutschen wird auch im Ungarischen der Plural markiert, Singularformen erhalten keine Endungen. Ein wichtiger Unterschied gegenuber dem Deutschen ist aber, dass es im Ungarischen grundsatzlich nur einen Pluralmarker gibt, der weder phonologisch bedingt noch genusabhangig ist.

Das Pluralzeichen des Ungarischen ist ?k. ?k kann zu allen Nomina treten, wenn die Pluralisierung keine semantische Beschrankung hat (z. B. Stoffnamen konnen i.d.R. nicht im Plural stehen).

Bei vokalisch auslautenden Nomina folgt das Pluralsuffix unmittelbar dem Stamm. Dabei bleibt die Stammform i.d.R. unverandert, z. B. cipo ? cipok (der Schuh, die Schuhe). Als Ausnahme gelten Nominalstamme auf ?a und ?e. Bei diesen Substantiven verandert sich der Stamm, ?a und ?e werden vor dem Pluralsuffix (und auch vor anderen Suffixen) zu ?a und ?e z. B. teve ? tevek (das Kamel, die Kamele) oder vaza ? vazak (die Vase, die Vasen).

Bei konsonantisch auslautenden Substantiven ist das Pluralsuffix ?k durch einen Bindevokal angeschlossen. Der Bindevokal ist der Vokalharmonie entsprechend ?e bei hellen Wortern und i.d.R. ?o bei dunklen Wortern. Bei gemischten Wortern ist der letzte Silbenvokal entscheidend. z. B.:

helle Worter:szek (Sg.) ? szekek (Pl.)der Stuhl ? die Stuhle
dunkle Worter:asszony (Sg.) ? asszonyok (Pl.) die Frau ? die Frauen
gemischte Worter:telefon (Sg.) ? telefonok (Pl.) das Telefon ? die Telefone

Es gibt sowohl bei hellen als auch bei dunklen Wortern einige Ausnahmen.

Im Gegensatz zum Deutschen kann das Substantiv im Ungarischen allein, d. h. ohne das Kopulaverb als Pradikat auftreten. Wenn das Subjekt im Plural steht, bekommt das pradikative Substantiv dem pradikativen Adjektiv ahnlich das Pluralsuffix (vgl. Forgacs (2007: 129)), (vgl. Flexion der Adjektive).

z. B. A fiuk katonak. (Die Jungen sind Soldaten.)

In Bezug auf die Numerusflexion kann ein weiterer Unterschied zwischen dem Deutschen und dem Ungarischen festgestellt werden. Wenn ein Besitzverhaltnis ausgedruckt werden soll, besteht die Konstruktion im Deutschen aus dem Possessiv-Artikel und der Singular- bzw. Pluralform des Nomens. Im Ungarischen werden die Possessoren sowohl im Singular als auch im Plural am Substantiv in Form von Grundsuffixen realisiert. Man spricht in diesem Fall von possessiven Personalsuffixen. Das jeweilige Substantiv kann dar?ber hinaus durch den bestimmten Artikel und das entsprechende Personalpronomen begleitet werden. Im Falle von Mehrbesitz wird neben dem possessiven Personalsuffix auch das possessive Pluralsuffix ?i realisiert. Dabei markiert das possessive Personalsuffix den Possessor, wahrend das possessive Pluralsuffix die Mehrzahl des Possessums angibt. (s. auch Flexion der Artikel).

1. Pers. Sg., Besitztum im Sg.:az en konyvem mein Buch
1. Pers. Sg., Besitztum im Pl.:az en konyveimmeine Bucher

UNGARISCHDEUTSCH
EINBESITZ
Sg. 1. Pers.hajommein Schiff
2. Pers.hajoddein Schiff
3. Pers.hajojasein/ihr Schiff
Pl. 1. Pers.hajonkunser Schiff
2. Pers.hajotokeuer Schiff
3. Pershajojukihr Schiff
MEHRBESITZ
Sg. 1. Pers.hajoimmeine Schiffe
2. Pers.hajoiddeine Schiffe
3. Pers.hajoiseine/ihre Schiffe
Pl. 1. Pers.hajoinkunsere Schiffe
2. Pers.hajoitokeure Schiffe
3. Pers.hajoikihre Schiffe

(vgl. Forgacs 2007: 133f)

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