Verbflexion

Die Flexion der Verben bezeichnet man als Konjugation. Verben werden hinsichtlich Verbnumerus, Person, Tempus, Modus und Genus verbi konjugiert.

Da Ungarisch keine indogermanische, sondern eine finno-ugrische Sprache ist, in der grammatische Merkmale grundsätzlich durch Agglutination (=Anklebung verschiedener grammatischer Suffixe an den Wortstamm) ausgedrückt werden, kann man im Ungarischen nicht im gleichen Sinne von Verbflexion reden wie im Deutschen. Auch ungarische Verben verfügen aber über die Kategorisierungen Verbnumerus, Person, Tempus, Modus und beschränkt auch über Genus verbi, insofern kann man auch im Ungarischen von Konjugation sprechen. Die Markierung der Kategorien erfolgt jedoch auf eine andere Art und Weise:

Die Verbform läse in der Fügung ich läse drückt alle Konjugationskategorien gleichzeitig aus:

Verbnumerus > Singular; Person > 1. Person; Tempus > Präteritum; Modus > Konjunktiv; Genus verbi > Aktiv.

Eine flektierte Verbform verfügt über einen Kategorienbündel, d. h. gleichzeitig über alle Konjugationskategorien.

Im Ungarischen wird nach der Grundregel jede einzelne Kategorie getrennt mit einem Suffix ausgedrückt. An den Verbstamm können also theoretisch mehrere Suffixe geklebt werden. So wird im Ungarischen der Verbmodus > Konditional mit dem Suffix -n, die erste Person mit dem Suffix -k ausgedrückt, die beide nacheinander an den Verbstamm angeklebt sind: olvas-n-(é)k ( ist im Beispiel ein sog. Vorvokal, der zur Erleichterung der Aussprache dient. Er wird nach jüngeren Auffassungen als Bestandteil der Endung aufgefasst.)

Dies würde bedeuten, dass ungarische Verbstämme sogar fünf Konjugationssuffixe aufnehmen könnten. Im Sprachsystem des Ungarischen wird jedoch die freie Kombination der Suffixe wohl aus Gründen der Vermeidung übermäßig komplexer Verbformen auf verschiedene Weise eingeschränkt.

1. In jeder Kategorie ist eine unmarkierte Grundform vorhanden, die nicht mit einem Suffix, sondern gerade durch das Fehlen des Suffixes ausgedrückt wird. Herkömmliche ungarische Grammatiken sprechen in diesem Fall von einem Nullsuffix. So ist unter den Verbnumeri der Singular, unter den Personen die dritte Person, unter den Tempora das Präsens, unter den Modi der Indikativ, unter den Genera das Aktiv morphologisch unmarkiert (mit Nullsuffix). Ein Verb in Singular dritter Person, Präsens, Indikativ, Aktiv besteht also nur aus dem Verbstamm. Deshalb wird im Ungarischen diese Form als verwendungsneutrale Zitierform, z. B. in Wörterbüchern benutzt: olvas (er/sie liest). (Mit einem Suffix markiert ist die dritte Person jedoch in der sog. definiten Konjugation sowie bei einer kleinen Anzahl von Verben, bei den sog. -ik-Verben.)

2. Das Pluralsuffix ist, obwohl es sprachgeschichtlich ein selbstständiges Suffix war, mit den Personalsuffixen verschmolzen. Deshalb werden Personen im Plural statt zwei mit einem einzigen Suffix ausgedrückt: olvas-unk (wir lesen).

3. Auch im Ungarischen entwickelten sich einige analytische, d. h. mit Hilfsverben ausgedrückte Formen wie z. B. das Konditional Präteritum, die wohl die Funktion haben, übermäßig komplizierte suffigierte Verbformen mit einfacheren syntaktischen Konstruktionen zu ersetzen: olvas-ott volna (er/sie hätte gelesen).

In den Konjugationsformen der ungarischen Verben stehen auf diese Weise gewöhnlich ein oder zwei Suffixe nach dem Wortstamm, im Extremfall drei. Eine extrem komplizierte Verbform wäre z. B. die mittlerweile schon veraltetete Passivform im Konditional: (A szövegek) felolvas-tat-n-ának ((Die Texte) würden vorgelesen werden): -tat- > 'Passiv'; -n- > Konditional; -ának > Plural 3. Person.

Bei der Kombination mehrerer Suffixe ist die Reihenfolge streng geregelt. Am nächsten zum Stamm steht das veraltete Passivsuffix, dann folgen das Modus- bzw. das Tempussuffix (die miteinander nicht kombinierbar sind), die Wortform wird durch die Personalsuffixe (im Singular oder im Plural) abgeschlossen.

Wir sehen, dass die ungarischen Verben ähnliche Kategorien aufnehmen können wie die deutschen. Insofern ist es also berechtigt, auch im Ungarischen von Konjugation zu sprechen. Da aber der Ausdruck dieser Kategorien mit einem grundsätzlich anderen Verfahren erfolgt, liegt im Ungarischen keine Verbflexion, sondern Verbsuffigierung (Agglutination) vor.

Verben lassen sich in verschiedene Subklassen einteilen. Die Subklassifizierung orientiert sich an der Funktion, die Vertreter einer verbalen Subklasse beim Aufbau des Verbalkomplexes erfüllen. In ProGr@mm / ProGr@mm kontrastiv werden die Subklassen Vollverb, Hilfsverb, Modalverb, Kopulaverb und Nominalisierungs-/Funktionsverb unterschieden. Zwischen dieser funktionalen Subklassifizierung und den Flexionsklassen der Verben besteht nur teilweise ein Zusammenhang: Vollverben lassen sich zwei Hauptklassen zuordnen, Modalverben bilden eine eigene Flexionsklasse, Hilfs- bzw. Kopulaverben flektieren uneinheitlich und sind durch besonders viele Suppletivformen geprägt.

Aufbau von Verbformen

Mehrteilige Verbformen

Sowohl im Deutschen als auch im Ungarischen können Konjugationskategorien mit Formvarianten des Verbs, also synthetisch, aber auch mit einer mehrteiligen syntaktischen Konstruktion, mit Hilfe grammatischer Hilfswörter, d. h. analytisch ausgedrückt werden. Im Deutschen überwiegen die analytischen Formen, während im Ungarischen eher synthetisch verfahren wird und analytische Formen nur ausnahmsweise gebildet werden.

Die meisten Tempus-Kategorien sowie die Genus verbi-Kategorie Passiv werden ausschließlich analytisch gebildet, d. h. sie bilden mehrteilige Verbformen und sind deshalb keine Flexionskategorien im engeren Sinne. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die verbalen Kategorisierungen und Flexionskategorien, die traditionell für das Deutsche postuliert werden:

KategorisierungFlexionskategorien(Kategorien mit analytischer Bildung)
Person1., 2., 3.
VerbnumerusSingular, Plural
TempusPräsens, Präteritum(Präsensperfekt), (Präteritumperfekt), (Futur), (Futurperfekt)
ModusIndikativ, Imperativ, Konjunktiv
(Genus verbi)(Aktiv)*, (Passiv)
* Die unmarkierte Kategorie Aktiv wird weder durch analytische Bildung noch durch Flexionsmarker gekennzeichnet.

Die für die Flexion der Verben im Deutschen relevanten Kategorisierungen sind nur Person, Verbnumerus, Tempus und Modus, nicht aber Genus verbi. Einige verbale Kategorien werden im Deutschen nicht durch die Mittel der Flexion im engeren Sinne, sondern analytisch (periphrastisch) gebildet. Sie bilden mehrteilige Verbformen aus finiten Hilfsverben (im Falle des Passivs auch: bekommen) und infiniten Verbformen. Analytisch gebildete Kategorien selbst sind keine Flexionskategorien, sie bedienen sich aber flektierter Hilfsverben bei ihrem Aufbau. Folgende Kategorien werden im Deutschen analytisch gebildet:

  • die Genus verbi-Kategorie Passiv, z. B.: Das Auto wird repariert.
    Auch die unmarkierte Kategorie Aktiv ist keine Flexionskategorie im engeren Sinne, da sie keine eigenen Flexionsmarker besitzt.
  • die Tempus-Kategorien (Tempora) Präsensperfekt, Präteritumperfekt, Futur und Futurperfekt, z. B.: Sie hat/hatte das Auto repariert. / Sie wird das Auto reparieren/repariert haben.
  • die konjunktivische würde-Form, die u. a. als Ersatz für den Konjunktiv II mit Hilfe von würde+ Infinitiv gebildet wird, z. B.: Sie würde das Auto reparieren.

Auch im Ungarischen gibt es sowohl synthetische als auch analytische Verbformen, letztere sind jedoch viel seltener als im Deutschen. Das Tempus Futur wird im Ungarischen mit dem finiten Hilfsverb fog und dem Infinitiv des Vollverbs gebildet:

Pista holnap egész nap tanulni fog. (Pista wird morgen den ganzen Tag lernen.)

Der Verbmodus Konditional kann im Präsens und im Präteritum gebildet werden. Das Konditional Präteritum ist im Ungarischen eine analytische Form, weil sonst ein modales und ein temporales Suffix an den Wortstamm angeklebt werden sollten, was die Wortform übermäßig kompliziert machen würde. Statt einer durch die Norm verbotene Form wie etwa *olvas-ta-na wird das Präteritum des Vollverbs mit dem unveränderlichen Hilfsverb volna kombiniert. Bemerkenswert ist bei dieser Form, dass hier im Gegensatz zu den deutschen mehrteiligen Verbformen, das Hilfsverb infinit und das Vollverb finit ist:

Pista tegnap egész nap olvasott volna. (Pista hätte gestern den ganzen Tag gelesen.)

Im älteren Ungarisch gab es auch analytische Vergangenheitstempora, die jedoch aus der Gegenwartssprache ausgestorben sind: olvas vala; olvasott vala.

Finitheit

Verbformen, die nach Person, Verbnumerus, Tempus, Modus und Genus verbi differenziert sind, werden als finit bezeichnet. Das finite Verb ist das strukturale Zentrum eines Satzes, es stellt den unverzichtbaren Bestandteil des Verbalkomplexes dar, der eine der Primären Komponenten des Satzes ist. Finite Verbformen können einfach (synthetisch) aufgebaut oder Teil einer mehrteiligen Verbform sein.

Außer den finiten Verbformen werden im Deutschen auch infinite (der Infinitiv und das Partizip) sowie semifinite (Imperativformen) unterschieden. Semifinite Formen sind im Ungarischen nicht vorhanden, weil der Imperativ auch ein vollständiges Konjugationsparadigma hat. Auch das Vorhandensein von infiniten Formen ist im Ungarischen fraglich. Der ungarische Infinitiv und das ungarische Partizip haben nämlich einen grundsätzlich anderen Status als die deutschen Entsprechungen (s. unten).

Als semifinit werden Imperativformen bezeichnet, weil sie nur nach einer der verbalen Kategorisierungen flektieren, nämlich nach dem Verbnumerus (z. B. iss vs. esst). Sie sind nicht nach Person und Tempus differenziert.

Der Infinitiv (z. B. stehlen) und das Partizip II (Partizip Perfekt, z. B. gestohlen) sind keine finiten Verbformen, da sie nicht nach den genannten Kategorisierungen flektieren. Infinite Verbformen spielen eine wesentliche Rolle bei der Bildung mehrteiliger Verbformen wie des Passivs und einiger Tempora und werden dann vom finiten Verb regiert. Es können auch mehrteilige infinite Verbformen nach Tempus und/oder Genus verbi gebildet werden, ohne dass es sich dabei um Flexion im engeren Sinne handeln würde, z. B. gestohlen werden (Infinitiv Passiv von stehlen). Infinite Verbformen bleiben unflektiert. Flektiert (genauer: dekliniert) werden lediglich Formen, die in Flexionsklassen anderer Wortarten übergangen sind, also nominalisierte Infinitive (z. B. die Kunst des Stehlens) und Partizipien als attributive Adjektive (z. B. das gestohlene Auto).

Das Partizip I (Partizip Präsens) wird in ProGr@mm / ProGr@mm kontrastiv als ein durch Wortbildung aus einem Verb entstandenes Adjektiv angesehen und ist somit der Flexion der Adjektive zuzurechnen. Es wird durch Anhängen von -d an den Infinitiv des Verbs gebildet und dann wie ein Adjektiv dekliniert, z. B. stehlende Kinder.

Auch die ungarischen Verben verfügen über Infinitiv- und Partizipialformen. Sie verhalten sich jedoch sowohl nach den weiteren Veränderungsmöglichkeiten ihrer Wortform als auch nach ihren syntaktischen Funktionen grundsätzlich anders als ihre deutschen Entsprechungen. Der Infinitiv wird aus dem Verbstamm mit dem Suffix -ni (in manchen Fällen mit dem abgekürzten Suffix -n) gebildet. Er kann mit Modalverben kombiniert werden:

Félixnek dolgozni kell. (Felix muss arbeiten.)

Andererseits kann aber der Infinitiv im Satz auch die Funktion einer Nominalphrase übernehmen und z. B. das Subjekt des Satzes realisieren:

Dolgozni hasznos. (Es ist nützlich zu arbeiten.)

Eine Besonderheit des ungarischen Infinitivs besteht darin, dass er in der ersten Funktion Personalformen hat. Im Ungarischen sind mehrere Hilfsverben, u. a. auch die Modalverben unveränderlich, deshalb werden die Kategorien Person und Numerus des Modalverbkomplexes mit einem Personalsuffix am Infinitiv ausgedrückt:

Dolgoznom kell. (Ich muss arbeiten.)
Dolgoznod kell. (Du musst arbeiten.) usw.

Ungarische Infinitive sind also, wenn sie die Komponente eines Verbalkomplexes bilden, durchaus finit: Sie verfügen über Personalsuffixe. Infinit sind sie in nominaler syntaktischer Funktion. Dementsprechend werden sie in herkömmlichen ungarischen Grammatiken nicht einfach als Formen des Verbs betrachtet, sondern als eine durch Wortbildung (das Infinitivsuffix wird als Wortbildungssuffix angesehen) gebildete andere Wortart. Diese Wortart, das sog. Verbalnomen, zu der auch die Infinitive gehören, wird aus Verben gebildet, stellt jedoch einen Übergang zwischen den Verben und den Nomina dar, indem sie sowohl über verbale als auch über nominale Eigenschaften verfügt.

Auf ähnliche Weise wird auch das Partizip als eine Subklasse der Verbalnomina angesehen. Partizipien können im Ungarischen nicht mit Hilfsverben kombiniert werden, sondern sie verfügen grundsätzlich über eine adjektivische Funktion. Ihr verbaler Charakter zeigt sich dadurch, dass sie die Komplemente und die Supplemente des Verbs beibehalten:

Az egész nap újságot olvasó munkatárs (der den ganzen Tag Zeitung lesende Mitarbeiter.)

Insgesamt ist es also fraglich, ob im Ungarischen von infiniten Verbformen überhaupt die Rede sein kann.

Dem Infinitiv kann ein von ihm getrennt geschriebenes, sich aber sonst wie ein Affix verhaltendes zu vorausgehen, das nie vom Infinitiv getrennt wird. Bei Verben mit abtrennbarem Präverb wird zu zwischen Präverb und Verbstamm eingefügt (z. B. abzufahren). Bei Infinitiven, die Teil des Verbalkomplexes sind, hängt es (valenzbedingt) vom regierenden Verb ab, ob dem Infinitiv ein zu vorausgeht oder nicht (z. B. Er kann nicht kommen, er hat viel zu tun).

Den reinen Infinitiv (ohne zu) können regieren:

  • Modalverben: er darf/kann/mag/muss/soll/will arbeiten
  • Hilfsverb werden I (zur Bildung des Futurs): er wird arbeiten
  • AcI-Verben, z. B. heißen, lassen und die Wahrnehmungsverben hören, sehen etc.: man ließ ihn arbeiten; man sah ihn arbeiten
  • Bewegungsverben, z. B. gehen, fahren, schicken etc. und statisches bleiben: er geht arbeiten; er bleibt stehen

Einige andere Verben können neben dem reinen Infinitiv auch den mit zu regieren, z. B. (nicht) brauchen in modaler Verwendung (er braucht nicht (zu) arbeiten) sowie helfen, lehren, lernen, üben etc. (er lernt (zu) schreiben). Vgl. Grammatik in Fragen und Antworten: Ich helfe dir das Päckchen (zu) tragen. Du brauchst nicht (zu) kommen. - Verben mit einem Infinitiv mit oder ohne zu

Nur den zu-Infinitiv regieren:

  • Die Verben drohen, pflegen, scheinen, die modalverbähnlich verwendet werden (sog. Halbmodale): er schien zu arbeiten
  • sein und haben in modaler Verwendung: er hat zu arbeiten; die Arbeit ist zu erledigen

Für Beispiele zu Infinitiven mit/ohne zu in Komplementfunktion siehe auch Überblick über die Komplementklassen und ihre Realisierungsformen. Für weiterführende Informationen zu Infinitivkonstruktionen vgl. auch Grammatik in Fragen und Antworten: Alles verstehen heißt alles verzeihen oder Alles zu verstehen heißt alles zu verzeihen? — Infinitivkonstruktionen mit und ohne zu.

Stammformen der Verben

Die Kennzeichnung der Kategorien von Verbnumerus, Person, Tempus und Modus wird bei Verben durch Affigierung, Vokalwechsel und Suppletion geleistet. Mit Hilfe der Flexionsmarker werden verschiedene verbale Stammformen gebildet, die weitere kategoriespezifische Flexionsmarker in Form von Suffixen erhalten.

Die Stammformen eines Verbs können im Deutschen flexionsklassenabhängig bis zu fünf verschiedene formale Ausprägungen besitzen, die ein verbspezifisches Stammparadigma bilden, z. B.:

sprech-, sprich-, sproch-, sprach-, spräch-

Die einzelnen Stammformen unterscheiden sich hauptsächlich durch ihren Stammvokal, weshalb der Vokalwechsel auch als das paradigmatische Mittel der Flexionsmorphologie angesehen wird. Dabei kann ein Konsonantenwechsel begleitend erscheinen, der phonologisch gesteuert ist (Allophone wie bei sprech-[ç]/sproch-[χ] usw.) oder ein Charakteristikum einiger starker und gemischter Verben darstellt (z. B. bring-/brach-).

Den einzelnen Stammformen kommt (in Verbindung mit den Flexionssuffixen) die Aufgabe zu, die Flexionskategorien finiter Verformen zu markieren bzw. infinite Verbformen (Infinitiv/Partizip II) zu bilden. Dementsprechend gibt es Präsens-, Präterital-, Partizipial-, Infinitiv- und Imperativstammformen. Präsens- und Präteritalstammformen können flexionsklassenabhängig jeweils primäre und sekundäre Varianten besitzen, die sich durch einen Vokalwechsel unterscheiden.

Flexionsaffixe der Verben

Die Beschreibung der Flexionsaffixe in den Einheiten zur Verbflexion befasst sich mit folgenden Punkten:

  • die Funktion der Flexionsaffixe als Personal-, Numerus-, Tempus- und Modusmarker
  • die flexionsklassenabhängige Distribution der Flexionsaffixe
  • die Rolle des Schwa-Lauts der Suffixe und der daraus resultierenden Varianten

Die folgenden Beispiele (1) - (3) zeigen die im Deutschen möglichen Distributionen von Flexionssuffixen bzw. -suffixketten finiter Verben im traditionellen sechsteiligen Flexionsparadigma. Die auf den Verbstamm folgenden Suffixe sind rot markiert und (noch) nicht weiter segmentiert. Das nicht nach Person ausdifferenzierte Imperativparadigma bleibt hier unberücksichtigt. In (1) werden die Flexionsparadigmen für die unmarkierten Kategorien Präsens Indikativ wiedergegeben, in (2) für die markierten Kategorien Präteritum und Konjunktiv, in (3) für die markierten Kategorien Präteritum Indikativ/Konjunktiv(II). Das Verb reden in (1) und (3) dient als Beispiel für einen Verbstamm, der auf einen Dental endet (red-). :

(1) lachen vs. reden
Präs. Ind.
PersonSingularPlural
1.lachelachen
2.lachstlacht
3.lachtlachen
SingularPlural
redereden
redestredet
redetreden
(2) singen vs. lachen
Prät. Ind. vs. Präs. Konj.(I)
PersonSingularPlural
1.sangsangen
2.sangstsangt
3.sangsangen
SingularPlural
lachelachen
lachestlachet
lachelachen
(3) lachen vs. reden
Prät. Ind./ Konj.(II)
PersonSingularPlural
1.lachtelachten
2.lachtestlachtet
3.lachtelachten
SingularPlural
redeteredeten
redetestredetet
redetetredeten
Die Affixketten lassen sich weiter in Tempus-, Modus- und Personal-/Numerussuffixe segmentieren. In ProGr@mm werden das Schwa -e- im Konjunktiv (z. B. er lache) (und Imperativ Rede!) als eigenständige Modussuffixe, im Präteritum (lachte) als Teil des Tempussuffixes -te- (bzw. -ete-) betrachtet und nicht als morphologischer Bestandteil der Personal-/Numerussuffixe (bzw. des Verbstamms) angesehen. Bei Verben wie reden liegen hingegen schwahaltige Varianten der Personal-/Numerussuffixe vor. Es wird also wie am folgenden Beispiel für Verbformen der 3. Person Singular segmentiert:
StammT/MP/N
Präs.lach
red
-t
-et
Prät.lach
red
-te
-ete
_
_
Konj. Ilach-e_

Daneben sind – mit Konsequenzen für die Distribution der Personal-/Numerussuffixe – aber auch andere Segmentierungen denkbar, vgl. lach-te– vs. lach-t-e. Die Partizipialstammform ist bei einer solchen Segmentierung mit der Präteritalstammform identisch (z. B. ge-lacht, lacht-e, siehe Bildung des Partizip II). Das Flexionsparadigma eines Verbs wie reden eignet sich gut, um die unterschiedlichen Segmentierungsmöglichkeiten von Flexionssuffixen zu illustrieren. Die 2. Person Singular Präteritum Indikativ redetest (auf die Analyse als Konjunktivform wird hier verzichtet) enthält zwei Schwas (hellblau/rot markiert), die je nach Segmentierung dem Verbstamm oder Tempussuffix bzw. dem Tempussuffix oder dem Personal-Numerussuffix zugeordnet werden können. Es sind also vier theoretische Segmentierungen möglich:

Verb-
stamm
TempussuffixPersonal-/
Numerussuffix
(1)red-ete-st
(2)red-et-est
(3)rede-te-st
(4)rede-t-est

In ProGr@mm wird, ausgehend von nur einem Verbstamm (red-ete-st), zwei Tempussuffix-Varianten (lach-te-st/red-ete-st) und nur einem indikativischen Personal-/Numerussuffix (red-ete-st), segmentiert (1). Die anderen Segmentierungsmöglichkeiten (2) - (4) gehen von zwei Stammvarianten und/oder zwei Personal-/Numerussuffix-Varianten aus, jeweils eine mit und eine ohne Schwa.

Zur Bildung der infiniten Verbformen stehen die Zirkumfixe ge-...-t, ge-...-et, ge-...-en bzw- das Suffix -t für das Partizip II und die Suffixe -en, -n für den Infinitiv zu Verfügung.

Die Distribution von Suffix-Varianten mit/ohne Schwa ist von verschiedenen Faktoren abhängig, die auch in Wechselwirkung stehen können:

  • Häufiger Wegfall unbetonter Vokale in der gesprochenen Sprache, insbesondere Schwa [ə]
  • Abhängigkeit von phonologischen (genauer: phonotaktischen) Regularitäten, die beim Bau einer Silbe oder eines Morphems im Deutschen herrschen.
  • Markierung von Flexionskategorien, d.h. flexionsmorphologisch signifikante Distribution von Schwa

Weiterführende Informationen zu den verbalen Flexionsparadigmen, den Mitteln des Formenbaus und den Flexionsmarken sind in den Einheiten Flexion nach Person und Verbnumerus und Flexion nach Tempus und Modus zu finden. Person und Verbnumerus werden gemeinsam betrachtet, da beide Kategorisierungen im Deutschen am finiten Verb durch Suffixe fusionierend kodiert werden. Auch Tempus und Modus greifen auf gemeinsame Mittel des Formenbaus zurück.

Flexionsklassen

Wie auch in anderen Bereichen der Flexion (vgl. Flexionsmuster der Adjektive) werden im Deutschen traditionell die von Jacob Grimm geprägten Bezeichnungen stark und schwach verwendet, um bestimmte Flexionseigenschaften zu charakterisieren. Man unterscheidet zwei Hauptklassen, die der schwachen und die der starken Verben. Grundlage dieser Einteilung sind die Formen des Präteritums und des Partizip II (Partizip Perfekt): Verben, die Präteritalformen durch Affigierung bilden (mit Hilfe des dentalen Präteritalmarkers -te ), zählen zu den schwachen Verben, z. B.:

lache — lachte

Starke Verben bilden ihre Präteritalformen mit Hilfe des Ablauts (Vokalwechsel), z. B.:

sehe — sah

Eine kleine Gruppe von Verben bildet die Präteritalformen durch Affigierung, weist aber zusätzlich auch einen Vokal- und teilweise auch einen Konsonantenwechsel in den Präteritalstammformen auf. Sie kann zu den unregelmäßigen schwachen Verben gezählt werden oder alternativ als gemischte Verben bezeichnet werden, da sie formale Mittel beider Flexionsklassen vereint, z. B.:

kenne — kannte; denke — dachte

Starke und schwache Verben bilden auch die infinite Verbform Partizip II unterschiedlich. Schwache Verben affigieren ge-...-(e)t, starke Verben ge-...-en an die Partizipialstammform, z. B. er hat gelacht/gesungen. Verben mit festem Präfix affigieren nur das Suffix -(e)t bzw. -en, z. B. ich habe erzählt/verloren. Bei Verben mit abtrennbarem Präverb wird ge- zwischen Präverb und Verbstamm eingefügt, z. B. er wurde ausgelacht.

Die Modalverben und das Vollverb wissen bilden gemeinsam eine eigene Flexionsklasse. Sie zeichnen sich durch übereinstimmende Formen der 1. und 3. Person (Nicht-Adressat) im Präsens Singular aus.

Die Hilfsverben haben, sein und werden weisen teilweise uneinheitliche Flexionsmuster mit Suppletivformen auf.

Der agglutinierende Sprachaufbau basiert grundsätzlich auf der freien Kombinierbarkeit lexikalischer und grammatischer Morpheme. Ungarische Verbstämme können mit den Konjugationssuffixen bis auf einige Beschränkungen frei kombiniert werden. Ähnliche Verbklassen wie im Deutschen lassen sich nicht definieren. Sowohl die Verbalstämme als auch die Suffixe können einförmig oder mehrförmig sein. Im Falle mehrförmiger Morpheme wird die Auswahl der jeweiligen Stammform bzw. der jeweiligen Suffixform durch phonologische Regeln bestimmt, damit die Kombination von Stamm und Suffix eine nach den Regeln der ungarischen Phonetik wohlklingende Wortform ergibt.

Die Stammalternationen im Ungarischen werden ausführlicher im Vergleich mit den deutschen starken Verben, die Suffixalternationen im Vergleich mit den Endungen der deutschen schwachen Verben behandelt.

Ausführlichere Informationen zu den verbalen Flexionsklassen befinden sich in der Einheit Flexionsklassen der Verben.

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