Flexion nach Person und Verbnumerus
Personal-/Numerussuffixe
Die finiten Verbformen in verbalen Flexionsparadigmen werden aus Stammformen in Verbindung mit Flexionsaffixen gebildet. Solche, die an die jeweilige Stammform suffigiert werden und Person und Verbnumerus kennzeichnen, werden Personal-/Numerussuffixe oder -endungen genannt. Sie gelten im Deutschen als fusionierende Suffixe, da sie zugleich Personal- und Numerusmarker sind. Person und Verbnumerus werden teilweise auch in den jeweiligen Stammformen durch einen Vokalwechsel (e/i-Wechsel oder Umlaut) kodiert.
Im Ungarischen könnte man nach den allgemeinen Prinzipien des morphologischen Aufbaus agglutinierender Sprachen erwarten, dass die singularischen Formen mit einem Personalsuffix, die pluralischen mit einem Pluralsuffix und einem Personalsuffix versehen werden. Dies war in älteren Sprachstufen auch so. Später sind aber Pluralsuffix und Personalsuffix wahrscheinlich auf Wirkung der indogermanischen flektierenden Sprachen zu einer Endung verschmolzen, so entwickelte sich im ungarischen Konjugationsparadigma eine dem Deutschen ähnliche Markierung der Person und des Numerus. Auch im Ungarischen können wir also von Personal- und Numerusendungen sprechen. Mit dem deutschen Umlaut sowie mit dem e/i-Stammvokalwechsel der deutschen Verbformen vergleichbare innere Flexion ist im Ungarischen nicht vorhanden. Zu erwähnen sind jedoch die Stammalternationen sowie die Suffixalternationen in der Verbkonjugation, letztere sind vor allem mit der sog. Vokalharmonie von Wortstamm und Endungen zu erklären. Wenn der Wortstamm palatale (vorne gebildete) Vokale enthält, wird der Vokal der Endung meistens auch palatal, wenn er velare (hinten gebildete) Vokale hat, ist der Vokal der Endung meistens auch velar:
olvas-ol (du liest) aber néz-el (du siehst)
In beiden Sprachen liegt ein sechsteiliges Konjugationsparadigma vor: drei Personen im Singular und drei im Plural. Im Ungarischen ist die dritte Person Singular die unmarkierte Grundform. Diese Form ist meistens endungslos bis auf die sog. ik-Verben (eine Überrestgruppe von Verben aus älteren Sprachstufen) und auf die sog. definite Konjugation.
–, -e, -en/-n, -t/-et, -st/-est
Die Kombination aus den Kategorisierungen Person (1., 2., 3.) und Verbnumerus (Singular, Plural) ergibt das traditionelle sechsteilige Flexionsparadigma der Verben (vgl. Bsp. 1-2), das in jeder Position über typische Flexionsmarker verfügen kann (Personal-, Verbnumerus-, Tempus- und Modusmarker). Die Distribution der Personal-/Numerussuffixe weist, z. T. in Kombination mit Veränderungen im Verbstamm, je nach Flexionsklasse tempus- und modusabhängige Unterschiede auf.
Distribution
Ähnlich wie bei der Kasusklassifikation in der Nominalflexion lassen sich auch verbale Personalkategorien dort zu Gruppen zusammenfassen, wo in den Teilparadigmen einzelne Positionen aufgrund von Synkretismen formal nicht mehr unterschieden werden. Wie die Beispiele (1) und (2) zeigen, werden nur im unmarkierten Teilparadigma des Singular Indikativ Präsens formal die drei Personalkategorien 1., 2. und 3. Person ausdifferenziert. In allen anderen finiten Teilparadigmen werden nur zwei Personalkategorien unterschieden, der Zusammenfall der 1. und der 3. Person führt dazu, dass hier prinzipiell nur zwischen Adressat (ihr geht; du gingst) und Nicht-Adressat (wir/sie gehen; ich//er/sie/es ging) formal unterschieden wird.
Die Distribution der Personal-/Numerussuffixe verteilt sich auf die verbalen Teilparadigmen wie folgt (Schwa-Varianten in Klammern):
Singular Indikativ Präsens |
| andere Teilparadigmen |
|
Im Teilparadigma der unmarkierten Kategorien Singular Indikativ Präsens (nur dort!) sind alle drei Personalkategorien formal ausdifferenziert, d. h. die 1., 2. und 3. Person werden flexionsmorphologisch unterschieden.
Neben dem Personalmerkmal des Adressatenbezugs (die 2. Person ist adressierend), das bei Verben mit Hilfe der Personal-/Numerussuffixe durchgängig markiert wird, spielt bei Stammformen auch die Unterscheidung zwischen Sprecher (1. Ps.) und Nicht-Sprecher (2. und 3. Ps.) eine Rolle. Im Singular Indikativ Präsens zeichnen sich die Formen der Nicht-Sprecher bei den meisten starken Verben (ebenso: haben, werden) durch eine eigene, mit einen Vokalwechsel gekennzeichnete (sekundäre) Präsensstammform aus (z. B. ich sehe – du siehst – er sieht). In den anderen Teilparadigmen gibt es für Sprecher und Nicht-Sprecher keine spezifischen Stammformen.
Bei den nicht-adressierenden Verbformen ist der Verbnumerus besonders gekennzeichnet. Pluralformen erhalten den auch in der Nominalflexion vorkommenden Pluralmarker -(e)n, z. B. ging – gingen. Die adressierenden Verbformen erhalten hingegen die besonders gekennzeichnten Personalsuffixe -(e)st/-(e)t. Die Verbnumeruszugehörigkeit ist implizit für -(e)st immer und für -(e)t nur dann eindeutig festgelegt, wenn sekundäre Stammformen die Singular- von den Pluralformen unterscheiden, z. B.:
er läuft – ihr lauft. Aber: er/ihr geht.
Personal- und Numerusendungen im Ungarischen
Das ungarische Konjugationssystem entwickelte sich sprachgeschichtlich aus agglutinierenden Suffixen: die unmarkierte Personalform war die dritte Person, der unmarkierte Numerus der Singular. Ein Verb in dritter Person Singular Präsens Indikativ ist auch im heutigen Ungarisch mit keinem Suffix markiert, sondern besteht aus dem Wortstamm: olvas (er/sie liest). Die erste und die zweite Person wird jeweils mit einem Personalsuffix markiert:
olvasok
(ich lese)
olvasol (du liest)
Im Plural ist aber das Pluralsuffix mit dem Personalsuffix zu einer einzigen Endung verschmolzen:
olvasunk
(wir lesen)
olvastok (ihr
lest)
olvasnak
(sie lesen).
Das Präteritum wird mit dem Suffix -t/-tt, der Verbmodus Konditional mit
dem Suffix -n markiert. Das Präteritalsuffix und das Konditionalsuffix dürfen
nicht kombiniert werden. (Zum Ausdruck des Konditional Präteritums s.
früher.)
Auf diese Weise ergibt sich folgendes ungarisches Konjugationsparadigma (Man beachte: der
Konsonant der Konjugationsendung ist konstant, der Vokal variiert sich nach den Vokalqualitäten im
Verbstamm):
(1) olvas
(lesen) vs. néz
(sehen) Präs. Ind. |
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(2) olvas vs.
néz Indikativ Präteritum |
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(3) olvas vs.
néz Konjunktiv Präsens |
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Aus der Tabelle lässt sich entnehmen, dass die Personal- und Numerusendungen im Allgemeinen die gleichen sind, unabhängig davon, ob ein Präteritalsuffix oder ein Konditionalsuffix vorangeht. Nur die Vokale ändern sich, dies hat aber keine morphologische, sondern phonetische Gründe. Es gibt nur zwei Ausnahmen: In erster Person Singular Präteritum wird eine Ersatzform aus einem anderen, aus dem sog. definiten Konjugationsparadigma, genommen (s. unten). Die andere Ausnahme besteht darin, dass die dritte Person Singular Präsens Konditional auch eine Personalendung hat.
Im Ungarischen gibt es auch ein anderes Paradigma der Person- und Numerusformen, das im Gegensatz zum oben ausgeführten Paradigma der sog. allgemeinen Konjugation definite Konjugation genannt wird. Dieses Paradigma wird bei definiten (bestimmten) Akkusativobjekten benutzt, während die allgemeine Konjugation bei indefiniten (unbestimmten) Akkusativobjekten bzw. in Strukturen ohne Akkusativobjekt verwendet wird. Die definite Konjugation verfügt auch über ein vollständiges Paradigma, d. h. sie hat Endungen in allen Verbkategorien. Vgl. z. B.:
Olvasok egy könyvet. (Ich lese ein Buch.) vs. Olvasom a könyvet. (Ich lese das Buch.)
Damit korrespondiert das ungarische Verb nicht nur mit dem Subjekt (wie das deutsche), sondern in bestimmten Grenzen auch mit dem Akkusativobjekt (s. unten: Korrespondenzen des Verbs)
Die definite Konjugation hat die folgenden Endungen. Es werden wiederum die Kategorien
Indikativ Präsens, Indikativ Präteritum und Konditional Präsens bei einem Verb mit velaren
Stammvokalen (lát) und bei einem mit palatalem Stammvokal (mér)
als Beispiel genommen.
(1) lát
(sehen) vs. mér
(messen) Präs. Ind. definit |
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(2) lát vs.
mér Indikativ Präteritum; definit |
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(3) lát vs.
mér Konjunktiv Präsens; definit |
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Den Tabellen lässt sich entnehmen, dass die definite Konjugation im Ungarischen in der Regel eigene Endungen hat. Besonders auffällig ist es, dass die in der allgemeinen Konjugation unmarkierte Stammform, die dritte Person Singular in der definiten Konjugation mit einer Endung markiert ist. Manchmal gibt es auch im Ungarischen Synkretismen: Einige Endungen der definiten Konjugation (besonders in den Konditionalformen) unterscheiden sich formal nicht von den entsprechenden Formen der allgemeinen Konjugation.
Suppletivformen sind für das Ungarische nicht charakteristisch, vereinzelt kommen sie aber auch vor. Das allgemeine Existenzverb van (sein) verfügt über regelmäßige Konjugationsendungen (allerdings mit den alternierenden Verbstämmen van- / vagy-: vagy-ok (ich bin), vagy (du bist), van (er/sie ist), vagy-unk (wir sind), vagy-tok (ihr seid), van-nak (sie sind). Der Infinitiv ist aber eine Suppletivform: lenni (sein).
Über weitere Stammformen der ungarischen Verben lesen Sie unter dem Titel Stammalternation!
Imperativformen sind semifinit und flektieren nur nach Verbnumerus, nicht nach Person. Die Singularformen des Imperativs weisen flexionsklassenabhängig Endungslosigkeit (bei starken Verben mit e/i-Wechsel) oder das (e)-Suffix auf. Die Pluralform des Imperativs ist formgleich mit der Adressatenform im Plural auf -(e)t:
Imperativ |
|
Im Ungarischen verfügt der Imperativ ebenso wie der Indikativ und der Konditional über
ein vollständiges Paradigma, jedoch nur im Präsens. D. h. im Ungarischen ist es möglich, nicht nur
den Gesprächspartner, sondern auch dritte Personen oder auch sich selbst mit Hilfe imperativischer
Verbformen aufzufordern. Der Imperativ hat ein Suffix, -j-, diesem gehen die
Personalendungen nach:
mér
(messen) Imperativ, allgemein |
|
mér
(messen) Imperativ, definit |
|
Die in der Tabelle aufgeführten Verbformen werden im Ungarischen nicht nur in imperativischer, sondern in Nebensätzen auch in konjunktivischer Funktion benutzt, z. B.:
Azért jött, hogy megmérje a házat. (Er kam, damit er das Haus misst.)
Deshalb nennen manche Grammatiker das vorliegende Paradigma 'Konjunktivimperativ'. Andere behaupten, dass mit dem Suffix -j- sowohl Imperativ als auch Konjunktiv gebildet werden kann und weisen auf einen formalen Unterschied der beiden Modi hin. Wenn das Verb in imperativischer Funktion benutzt wird, trennt sich das Präfix (die ungarischen Verben sind sehr häufig Präfixverben), wenn in konjunktivischer, bleibt das Präfix ungetrennt:
Azt mondta, hogy mérjem meg a házat.(Er/Sie sagte, dass ich das Haus messe.)
Azért jöttem, hogy megmérjem a házat. (Ich kam, damit ich das Haus messe.)
Das Hilfsverb sein besitzt im Präsens Indikativ eine auch hinsichtlich der Personal-/Numerussuffixe unregelmäßige Konjugation (Suppletivformen): bin, bist, ist, sind, seid, sind. In den anderen Teilparadigmen besitzt sein suppletive Stammformen (war-, wär-, sei-, wes-), aber regelmäßige Endungen.
Infinite Verbformen (Infinitive, Partizipien) flektieren im Deutschen weder nach Person noch nach Verbnumerus.
Im Ungarischen können Infinitive nach Person und Numerus konjugiert werden. Dies lässt sich damit erklären, dass die Modalverben im Ungarischen meistens unflektiert bleiben und die Personalformen des Verbalkomplexes am Infinitiv markiert werden. Ausführlicher vgl. dazu im Abschnitt Verbflexion.
Schwahaltige und schwalose Suffixe
Endungslosigkeit und -e Suffix
"Ja, ja", erwidert sie, "jetzt ein Foto, das wär’s, ich lach’ mich kaputt." [Berliner Zeitung, 22.03.2001]
Der Wegfall des Schwa-Lautes im Auslaut (offene Silbe) ist ein verbreitetes Phänomen der gesprochenen Sprache. In der Schrift kann der Wegfall eines Schwas durch ein Apostroph gekennzeichnet werden. Davon betroffen ist insbesondere die 1. Person Singular Präsens Indikativ:
ich habe — (hab' ) [hap/ha:p]; lache — (lach' )
-st/-est, -t/-et Suffixe:
In der geschriebenen Sprache erhalten schwachen Verben mit Verbstämmen, die auf einen Dental (z. B. reden) oder einen Plosiv/Frikativ + Nasal (z. B. atmen) enden, die schwahaltigen Personal-/Numerussuffixe -st/-est, -t/-et. Beispiel:
er/sie/es redet. Nicht: *redt.
Bei starken Verben mit sekundärer Präsensstammform wird in diesen Fällen hingegen kein -e- eingeschoben: du lädst / er lädt. Die Konjunktivform ist durch den Vokalwechsel im Stamm hinreichend gekennzeichnet, sie ist morphologisch transparent. Bei entsprechenden starken Verben ohne sekundäre Präsensstammform wird im Präsens wiederum ein Schwa eingeschoben: du leidest (vgl. Präteritum:littst).
Für das Vorhandensein bzw. Fehlen von Schwa bei den Personal-/Numerussuffixen -st/-est, -t/-et sind phonotaktische Faktoren und die Beschaffenheit des Auslauts des Verbstammes von besonderer Bedeutung.
(1) Verbstamm auf Dental: betet, nicht: *bett
(2) Verbstamm
auf Plosiv/Frikativ + Nasal: atmet,
nicht: *atmt
Schwa kann, wie auch in anderen Bereichen der Flexion, dazu dienen, Silbigkeit herbeizuführen, die zur morphologischen Transparenz wie in Beispiel (1) und/oder zur Erleichterung der Aussprache bzw. zur Einhaltung von Silbenbaugesetzen wie in Beispiel (2) beiträgt.
Tritt ein Schwa zwischen Verbstamm und Suffix bleiben beide Teile besser identifizierbar und verschmelzen nicht, wie es sonst z. B. bei Verbstämmen auf -d/-t mit dem schwalosen Flexionsmarker -t in (1) der Fall wäre. Die dadurch gewonnene morphologische Transparenz des Personal-/Numerusmarkers geht aber zu Lasten der potenziellen Modusdifferenzierung im Präsens: du redest / ihr redet (Ind./Konj.). In der Flexionsklasse der starken Verben wird bei Verbstämmen auf Dental, die auch schon durch einen Vokalwechsel gekennzeichnet und somit hinreichend morphologisch transparent sind, kein Schwa gesetzt: du giltst; er wandte sich an...
Auch in den folgenden Beispielen (3) und (4) wird in der gesprochenen und in der geschriebenen Sprache kein Schwa gesetzt:
(3) Verbstamm auf [z, s]: du küsst, nicht:
du *küssest (Ind.)
(4) Verbstamm auf [t] mit Vokalwechsel (starken
Verben): rät, nicht *rätet
Hier liegen besondere Bedingungen vor, da die Suffixe -st und -t ohne das Schwa direkt auf einen gleichlautenden Auslaut des Verstammes ([z, s] bzw. [t]) treffen und somit Geminaten bilden würden, die nach den phonologischen Regeln des Deutschen unzulässig sind (*küssst, *rätt). Formen wie in (3) fallen in der 2. und 3. Person Singular zusammen (z.B.du//er/sie/es küsst), da in der 2. Person das [s] des Verbstammes und das des Suffixes zu einem einfachen [s] reduziert wird (Geminatenreduktion). Bei Formen wie in (4) betrifft die Geminatenreduktion das [t] von Verbstamm und Suffix in der 3. Person, d. h. ein Formzusammenfall wie in (3) findet aber nicht statt. Die morphologische Transparenz bleibt zudem durch den Vokalwechsel erhalten.
Schwa kann aber auch als Modusmarker dienen bzw. Bestandteil des Tempusmarkers sein, z. B.:
lachst (Indikativ) — lachest (Konjunktiv)
lacht (Präsens) —
lachte (Präteritum)
-en/-n Suffixe
Beim Personal-/Numerussuffix -en/-n (bzw. Infinitiv-Suffix) stimmen Laut und Schrift nur teilweise überein. In der Schrift wird bei der überwiegenden Anzahl der Verben <-en> geschrieben, auch dort, wo in der Standardlautung kein Schwa realisiert wird (z. B. hatten ['hatn̩]). Davon ausgenommen sind lediglich Verben mit Verbstämmen auf -el/-er, bei denen durchgängig <-n> geschrieben (sie sammeln, nicht: *sammelen) wird.
Morpho-phonologische Voraussetzungen beim Personal-/Numerussuffix -en/-n (Abschnitt ein-/ausblenden)
Die Distribution von Schwa bei dem Personal-/Numerussuffix -(e)n ist nicht morphologisch signifikant, d. h. es wird nicht zur Unterscheidung verbaler Flexionsformen genutzt, sondern ist von den phonologischen Voraussetzungen des Verbstamms abhängig. Nach der genormten Lautung des Duden-Aussprachewörterbuchs wird -(e)n immer schwalos als [n̩] realisiert (silbisches n), wenn der Verbstamm nicht auf Vokale, Nasale oder Liquide endet:
(1) Verbstamm auf Konsonant außer Nasale/Liquide: hatten ['hatn̩], bremsen ['brɛmzn̩], röntgen ['rœntgŋ̩], pantschen ['pantʃn̩]
Endet der Verbstamm hingegen auf einen dieser Laute, wird das Suffix als Schwasilbe gesetzt [ən]:
(2) Verbstamm auf Vokal, Nasal [n, m, ŋ], [l] oder [r]: sahen ['za:ən], öffnen ['œfnən], zählen ['tsɛ:lən], waren ['va:rən], lernen ['lɛrnən]
Bei Verbstämmen auf -el/-er, z. B. füttern, wird das Suffix aus phonotaktischen Gründen ebenfalls schwalos als -n realisiert und an den silbischen Liquid bzw. das vokalische r angehängt, d. h. die Silbenzahl der Wortform bleibt gleich:
(3) Verbstamm auf -el/-er [əl], [ɐ] (vokalisches r): sammeln ['zaml̩n], rudern ['ru:dɐn]
Die Nicht-Setzung von Schwa wird aber nur bei diesem nicht-silbischen, schwalosen n orthographisch berücksichtigt (3), im Falle des silbischen n (1) wird e, obwohl phonetisch nicht realisiert, dennoch geschrieben.
Für die ebenfalls mit -en/-n gebildeten Infinitivformen gelten dieselben morpho-phonologischen Bedingungen wie für die entprechenden Personal-/Numerussuffixe.
Vokalwechsel
Flexionsklassenabhängig gibt es im Präsens Singular teilweise auch gemeinsame Stammformen für die 2./3. Person Singular, also die Nicht-Sprecher-Formen, die aber durch ihre Personal-/Numerussuffixe distinkt bleiben (z.B. spreche – sprichst - spricht). Diese sekundären Stammformen werden mit Hilfe eines Vokalwechsels, nämlich entweder durch einen e/i-Wechsel oder Umlaut gebildet und fungieren als Personal- und Numerusmarker.
Der Umlaut in der Verbflexion erfüllt bei unterschiedlichen Stammformen unterschiedliche Aufgaben (zum Umlaut als Modusmarker siehe Flexion nach Tempus und Modus). Im Präsens Indikativ dient er wie der e/i-Wechsel der Kennzeichnung des Indikativ 2./3. Person Singular, z. B.:
(3) fahren (Präsens Indikativ): fahr- (Sg.: Sprecher; Pl.: alle Ps.) – fähr- (Sg.: Nicht-Sprecher)
Der e/i-Wechsel betrifft die Präsensstammform (Indikativ) und die Imperativstammform einer Reihe von starken Verben. Er begründet eine sekundäre Stammform, die für Singular Indikativ Präsens gilt (Beispiel 4) und - anders als bei der sekundären Präsensstammform mit Umlaut - auch für den Imperativ im Singular (5). Der Imperativ Singular der Verben mit e/i-Wechsel ist suffixlos. Der e/i-Wechsel kennzeichnet also die Formen der Nicht-Sprecher (2./3. Ps.) und legt zudem die Verwendung auf den Singular fest (6), z. B.:
(4) geben, sehen (Präsens Indikativ): geb-, seh- (Sg.: Spr.; Pl.: alle Ps.) – gib-, sieh- (Sg.: Nicht-Spr.)
(5) essen (Imperativ): iss_ (Sg.) – esst. Aber: fahren (Imperativ): fahr(e) (Sg.) – fahrt (Pl.)
(6) laufen (Suffix-(e)t im Sg./Pl.):er läuft – ihr lauft).
Vokalwechsel | Verb | |
e, eh → ie, i | [e:]→[i:], [ɪ] | lese – lies nehme – nimm |
e → i | [ɛ]→[ɪ] | esse – iss |
Einzelfälle: | ||
ö → i | [œ]→[ɪ] | erlösche – erlisch |
ä → ie | [ɛ:]→[i:] | gebäre – gebier |
Dem Umlaut kommt auch eine Bedeutung als Modusmarker zu, der Ablaut übernimmt keine Personal-/Numerusmarkierungen sondern fungiert als Tempus- und Modusmarker. Auf Stammformen(paradigmen) und die damit verbundenen Vokalwechsel als Tempus- und Modusmarker wird in Flexion nach Tempus und Modus eingegangen.
In beiden Sprachen kommt häufig vor, dass im Laufe der Konjugation auch der Stamm verändert wird. Im Ungarischen gibt es viele Stammalternationen, die wenig Systematizität aufweisen. Das heißt, der Verbstamm existiert in mehreren Formen, die sich meistens im auslautenden Konsonanten unterscheiden. In den einzelnen Konjugationsformen wird mal die eine, mal die andere Form gewählt. Beispiel: megy 'gehen'. Die Stammformen sind: megy- und me-. Vgl.:
megyek
(ich gehe)
megyünk (wir
gehen)
mentek
(ihr geht)
mennek (sie
gehen)
menni
(gehen [Infinitiv])
Mehr über die ungarischen Stammalternationen s. im Vergleich mit den deutschen starken Verben
Korrespondenz zwischen Subjekt und finitem Verb
Auf Satzebene werden die Personal-/Numerusmarker am Verb benötigt, um Korrepondenz zwischen Subjekt und finitem Verb herzustellen. Die Personalkategorie der Verbform wird vom Subjekt regiert, der Verbnumerus kongruiert mit dem Numerus des Subjekts. Welche Personal- und Numerusmarker ein finites Verb erhält, hängt somit vom Subjekt des Satzes ab. Im Ungarischen korrespondiert die Form des Verbs außer mit dem Subjekt auch mit dem Akkusativobjekt. Im Deutschen können wir also über eine Subjekt-Verb-Korrespondenz, im Ungarischen über eine Subjekt-Verb-Objekt-Korrespondenz sprechen.
Subjekte, die durch Kommunikanten-Pronomina (Sprecher-/Hörer-Pronomina) ausgedrückt werden (vgl. auch Flexion der Kommunikanten-Pronomina, regieren bei Sprecherbezug (ich/wir) die 1. Person, bei Hörerbezug (du/ihr, mit Ausnahme der Distanzform Sie) die 2. Person des Verbs, jeweils im entsprechenden Verbnumerus, z. B.:
Ich gehe gern spazieren. Habt ihr einen Hund?
Subjekte, die durch andere Pronomina (z. B. Flexion der anaphorischen Personalpronomina sowie anaphorische Personalpronominaer/sie/es //sie) oder Nomina/Nominalphrasen ausgedrückt werden, regieren die 3. Person des Verbs, jeweils im entsprechenden Verbnumerus, z. B.:
Er geht nie alleine mit dem Hund Gassi. Sie gehen immer zu zweit.
Ihr Dalmatiner heißt Rocco. Rocco liebt Hundekuchen.
Die Distanzform Sie mit Hörerbezug regiert wie das anaphorische Personalpronomen sie (Pl.) die 3. Person Plural, z. B.:
Haben Sie das verstanden?
Die 3. Person Singular wird darüber hinaus auch bei Sätzen als Subjekt (Dass er kommt freut uns sehr.), in subjektlosen Sätzen (z. B. Ihm wurde kalt.), in Verbindung mit fixem es als formal leerem Subjekt (Es regnet.) und mit expletivem es beim subjektlosen Passiv (Es darf gelacht werden.), verwendet.
Übersicht:
Subjekt | Person | Singular | Plural |
Sprecher-Pronomen | → 1. | ich gehe | wir gehen |
Hörer-Pronomen | → 2. | du gehst | ihr geht |
anaph. Personalpronomen Nomen/NP | → 3. | er/sie/es
geht X geht | sie/Sie
gehen XX gehen |
Bei bestimmten Konstruktionen gelten besondere Regeln:
Auch mehrere Pronomina, Nomina oder Nominalphrasen können gemeinsam ein Subjekt bilden, z. B. du und deine Frau, der Hund und sein Herrchen, was zu Schwierigkeiten bei der Korrespondenz zwischen solchen koordinierten Subjekten und finiten Verben führen kann. Dabei hängt es von der Bedeutung der koordinierten Phrase und des jeweiligen Konjunktors ab, welche Korrespondenz (insbesondere die Numerus/Verbnumerus-Kongruenz) mit dem finiten Verb hergestellt wird.
Aber Du und ich sehen das gelobte Land nicht mehr, geschweige dass wir hinein kämen. [Frankfurter Allgemeine, 02.11.2001]
Weder er noch sie hatten jemals im Gastgewerbe gearbeitet. [Die Zeit (Online-Ausgabe), 24.06.2004]
Weder er noch sie will in die Stadt, lieber sterben sie. [Salzburger Nachrichten, 27.02.1993]
Sowohl das etwas langsamere Wachstum der Weltwirtschaft als auch das größere Angebot machte sich auf den Rohstoffmärkten bemerkbar. [dpa, 13.01.2007]
Zur Verbnumeruskongruenz bei koordinierten Subjektenmit oder siehe auch Für Rückfragen stehen/steht Ihnen die Kundenberatung oder Ihr Ansprechpartner im Außendienst zur Verfügung — Einzahl oder Mehrzahl beim Verb
Auch bei Maßkonstruktionen (vgl. auch Flexion bei erweiterten Nominalphrasen), die als Nominalphrasen beim Verb die 3. Person regieren, gelten besondere Regeln, was die Kongruenz mit dem Verbnumerus betrifft.
Maßkonstruktionen sind Nominalphrasen mit einen Maßausdruck als Kopf, die prototypisch folgende Struktur haben:
Zahladjektiv | Maßausdruck | Stoffname/artikelloser Plural |
zwei | Pfund | Mehl |
(Attribut) | (Kopf) | (Attribut) |
Maßausdrücke sind stets Singularformen (z. B. zwei Stück, drei Dutzend), auch wenn die Maßkonstruktion pluralisch ist. Der Numerus ist dann nur am Zahladjektiv und an der Kongruenz mit dem finiten Verb erkennbar, z. B.:
Ein Kilo Orangen trägt sich leicht. Zehn Kilo Orangen tragen sich weniger leicht.
Das finite Verb kann aber auch mit dem Stoffnamen/artikellosen Plural statt mit dem Zahladjektiv und dem Kopf der Maßkonstruktion im Numerus kongruieren, z. B.:
Ein Dutzend Schüsse kosten 2,50 Euro, wobei jeder Teilnehmer beliebig viele Durchgänge absolvieren darf. [Mannheimer Morgen, 04.04.2007]
Mehrere Möglichkeiten der Numerus/Verbnumerus-Kongruenz ergeben sich bei Maßkonstruktionen des Typs Zahladjektiv ein + Maßausdruck + artikelloser Plural. Das finite Verb kann in diesem Fall mit dem pluralischen Nomen oder dem singularischen Rest der Maßkonstruktion kongruieren, z. B.:
Ein Dutzend Staaten hat indessen Gesetze erlassen, welche diese Art von Klagen explizit verbieten. [ St. Galler Tagblatt, 28.06.2000]
Über ein Dutzend Staaten haben sich dieser Bewertung angeschlossen, unter ihnen Frankreich, die Schweiz und die Niederlande. [dpa, 14.02.2007]
Kleinwächter rechnet vor: Ein Quadratmeter Solarzellen kostet 500 Euro. [die tageszeitung, 03.05.2003]
Ein Quadratmeter Solarzellen kosten bis zu 1000 Euro. [spektrumdirekt, 05.02.2003]
Im Ungarischen liegt Subjekt-Verb-Objekt-Korrespondenz vor. Dies bedeutet einerseits, dass das Verb bei bestimmtem Akkusativobjekt die sog. definiten Konjugationsendungen bekommt, während bei unbestimmtem Akkusativobjekt oder in Konstruktionen ohne Akkusativobjekt die Endungen der allgemeinen Konjugation verwendet werden. Gewisse Indefinitpronominalobjekte sowie andere indefinite Objekte verlangen auch die allgemeine Konjugation. Vgl. ausführlicher den Abschnitt definite Konjugation.
Andererseits liegt im Ungarischen auch eine besondere Verbform vor, die auch die Person des Akkusativobjektes ausdrückt. Diese Form mit der Endung -lak/-lek ist jedoch eine Einzelform, sie gliedert sich in kein Paradigma ein. Benutzt wird sie im Falle eines Subjekts der ersten Person im Singular und eines Objekts der zweiten Person im Singular oder im Plural. Bei einem pluralischen Objekt ist das Pronomen obligatorisch:
Szeretlek.(Ich liebe dich.) vs. Szeretlek titeket. (Ich liebe euch.)