Kommunikanten-Pronomen: Sprecher-Pronomen und Hörer-Pronomen

ung. személyes névmás

Sprecher-Pronomen und Hörer-Pronomen im Überblick

Die Sprecherpronomina ich, wir und die Hörerpronomina du, ihr mit der Distanzform Sie haben deiktische Funktion: sie verweisen in einer Äußerung auf den aktuellen Sprecher oder die Sprechergruppe und den aktuellen Hörer oder die Hörergruppe. Sprecher- und Hörerpronomina flektieren nach Kasus und sind nach dem Numerus differenziert. Bei den Hörerpronomina gibt es zusätzlich noch eine Differenzierung nach Vertrautheit vs. Distanz.

andere Bezeichnungen und Zuordnungen

Traditionell werden unter dem Terminus "Personalpronomen" oder "persönliches Fürwort" die Sprecher-Hörer-bezogenen Kommunikanten-Pronomen als Pronomen "der 1. und 2. Person" mit den anaphorischen Personalpronomina "der 3. Person" er, sie, es zusammengefasst.

Kommunikanten-Pronomina im Ungarischen

Die ungarische Grammatiktradition behandelt Kommunikanten-Pronomina und anaphorische Personalpronomina ähnlich den traditionellen Grammatiken des Deutschen zusammen unter Personalpronomina (vgl. Forgács 2007, Keszler 2000 und Keszler/Lengyel 2008). An dieser Stelle werden die Personalpronomina der 1. und 2. Person bzw. die Distanzformen beschrieben, Erklärungen zur 3. Person befinden sich unter anaphorisches Personalpronomen

morphologische Eigenschaften

Das Formenparadigma von Sprecher- und Hörer-Pronomen ist nach Kasus und Numerus differenziert, beim Hörer-Pronomen gibt es zusätzlich eine Differenzierung nach der Merkmal vertraut vs. distanziert. Das Paradigma enthält diachron/sprachgeschichtlich erklärbare Wortformen (Suppletivformen) des Lexems.

SPRECHER-PRONOMENHÖRER-PRONOMEN
SINGULARPLURALSINGULARPLURALDISTANZFORM
NOMINATIVich wir du ihr Sie
AKKUSATIVmichunsdicheuchSie
DATIVmirunsdireuchIhnen
GENITIVmeinerunserdeiner euerIhrer

Wie im Deutschen befindet sich auch bei den ungarischen Personalpronomina eine Differenzierung nach Vertrautheit vs. Distanz. Rein morphologisch gesehen sind die Distanzformen Formen der 3. Person, wobei im Gegensatz zum Deutschen zwischen Singular und Plural differenziert wird. Ihre Bedeutung bezieht sich jedoch auf die 2. Person (vgl. Keszler/Lengyel (2008: 61)). Die Nominativformen der 1. und 2. Person sowie der Distanzformen sehen wie folgt aus (vgl. Forgács (2007: 200)):

SingularPlural
1. Personén (ich)mi (wir)
2. Personte (du)ti (ihr)
DistanzformÖn (Sie)Önök (Sie)

Die Akkusativformen der 1. und 2. Person werden durch unregelmäßige Suppletivformen ausgedrückt (engem (mich), téged (dich)), die Distanzformen erhalten das Kasussuffix –t des Akkusativs (Önt und Önöket (Sie)). Die weiteren Kasusformen (vgl. Kasusflexion) werden wie folgt gebildet: Das jeweilige Kasussuffix fungiert als Stamm, Person und Numerus werden durch entsprechende Personalsuffixe ausgedrückt, z. B.: nek-em (mir), től-em (von mir), től-ed (von dir), vel-em (mit mir), vel-ed (mit dir), hoz-zám (zu mir), hoz-zád (zu dir) etc.. Weitere Erklärungen zu den morphologischen Eigenschaften der Personalpronomina befinden sich unter Flexion der Pronomina.

syntaktische Eigenschaften

Ein Sprecher-Pronomen regiert in der Subjektfunktion die 1. Person beim finiten Verb, ein Hörer-Pronomen regiert die 2. Person. Im Numerus besteht Kongruenz zwischen Subjektspronomen und finitem Verb. Die Distanzform regiert, unabhängig von singularischem oder pluralischem Bezug, immer die 3. Person Plural.

PRONOMENVERBSTAMMFLEXIONSAFFIX
Ich-edas nicht.
Du-st das nicht.
Wirversteh-endas nicht.
Ihr-tdas nicht.
Sie-endas nicht, liebe Leserin?
Sie-endas nicht, liebe Leserinnen?

Zwischen Verb und Subjektpronomen bestehen im Ungarischen die gleichen Rektions- und Kongruenzverhältnisse wie im Deutschen. Als Unterschied gilt jedoch, dass die Distanzformen nach Singular und Plural differenziert werden. Dementsprechend regieren die Distanzformen die 3. Person entweder Singular oder Plural des Verbs. Als weiterer Unterschied muss erwähnt werden, dass Nominativ- und Akkusativformen der Personalpronomina im Ungarischen in unbetonten Positionen normalerweise weggelassen werden, da sie durch die Verbalaffixe eindeutig ausgedrückt werden (vgl. Forgács (2007: 202)). Sie werden also nur in markierter Position verwendet. (vgl. dazu die Einheiten Verb, Verbflexion und Flexion der Pronomina).

Sprecher- und Hörer-Pronomina sind nur eingeschränkt zu Pronominalphrasen ausbaubar:

wir alle (mi mind), Sie beide (Önök mindketten), du, der du alles besser weißt (te, aki mindent jobban tudsz), du mit deinem blöden Beispiel (te a buta példáiddal), du Esel (te szamár), ich armes Würstchen (én, szegény ördög)

Anhand der Beispiele lässt sich als Unterschied feststellen, dass im Ungarischen die Wiederholung des Pronomens nicht möglich ist.

Vorangestellte Attribute oder Artikel sind sowohl im Deutschen als auch im Ungarischen ausgeschlossen.

semantische und funktionale Eigenschaften

Sprecher-Pronomen und Hörer-Pronomen verweisen in einer Äußerung auf den aktuellen Sprecher bzw. die Sprechergruppe und den aktuellen Hörer bzw. die Hörergruppe. Sie haben also deiktische und keine anaphorische Funktion. Die Formen im Akkusativ und Dativ haben aber zusätzlich noch eine anaphorische Lesart: in der Verwendung als Reflexiva (ich schäme mich, wir genehmigen uns noch einen) sind sie gebundene Anaphern, da sie immer syntaktisch innerhalb eines Satzes auf das Nominativkomplement (Knom):

Er warnt ihn vor sich.

das Akkusativkomplement (Kakk):

Er warnt ihn vor sich.

selten auf das Dativkomplement (Kdat):

Du empfiehlst ihm sich.

zurückverweisen.

Personalpronomina der 1. und 2. Person haben wie im Deutschen eine deiktische Funktion. Sie werden jedoch nicht als Reflexiva verwendet, verfügen somit über keine zusätzliche anaphorische Funktion. Zum Ausdruck der Reflexivität werden im Ungarischen entweder reflexive Verbalsuffixe –kozik, -kodik usw. (vgl. Verb) oder das Reflexiv-Pronomen maga verwendet.

Test: deiktische und anaphorische Funktion von Pronomina

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