Partikel

ung. partikula

Partikel im Überblick

In alten Grammatiken wurden Partikeln von den Adverbien in der Regel nicht abgegrenzt. Sie sind adverbähnliche unflektierbare Wörter, deren Abgrenzung von den Adverbien im Deutschen in erster Linie dadurch motiviert ist, dass Adverbien im Satz eine eigenständige Phrase bilden und in der linearen Abfolge verschiebbar sind, während Partikeln keine eigene Phrase bilden und entweder als Teile einer Phrase nur gemeinsam mit anderen Elementen verschoben werden können oder einen mehr oder weniger festen Platz im Satz haben und nur in sehr beschränkten Grenzen beweglich sind. Insbesondere können sie nicht allein im Vorfeld eines Aussagesatzes stehen. Sie können bis auf wenige Ausnahmen weder selbstständig als Antwort auf eine Frage, noch als Kopf einer Phrase fungieren. Beobachten wir das syntaktische Verhalten des Adverbs und der Partikel in folgenden Beispielen:

Klaus hat gestern viel getrunken. → Gestern hat Klaus viel getrunken. Klaus hat viel getrunken, und zwar gestern. (Adverb)
Klaus hat sehr viel getrunken.Sehr viel hat Klaus getrunken. Klaus hat getrunken, und zwar sehr viel. Nicht aber: *Sehr hat Klaus viel getrunken.*Klaus hat viel getrunken und zwar sehr. (Intensitätspartikel)
Klaus hat halt viel getrunken. Nicht aber: *Halt hat Klaus viel getrunken. *Klaus hat viel getrunken und zwar halt. (Abtönungspartikel)

Wie die Beispiele zeigen, kann das Adverb als ein Wort mit einem selbstständigen Phrasenwert im Satz frei verschoben werden und auch im Vorfeld stehen. Die Intensitätspartikel sehr gliedert sich in eine Phrase ein und kann nur mit der ganzen Phrase bewegt werden. Die Abtönungspartikel eben hat eine ziemlich feste Stelle im Mittelfeld und kann sich gar nicht oder nur innerhalb sehr enger Grenzen bewegen.

Im Ungarischen lassen sich Partikeln noch schwieriger von den Adverbien abgrenzen als im Deutschen, weil im Ungarischen das am besten handhabbare Kriterium der deutschen Partikeln, die fehlende Vorfeldfähigkeit nicht benutzt werden kann (Im ungarischen Satz gibt es kein syntaktisch markiertes Vorfeld). Die meisten Partikeln haben sogar das gleiche adverbiale Suffix wie die Adverbien: nagyon, kifejezetten, egyébként, kizárólag usw. Deshalb werden Partikeln im Ungarischen nur in den neuesten Grammatiken abgegrenzt (vgl. Keszler/Lengyel (2008)). Die Abgrenzung der Partikeln scheint aber auch im Ungarischen motiviert zu sein. Auch für das Ungarische gilt, dass Partikeln im Unterschied zu den Adverbien keine selbstständige Phrasen bilden und somit nicht als Satzglieder fungieren können. Sie gliedern sich in eine Phrase ein und fungieren als Teile dieser Phrase: csak Péter (nur Peter), Pál is (auch Paul), kimondottan erős (ausgesprochen scharf) usw. Die schwierigste Aufgabe ist die Abgrenzung der Abtönungspartikeln, sie wird in der Einheit Abtönungspartikel behandelt.

Partikeln sind - besonders in der Alltagssprache - hochfrequent.
Ein Charakteristikum ist ihre Polyfunktionalität: Das bedeutet, dass das gleiche Wort in mehreren Funktionen auftritt: ausschließlich kann z. B. als Adjektiv oder als Fokuspartikel stehen, nur als Adverb oder als Fokuspartikel oder als Abtönungspartikel, denn als Konjunktor oder als Abtönungspartikel. Diese Polyfunktionalität der Partikel erklärt sich damit, dass Partikeln in der Sprache eigentlich sekundäre Entwicklungen sind. Partikeln kommen dadurch zustande, dass ein Wort, das üblicherweise als Adjektiv, als Adverb, als Junktor usw. fungiert, im Sprachgebrauch eine andere, z. B. eine intensivierende, eine abschwächende, eine hervorhebende oder eine Einstellung ausdrückende Funktion bekommt. Mit dieser neuen Funktion ändert sich auch die syntaktische Position und eventuell auch die Bedeutung des Wortes. Sprachgeschichtlich ist die Partikelfunktion bei diesen Wörtern immer jünger als die ursprüngliche Adjektiv-, Adverb- oder Junktorfunktion.

Dass sich die Partikelfunktion aus einer anderen, schon früher vorhandenen Funktion eines Wortes entwickelt, ist unter dem Aspekt des deutsch-ungarischen Vergleichs besonders relevant. Wie wir gesehen haben, ist die Abgrenzung der Partikeln auf reiner formal grammatischer Basis im Ungarischen schwieriger als im Deutschen. Während deutsche Partikeln das gemeinsame Merkmal haben, dass sie nicht allein im Vorfeld auftreten können, ist die Formulierung einer ähnlichen, auf alle Partikeln zutreffenden Wortstellungsregel für ungarische Partikeln nicht möglich. Einige ungarische Partikeln stehen gewöhnlich am Satzanfang, andere sind im Satz integriert. Es gibt auch solche, die die Stellung ändern können, sogar mit Bedeutungsunterschied:

Hiszen ez nem nehéz.
Ez nem is nehéz.
– Nem csináltad meg a feladatodat? – Hát, nem. / – Nem hát!

Gemeinsam ist aber für die ungarischen Partikeln auch, dass das Wort jeweils mindestens eine andere Funktion hat, d. h. auch als Adjektiv, Adverb oder Junktor auftreten kann. Die syntaktische Position ist gewissermaßen auch mit dieser anderen, nämlich mit der primären Funktion des Wortes verbunden. Hiszen als satzeinleitender Konjunktor steht am Satzanfang, is ist in der Primärfunktion ein klitischer Konjunktor, der nur Phrasen miteinander verbinden kann. Hát ist die Kurzform des Konjunktionaladverbs tehát (also, folglich), das an verschiedene Stellen in den Satz eingeschoben werden kann. Das Wort hat auch an diesen Stellen seine Partikelfunktion bewahrt. Das bedeutet, dass sich die ungarischen Partikeln von der Primärfunktion des Wortes noch nicht so stark getrennt haben als die deutschen.

andere Bezeichnungen und Zuordnungen:

Partikeln stellen wahrscheinlich den uneinheitlichsten Bereich der Wortartenklassifikation. Grob gesagt lassen sich drei Ansätze ausmachen: beim weitesten Partikelbegriff werden alle unflektierbaren Einheiten, also auch Präpositionen, Junktoren, Adverbien, als Partikeln klassifiziert. Ein engeres Konzept grenzt Präpositionen, Junktoren und Adverbien aufgrund von Satzgliedwert oder syntaktischen Eigenschaften aus der Klasse der Partikeln aus, und drittens wird als Partikeln im engsten Sinn eine Restgruppe bezeichnet, die im wesentlichen mit den Klassen Abtönungspartikeln und Fokuspartikeln identisch ist.

Bestand und Beispiele:

doch, bloß, halt, mal, nicht, sehr, überaus, sogar, selbst, auch, erst, schon, also, übrigens, jedoch, aber ...

Also das ist doch auch nur langweilig.
Gefällt Ihnen das etwa nicht?
Sogar Elefanten werden hier sehr oft gesichtet.

morphologische Eigenschaften

Partikeln sind im Deutschen unflektierbar. Auch im Ungarischen können sie nicht weiter suffigiert werden, obwohl sie – ähnlich wie die Adverbien – durchaus über ein Suffix verfügen können.

syntaktische Eigenschaften

Allen Partikeln ist gemeinsam, dass sie keine Phrasen bilden können, dass sie nicht erfragbar und nicht selbstständig, zum Beispiel als Antwort auf eine Frage, verwendbar sind. Im Deutschen sind sie ferner – wie schon gezeigt wurde – alleine nicht vorfeldfähig und nur eingeschränkt verschiebbar. Im Ungarischen können sie in der Regel in ähnlichen syntaktischen Positionen stehen wie das gleiche Wort in den anderen Funktionen. Partikeln sind untereinander kombinierbar.

semantische und funktionale Eigenschaften

Die Subklassifizierung der Partikeln erfolgt in der Regel nach semantischen Gesichtspunkten. Die semantischen und funktionalen Eigenschaften von Partikeln sind je nach Subklasse sehr verschieden. Intensitätspartikeln (sehr, überaus, ungemein) wirken als Intensitätsmodifikatoren bei Adjektiven und Adverbien (sehr nützlich, überaus gern). Abtönungspartikeln (ja, halt, mal, doch, eben) operieren nicht auf der Satzbedeutung, sondern auf Erwartungen und Einstellungen des Sprechers und des Adressaten. Konnektivpartikeln (allerdings, aber, also, folglich, freilich, beziehungsweise, dennoch) haben die Funktion, spezifische inhaltliche Relationen zwischen Sätzen herzustellen. Mit Fokuspartikeln (annähernd, gerade, erst, mindestens) können Einstufungen/Gradierungen von Sachverhalten auf einer tatsächlichen oder fiktiven Skala vorgenommen werden.

Die Abgrenzung einiger Subklassen der Partikeln gegenüber der adverbial gebrauchten Adjektive in vergleichbarer Funktion ist oftmals schwierig:

Die Temperaturen in Novosibirsk waren überaus angenehm. (Intensitätspartikel)
Die Temperaturen in Novosibirsk waren außergewöhnlich angenehm. (adverbial gebrauchtes Adjektiv)

Intensitätspartikeln sind - wie alle Partikeln - grundsätzlich unflektierbar, Adjektive müssen in anderen Kontexten, nämlich dann, wenn sie attributiv verwendet werden, flektiert werden:

*die überausen / überaus Temperaturen von Novosibirsk
die außergewöhnlichen Temperaturen von Novosibirsk

Subklassen

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