Orthographie/Orthografie: Varianz von fremdsprachiger und integrierter Schreibung bei Gräzismen/Latinismen

Fremdwörter folgen in der Schreibung häufig den Laut-Buchstaben-Zuordnungen der Gebersprache, die vielfach auch in der Aussprache vom Deutschen abweicht. Ihre Schreibung wird aber in einigen Fällen – und Ähnliches gilt für die Aussprache – je nach Häufigkeit und Art der Verwendung auch integriert, also dem Deutschen angeglichen. Dies gilt vor allem für etablierte Fremdwort-Entlehnungen bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Besonders in den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts ist dann ein stetiger Rückgang integrierter Fremdwortschreibungen zu beobachten – insbesondere bei Entlehnungen aus dem Französischen, aber auch bei neu in die deutsche Sprache eingegangenen Anglizismen, Italianismen und Wörtern aus anderen modernen Fremdsprachen. Manche Fremdwörter werden sowohl in integrierter als auch in fremdsprachiger Schreibung verwendet – dies trifft vor allem auf Entlehnungen aus dem Griechischen und Lateinischen zu, häufig bei fachsprachlichen Begriffen.

Spezifisches Fallbeispiel: Phänomenbeschreibung

Wörter, die ursprünglich aus dem Griechischen/Lateinischen stammen (→ Gräzismen/Latinismen), zeigen Tendenzen sowohl der Isolation als auch der grammatischen und orthografischen Integration. Dabei sind drei konstante Muster auszumachen:

  1. Isolation mit der Beibehaltung von fremden Laut-Buchstaben-Zuordnungen, wie bei Apotheke, Physik, Thema
  2. Integration bei Wörtern des Allgemeinwortschatzes, insbesondere bei <c> zu <k>/<z>, wie bei Prozent, und bei <ph> zu <f>, wie in Elefant
  3. Systematische orthografische Varianz, die sich in einigen wesentlichen Bereichen im Schreibusus ausbreitet, so in der gesamten Gruppe phon/fon, photo/foto, graph/graf

Bei fachsprachlich gebrauchten Wörtern (Phonetik/Fonetik, Phonologie/Fonologie) dominiert eindeutig die fremdsprachige Variante. Bei fachsprachlich gebrauchten Wörtern mit hoher alltagsnaher Relevanz (Photovoltaik/Fotovoltaik, Mammographie/Mammografie) ist zunächst die fremdsprachige Variante dominant, nach gewisser Zeit zeigt sich eine Präferenz für die integrierte Variante. Bei Variantenschreibungen wie Mikrophon/Mikrofon, Biographie/Biografie ist bei Begriffen des Alltagswortschatzes im professionellen Schreibgebrauch die integrierte Schreibung vorherrschend.

Im Fall von Orthographie/Orthografie zeigt sich, dass die mit der → Rechtschreibreform 1996 zugelassene integrierte Schreibung deutlich zunimmt, in den Jahren 2000 bis 2010 in gleicher Frequenz wie die fremdsprachige Variante auftritt und ab 2012 im Schreibusus dominiert:

Vor 199619962004201120162024
Orthographie
Orthografie*

✓ = normgerechte Schreibung
* = zu dem Zeitpunkt nicht normgerechte Schreibung
– = bisher nicht normierte Schreibung

Dies ist jedoch nicht in allen Fällen dieser Phänomengruppe zu beobachten. Ein Beispiel aus dem Fachwortschatz Graphit – Grafit zeigt eine ausgeglichene Varianz im Schreibusus.

Vor 199619962004201120162024
Orthographie
Orthografie*

✓ = normgerechte Schreibung
* = zu dem Zeitpunkt nicht normgerechte Schreibung
– = bisher nicht normierte Schreibung

Die Rechtschreibung ist der einzige Bereich der deutschen Sprache, der amtlich normiert ist; ihre Regeln sind verbindlich für Schulen und Behörden. Das → Amtliche Regelwerk in seiner aktuellen Form wird vom → Rat für deutsche Rechtschreibung herausgegeben. Der Rat hat von den staatlichen Stellen der sieben Länder und Regionen mit Deutsch als Amtssprache den Auftrag erhalten, den Schreibgebrauch zu beobachten, Zweifelsfälle zu klären und aus der Schreibbeobachtung Konsequenzen für mögliche Anpassungen des Amtlichen Regelwerks zu ziehen. Ziel ist die Bewahrung der Einheitlichkeit der Rechtschreibung im gesamten deutschen Sprachraum.

Die ständige Beobachtung der Schreibentwicklung erfolgt auf Basis der größten digitalen Textkorpora zur deutschen Gegenwartssprache durch empirische Analyse des Orthografischen Kernkorpus (OKK).

Spezifisches Fallbeispiel: Phänomenbeschreibung

Bei → Fremdwörtern ist eine eindeutige Normierung nicht immer leicht zu fixieren, das gilt schon für etablierte Fremdwörter mit langem Integrationsvorlauf. Hier ist vor allem die Gruppe mit phon/fon, photo/photo, graph/graf interessant als Indikator für aktuelle Schreibwandeltendenzen, da diese Fallklasse seit 1996 in Varianz normgerecht ist. Im Korpus wird geprüft, welche Varianten im Schreibgebrauch in welcher Frequenz vorhanden sind, und es erfolgt eine Analyse der Übereinstimmungen bzw. Abweichungen von der jeweiligen Normierung im Amtlichen Regelwerk.

Der Vergleich in der Fallklasse graph/graf zeigt eine ausgeglichene Varianz von fremdsprachiger und integrierter Schreibung. Mit Ausnahme weniger Fallbeispiele (Grafik) werden sowohl die fremdsprachige wie die integrierte Schreibung in erheblichen Anteilen genutzt – bei leichter Zunahme der integrierten Varianten, so bei Orthografie. Integrationstendenzen setzen sich in dieser Gruppe in den letzten 5 Jahren verstärkt fort, vor allem wenn Wörter mit hoher Frequenz vom Fach- in den Allgemeinwortschatz übergehen Der Schreibgebrauch folgt der natürlichen Fremdwort-Entwicklung, die Normierung entspricht dem Usus.

Regelformulierung und Kodifizierung

Die Kodifizierung von Gräzismen/Latinismen im Amtlichen Regelwerk bildet den aktuellen Schreibgebrauch ab. Bei der Fallgruppe phon/fon, photo/foto, graph/graf sind im Wörterverzeichnis jeweils beide normgerechte Varianten gleichrangig aufgeführt. Die Regelformulierung von Fremdwortvarianten wurde im aktuellen Amtlichen Regelwerk entsprechend angepasst.

Unter § 32(2) sind solche Variantenschreibungen verzeichnet:

Besondere Einzelfestlegungen, bspw. fachsprachlicher Gebrauch, werden im Amtlichen Wörterverzeichnis ausgezeichnet: