liken – faken – timen: Flexion von aus dem Englischen entlehnten Verben
Fremdwörter folgen in der Schreibung häufig den Laut-Buchstaben-Zuordnungen der Gebersprache, die vielfach auch in der Aussprache vom Deutschen abweicht. Ihre Schreibung wird aber in einigen Fällen – und Ähnliches gilt für die Aussprache – je nach Häufigkeit und Art der Verwendung auch integriert, also dem Deutschen angeglichen. Dies gilt vor allem für etablierte Fremdwort-Entlehnungen bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Besonders in den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts ist dann ein stetiger Rückgang integrierter Fremdwortschreibungen zu beobachten – insbesondere bei Entlehnungen aus dem Französischen, aber auch bei neu in die deutsche Sprache eingegangenen Anglizismen, Italianismen und Wörtern aus anderen modernen Fremdsprachen. Manche Fremdwörter werden sowohl in integrierter als auch in fremdsprachiger Schreibung verwendet – dies trifft vor allem auf Entlehnungen aus dem Griechischen und Lateinischen zu, häufig bei fachsprachlichen Begriffen.
Spezifisches Fallbeispiel: Phänomenbeschreibung
Fremdwort-Neologismen befinden sich noch im Prozess der Integration in den deutschen Wortschatz. Anglizismen stellen dabei aktuell die weitaus größte Zahl von Entlehnungen aus anderen Sprachen und zeigen ein besonderes Integrationsverhalten. So sind in der Laut-Buchstaben-Zuordnung so gut wie keine Anpassungsprozesse mehr zu beobachten, jedenfalls nicht bei den Wortstämmen. Nur bei der Flexion von Verben kann eine systematische Anpassung an deutsche Laut-Buchstaben-Zuordnungen beobachtet werden, wodurch die Integration in syntaktische Strukturen des Deutschen ermöglicht wird.
Dies zeigt sich beispielhaft bei den Partizip-II-Formen von Verben aus dem Englischen, die vermehrt im Deutschen Verwendung finden, etwa getimt, gefakt oder gelikt:
Wie an diesem authentischen Fallbeispiel aus dem Orthografischen Kernkorpus bereits deutlich wird, sind viele Entlehnungen aus dem Englischen mit Innovationen im Rahmen von Internationalisierung und Globalisierung, etwa technischen Neuerungen, verknüpft, liken beispielsweise mit Social-Media-Anwendungen. So sind die Partizip-II-Formen von liken erst ab etwa 2012 in nennenswerter Zahl belegt:
Häufig bilden sich dabei erst allmählich Präferenzen für bestimmte Varianten im Schreibgebrauch ab. Der Stand dieser Entwicklung variiert unter anderem danach, wann das Wort oder die Wortverbindung ins Deutsche übernommen worden ist. Im Vergleich der Partizip-II-Formen von liken und timen zeigt sich dies besonders deutlich:
Während sich bei der Partizip-II-Form von liken ab 2017 schon eine Verschiebung hin zur Integrationsschreibung gelikt ausmachen lässt, dominiert im selben Beobachtungszeitraum für das bereits 1995 mehrfach belegte timen (10 Belege) bereits durchgängig die integrierte Variante getimt.
Die Rechtschreibung ist der einzige Bereich der deutschen Sprache, der amtlich normiert ist; ihre Regeln sind verbindlich für Schulen und Behörden. Das → Amtliche Regelwerk in seiner aktuellen Form wird vom → Rat für deutsche Rechtschreibung herausgegeben. Der Rat hat von den staatlichen Stellen der sieben Länder und Regionen mit Deutsch als Amtssprache den Auftrag erhalten, den Schreibgebrauch zu beobachten, Zweifelsfälle zu klären und aus der Schreibbeobachtung Konsequenzen für mögliche Anpassungen des Amtlichen Regelwerks zu ziehen. Ziel ist die Bewahrung der Einheitlichkeit der Rechtschreibung im gesamten deutschen Sprachraum.
Die ständige Beobachtung der Schreibentwicklung erfolgt auf Basis der größten digitalen Textkorpora zur deutschen Gegenwartssprache durch empirische Analyse des Orthografischen Kernkorpus (OKK).
Spezifisches Fallbeispiel: Phänomenbeschreibung
Bei → Fremdwörtern ist eine eindeutige Normierung nicht immer leicht zu fixieren, das gilt schon für etablierte Fremdwörter mit langem Integrationsvorlauf, noch mehr für Fremdwort-Neologismen. Diese befinden sich noch im Prozess der Integration in den deutschen Wortschatz, und sie sind noch nicht in Regelwerken und Wörterverzeichnissen kodifiziert. Im Übergang von der Geber- zur Nehmersprache zeichnen sie sich i. d. R. zunächst durch das Vorkommen mehrerer Schreibvarianten aus. Im Korpus wird geprüft, welche Varianten im Schreibgebrauch in welcher Frequenz vorhanden sind, und es erfolgt eine Analyse der Übereinstimmungen mit bzw. Abweichungen von der für ähnlich gelagerte Fälle im Deutschen fixierten jeweiligen Normierung im Amtlichen Regelwerk.
Die Partizip-II-Formen von → Anglizismen waren bis zur Neufassung des Amtlichen Regelwerks 2024 nicht normiert. Um eine systematische und umfassende Regelung zu erreichen, erfolgt die Normierung mit verschiedenen methodischen Zugängen: So werden möglichst viele Wörter oder Wortverbindungen eines Phänomens zu Fallgruppen zusammengefasst. Dies dient dazu, mögliche Ursachen dafür auszumachen, warum innerhalb von Fallgruppen unterschiedliche Präferenzen bestehen können, und dies bei der Regelformulierung zu berücksichtigen. Bei der Analyse der Partizip-II-Formen von Verben aus dem Englischen konnte auf diesem Weg ermittelt werden, dass die Schreibung mit -ed (geliked) vor allem bei solchen Fällen auftritt, bei denen im Englischen im Infinitiv ein sogenanntes stummes e vorliegt (to like, to time, to fake etc.).
Die Präferenz für die integrierte Flexionsendung hängt auch davon ab, ob und wie lange bereits Infinitivformen oder Ableitungen im deutschen Wortschatz belegt sind.
Vergleicht man Partizip-II-Formen von Verben, die ein ‚stummes e‘ enthalten (rechts) mit solchen, bei denen dies nicht der Fall ist (links), zeigen sich deutliche Unterschiede. Während in der Gruppe ohne stummes e die Integration der Flexionsendung weit fortgeschritten ist (sie mailte, er jobbte, sie hat den Text eingescannt), sind bei Verben aus der Gruppe mit stummem e noch englische Flexionsendungen in relevanter Zahl sowie einige teilintegrierte Formen belegt:
Um bei der Regelformulierung diesen Schreibgebrauch angemessen zu berücksichtigen, wurde eine Grundregel erweitert (§ 21 E2 (1)). Darüber hinaus konnten noch weitere Partizip-II-Formen identifiziert werden, bei denen die fremdsprachige Schreibung mit -ed systematisch überwiegt – nämlich solche, die vorwiegend unflektiert gebraucht werden (§ 21 E2(2)).
Regelformulierung und Kodifizierung
Vor allem Fremdwort-Neologismen erfordern häufig eine Differenzierung und Flexibilisierung der Norm: In Zweifelsfällen, in denen zwei Schreibungen im Gebrauch relevant vertreten sind, erfolgt eine Öffnung zur Varianz: Bei der Flexion von Anglizismen ist in einigen Fällen auch die fremdsprachige Variante der Gebersprache zulässig.