gelbe/Gelbe Karte: GKS bei Nominationsstereotypen

Der Bereich → Groß- und Kleinschreibung regelt neben grundsätzlichen Prinzipien auch die Fälle, in denen üblicherweise großgeschriebene Wörter kleingeschrieben werden (etwa Desubstantivierungen), und solche, in denen üblicherweise kleingeschriebene Wörter großge­schrieben werden. Unter Letzteren nehmen feste Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv (sog. Nominationsstereotype) einen wichtigen Platz ein, denn es entstehen häufig Zweifels­­fälle im Hinblick darauf, ob das Adjektiv in der Verbindung klein- oder großgeschrieben werden soll.

Feste Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv können drei Fallgruppen zugeordnet werden, deren Unterscheidung nicht immer leicht ist: Verbindungen mit kleinzu­schreibendem Adjektiv, Verbindungen mit großzuschreibendem Adjektiv und solche, in denen beide Schreibungen korrekt sind.

Grundsätzlich kleingeschrieben werden feste Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv, die als Ganzes eine begriffliche Einheit bilden, wenn sie wörtlich gebraucht werden. Auch bei metaphorischem oder metonymischem Gebrauch, das heißt, wenn einer der beiden Bestandteile der Verbindung eine figurative Bedeutung hat oder die Verbindung als Ganzes figurativ gebraucht wird, wird kleingeschrieben (der genetische Fingerabdruck, die graue Maus).

Grundsätzlich großgeschrieben werden feste Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv zum Beispiel in Eigennamen und bei Titeln, Ehren- und Amtsbezeichnungen sowie bei offiziellen sowie kirchlichen Feier- und Gedenktagen (die Königliche Hoheit, der Erste Mai).

Wahlfreiheit zwischen Groß- und Kleinschreibung besteht bei einer (wachsenden) Gruppe von festen Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv, die als Ganzes eine begriffliche Einheit bilden, nämlich bei Funktionsbezeichnungen, bei Benennungen für besondere Anlässe und Kalendertage sowie bei ritualisierten Ausdrücken ohne Artikel in Verbindung mit Verben des Sagens. Vor allem aber gehören in diese Gruppe Verbindungen mit einer idiomatisierten Gesamtbedeutung und viele fachsprachlich oder terminologisch gebrauchte Verbindungen (die technische/Technische Direktorin, die goldene/Goldene Hochzeit, frohe/Frohe Weihnachten wünschen, die innere/Innere Medizin).

Spezifisches Fallbeispiel: Phänomenbeschreibung

In die Gruppe der fachsprachlich oder terminologisch gebrauchten festen Verbindungen, die in § 63(2.2) des Amtlichen Regelwerks erfasst ist, gehört die gelbe/Gelbe Karte. Diese hat zwar eine gelbe Farbe, der Begriff ist aber vor allem im Bereich des Sports verbreitet und weist dort eine klar definierte Bedeutung auf.

Die empirische Analyse im Orthografischen Kernkorpus (OKK) zeigt einen stetigen Anstieg der bereits vor 1996 präsenten, aber erst 2006 als normgerecht zugelassenen Großschreibung des Adjektivs im Fachbereich Sport. Seit der Fixierung der Verbindung als „fachsprachlich“ steigt der Anteil der Großschreibung kontinuierlich von 50% auf 80% im Jahr 2020. Die Neuregelung des Bereichs Nominationsstereotype folgt offenbar dem allgemeinen Schreibgebrauch und der Interpretation des Begriffs gelbe/Gelbe Karte von Seiten der Schreibenden als terminolo­gische Verbindung.

Die Rechtschreibung ist der einzige Bereich der deutschen Sprache, der amtlich normiert ist; ihre Regeln sind verbindlich für Schulen und Behörden. Das → Amtliche Regelwerk in seiner aktuellen Form wird vom → Rat für deutsche Rechtschreibung herausgegeben. Der Rat hat von den staatlichen Stellen der sieben Länder und Regionen mit Deutsch als Amtssprache den Auftrag erhalten, den Schreibgebrauch zu beobachten, Zweifelsfälle zu klären und aus der Schreibbeobachtung Konsequenzen für mögliche Anpassungen des Amtlichen Regelwerks zu ziehen. Ziel ist die Bewahrung der Einheitlichkeit der Rechtschreibung im gesamten deutschen Sprachraum.

Die ständige Beobachtung der Schreibentwicklung erfolgt auf Basis der größten digitalen Textkorpora zur deutschen Gegenwartssprache durch empirische Analyse des Orthografischen Kernkorpus (OKK).

Spezifisches Fallbeispiel

Bei Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv, die als Ganzes eine begriffliche Einheit bilden, ist eine eindeutige Normierung nicht immer leicht zu fixieren, denn die Übergänge von metaphorischem oder metonymischem Gebrauch (mit Kleinschreibung des Adjektivs) zu Verbindungen mit einer idiomatisierten oder terminologischen Gesamtbedeutung sind fließend. Hier muss empirisch ermittelt werden, welche solcher Verbindungen sich mit Adjek­tiv­kleinschreibung und welche sich mit Großschreibung durchgesetzt haben. Im Korpus wird geprüft, welche Varianten im Schreibgebrauch in welcher Frequenz vorhanden sind, und es erfolgt eine Analyse der Übereinstimmungen bzw. Abweichungen von der jeweiligen Normierung im Amtlichen Regelwerk.

Im Fall von gelbe/Gelbe Karte sind beide Schreibungen in relevanter Frequenz belegt; die Schreibbeobachtung zeigt aber seit 2006 einen signifikanten Anstieg der Großschreibung: Bei dieser Fügung liegt eine Interpretation als Nominationsstereotyp mit fachspezifischer Bedeutung nahe.

Regelformulierung und Kodifizierung

Im Bereich der Groß- bzw. Kleinschreibung des Adjektivs in festen Verbindungen lassen sich klare Tendenzen hinsichtlich von Präferenzen im Schreibusus ausmachen: Eine kontinuierliche Zunahme der Großschreibung ist häufig auch dann zu erkennen, wenn beide Schreibungen zulässig sind. Aber auch die Kleinschreibung des Adjektivs lässt sich begründen. Dem hat bereits die Regelerweiterung von 2006 mit der Zulassung von Varianz Rechnung getragen.

Unter § 63(2.2) sind Beispiele für solche Variantenschreibungen verzeichnet, es wird aber in E2 und E3 auch explizit darauf verwiesen, dass es zudem fachsprachliche Bezeichnungen mit entweder ausschließlicher Kleinschreibung oder ausschließlicher Großschreibung gibt. Die Modifikation des Komplexes Nominationsstereotype im Jahr 2010 führt weitere Anwendungs­beispiele auf, die den aktuellen Schreibusus widerspiegeln und die entsprechende Regelung erweitern.