Funktionen des Genus
In vielen Grammatiken wird "auf die geringe Funktionalität der Kategorie Genus verwiesen" (Weber 2001, 91). Hätte aber das Genus keine wesentliche Funktion, so "wäre es redundant und man sollte zumindest Tendenzen zum Abbau dieser dann überflüssigen Kategorie erwarten können. Dies ist aber nicht der Fall" (ebd., 113). Welche Funktion also hat das Genus? Dazu gibt es verschiedene Theorien.
Semantische Theorien
Mitunter wird angenommen, das Genus habe die semantische Funktion, das natürliche Geschlecht, den Sexus des Bezeichneten auszudrücken. Wie man sich schnell klar machen kann, ist das wenig plausibel. Siehe Genus und Sexus.
Weber 2001 postuliert ebenfalls eine semantische Funktion. Sie nimmt in Anlehnung an Demetracopouloulee 1942 (zit. bei Weber 2001, 120) an, das Genus akzentuiere den "nominalen Aspekt" der "Partikularisiertheit": Partikularisierend sind in ihrem Sinne alle zählbaren "Individuata mit distributivem Plural", nicht partikularisierend sind alle nicht zähl-, aber teilbaren Abstrakta. Webers Hypothese nach akzentuiert das Maskulinum als nichtmarkiertes Genus tendenziell die nichtmarkierten Individuata, das Femininum als markiertes Genus die markierten Abstrakta. Das Neutrum ist dabei eine Mischklasse; es trägt "Anteile von beiden Oppositionspolen" (ebd., 117). Diese Hypothese hat den Vor- wie Nachteil, relativ allgemein zu sein, denn die Einteilung der Welt in individuelle und abstrakte Entitäten ist natürlich eine eher grobe Einteilung. Auch ist die Funktion der Klasse Neutrum als Zwischenkatgeorie äußerst vage beschrieben.
Syntaktische Theorien
Weiter wird angenommen, das Genus habe eine syntaktische Funktion: Hinsichtlich des Genus besteht ja zwischen dem Nomen und seinen korrespondierenden Einheiten ein Rektionsverhältnis; das Genus des Nomens legt fest, welche Genusmarker die korrespondierenden Einheiten erhalten. So legt das maskuline Schrank fest, dass Einheiten wie der definite Artikel oder das attributive Adjektiv maskulin markiert werden, z.B. in der Schrank, ein grüner Schrank. Die rektionale Korrespondenz zwischen Nomen und seinen Einheiten zeigt innerhalb einer Nominalphrase wie ein grüner Schrank an, durch welche Einheiten genau das Nomen determiniert oder modifiziert wird. Auch wird "mit dem Genus des Artikels schon am Anfang des Nominals klar, welche Art von Substantiv abgewartet werden muss, damit die Klammer schließt", z.B. der besonders an den Ergebnissen unserer Arbeitsgruppe interessierte Minister (Eisenberg 1999, 155).
Außerhalb einer Nominalphrase - im Satz, im Text oder Diskurs - stellt das Genus darüber hinaus einen Referenzbezug zwischen Nomen und externen korrespondierenden Einheiten her. So verdeutlicht das Genus den anaphorischen Zusammenhang zwischen Schrank und er im Kontext Der Schrank ist mir unheimlich. Er knarrt nachts so laut.