Kategorien und Funktionen der Flexionsmorphologie
Kategorien von Wortformen
Wortformen können mit Hilfe bestimmter grammatischer Kategorien (z. B. Plural, Dativ, Präsens) klassifiziert werden. Von Flexionskategorien ist die Rede, wenn solche Kategorien mit flexionsmorphologischen Mitteln an den Wortformen gekennzeichnet werden und auf diese Weise Flexionsparadigmen bilden.
Kategorisierungen (im Sinne von Eisenberg 1989) bezeichnen Mengen von bestimmten Kategorien. Im Deutschen sind beispielsweise für die (nominale) Kategorisierung Kasus die Flexionskategorien Nominativ, Akkusativ, Dativ und Genitiv realisiert, für die (verbale) Kategorisierung Tempus sind dies Präsens und Präteritum (die anderen Tempora werden analytisch gebildet). In anderen flektierenden Sprachen können andere Kategorisierungen oder Kategorisierungen mit jeweils anderen Flexionskategorien realisiert sein.
Bei den grammatischen Kategorien ist die Unterscheidung zwischen Paradigmen- und Einheitenkategorien relevant. Paradigmenkategorien sind bestimmte grammatische Eigenschaften, die allen Wortformen des Paradigmas, also dem vollständigen Wortparadigma zukommen. Einheitenkategorien hingegen sind Kategorien der Flexion, mit denen ein Paradigma intern ausdifferenziert wird.
Bei einem Nomen unterliegen alle Wortformen derselben Genuskategorie: das Nomen Fisch zum Beispiel ist immer maskulin. Das Genus eines Artikels ist jedoch veränderlich, es wird in der Nominalphrase vom Nomen regiert, d. h. es bekommt dessen Genus zugewiesen. Die Genuskategorien sind für Artikel, Adjektive und einen Teil der Pronomina Flexionskategorien. Sie werden in diesem Fall auch Einheitenkategorien genannt, denn sie können innerhalb eines Paradigmas einzelne Einheiten, nämlich die Wortformen differenzieren. Das Genus des Nomens ist inhärent und demnach eine Paradigmenkategorie, das Genus des Artikels eine Einheitenkategorie.
Zu den Paradigmenkategorien gehören auch wortartspezifische Subklassen von Verben (Voll-, Hilfs-, Modal- und Kopulaverb) und von Artikeln (Definiter Artikel, Indefiniter Artikel, Demonstrativ-Artikel etc.)
Grundsätzliche Fragen zum Thema: Was versteht man unter Kategorien und Kategorisierungen?
Flexionsparadigmen
Alle Wortformen, die zu einem Lexem gehören, bilden sein Flexionsparadigma. Flexionsparadigmen verbaler Lexeme werden durch analytische (periphrastische) Bildungen ergänzt (z. B. habe gerufen, werde rufen und werde gerufen). Da diese aber aus mehreren Wortformen bestehen, sind sie syntaktische und keine morphologischen Konstruktionen und als solche nicht Gegenstand dieser Thematischen Einheit.
Wortformen lassen sich meist durch mehrere Flexionskategorien beschreiben, die zu verschiedenen Kategorisierungen gehören. Lexeme flektieren je nach Wortart dabei in Bezug auf unterschiedliche Gruppen von Kategorisierungen. In der folgenden Tabelle werden den einzelnen flektierbaren Wortarten Kategorisierungen zugeordnet, die traditionell für das Deutsche als relevant angesehen werden:
Wortart | Für die Flexion relevante Kategorisierungen | mit analytischer Bildung |
Nomen | Genus*, Numerus, Kasus | |
Pronomen | Genus, Numerus, Kasus | |
Artikel | Genus, Numerus, Kasus | |
Adjektiv | Komparationsstufe, Genus, Numerus, Kasus | |
Verb | Person, Verbnumerus, Tempus, Verbmodus | Genus verbi |
Nominalflexion | Verbflexion | analytische Bildung | * Genus ist beim Nomen keine Flexionskategorie, sondern inhärent (Paradigmenkategorie). |
Die folgende Tabelle zeigt die Kategorisierungen (norw.: kategorier), die traditionell für das Norwegische (bokmål) als relevant angesehen werden:
Wortart | Für die Flexion relevante Kategorisierungen | mit analytischer Bildung |
Nomen | Genus*, Numerus, Definitheit | |
Pronomen | Genus, Numerus, Kasus (eingeschränkt) | |
Artikel | Genus, Numerus | |
Adjektiv | Komparationsstufe, Genus, Numerus | neben morphologischer auch analytische Bildung der Komparationsstufe |
Verb | Tempus/Verbmodus (im Norwegischen nicht klar zu trennen), Genus verbi (s-Passiv) | Genus verbi |
Nominalflexion | Verbflexion | analytische Bildung | * Genus ist beim Nomen keine Flexionskategorie, sondern inhärent (Paradigmenkategorie). |
In der nächsten Tabelle werden den einzelnen Kategorisierungen Flexionskategorien zugeordnet, die traditionell für das Deutsche postuliert werden:
Kategorisierung | Flexionskategorien | Kategorien mit analytischer Bildung |
Numerus | Singular, Plural | |
Kasus | Nominativ, Akkusativ, Dativ, Genitiv | |
Genus | Maskulinum, Neutrum, Femininum | |
Komparationsstufe | Positiv, Komparativ, Superlativ | |
Person | 1., 2., 3. | |
Verbnumerus | Singular, Plural | |
Tempus | Präsens, Präteritum | Präsensperfekt, Präteritumperfekt, Futur, Futurperfekt |
Verbmodus | Indikativ, Imperativ, Konjunktiv | |
Genus verbi | Aktiv, Passiv |
Deklination | Komparation | Konjugation | analytische Bildung |
In der folgenden Tabelle werden den Kategorisierungen Flexionskategorien (norw.: trekk) zugeordnet, die traditionell für das Norwegische (Sprachvariante bokmål) postuliert werden:
Kategorisierung | Flexionskategorien | Kategorien mit analytischer Bildung |
Numerus | Singular, Plural | |
Kasus | Nominativ, Akkusativ, Genitiv: – Nominativ und Akkusativ nur bei Pronomina (zur Unterscheidung von Subjekt und direktem Objekt bei anaphorischen Personalpronomina), – Genitiv nur bei Possessiva, d. h. zur Unterscheidung von anaphorischen Personalpronomina/Demonstrativpronomina und Possessiva (vgl. Flexion der Artikel, norwegisches Modul), – der Possessiv-/Subordinationsmarker -s bei den Nomina gilt nicht als morphologischer Kasusmarker (Genitiv), sondern wird als syntaktisches Phänomen aufgefasst (vgl. Kasusflexion, norwegisches Modul) | |
Definitheit | indefinit, definit (bei Nomina) | |
Genus | System mit drei Genera: Maskulinum, Femininum,
Neutrum System mit zwei Genera: Genus commune, Neutrum | |
Komparationsstufe | Positiv, Komparativ, Superlativ | Komparativ, Superlativ (analytische Bildung neben morphologischer) |
Tempus | Präsens (norw.: presens), Präteritum (norw.: preteritum) | Präsensperfekt (norw.: presens perfektum), Präteritumperfekt (norw.: preteritum perfektum), Futur (norw.: presens futur), Futurperfekt (norw.: presens perfektum futurum) |
Verbmodus | Indikativ (es gibt keine eigenständigen Konjunktivformen im Norwegischen, Tempusformen können konjunktivische Bedeutung haben, vgl. Hilfsverben im Verbalkomplex, norwegisches Modul), Imperativ, | |
Genus verbi | s-Passiv | Aktiv, analytische Form des Passivs |
Deklination | Komparation | Konjugation | analytische Bildung |
Deklination, Komparation und Konjugation sind Formen der Flexion, die für bestimmte Wortarten relevant sind und jeweils bestimmte Kategorisierungen umfassen. Die Flexion der Nomina sowie der nominal bzw. adnominal gebrauchten Wortarten Pronomen, Artikel und Adjektiv nach Kasus und Numerus wird Deklination genannt. Unter Komparation versteht man die Steigerung des Adjektivs. Die Flexion der Verben wird Konjugation genannt.
Eine Wortform ist in Bezug auf ihre wortformspezifische grammatische Funktion oft nicht eindeutig, das heißt, dass sie unterschiedliche Kategorien verschiedener Kategorisierungen repräsentieren kann. Diese Erscheinung wird Synkretismus genannt. In solchen Fällen wird die Wortform durch ihre Verwendung in Ausdruckseinheiten wie Phrasen oder Sätzen in der Regel disambiguiert, das heißt, eine konkret vorkommende Wortform wird durch den Kontext auf bestimmte Kategorien festgelegt:
Stockfische
Genus (inhärent): Maskulinum;
Numerus: Plural; Kasus: Nominativ, Akkusativ oder Genitiv?
Diese Stockfische prägen das Bild der Lofoten. [Vorarlberger
Nachrichten, 24.10.1998]
Genus (inhärent): Maskulinum; Numerus: Plural; Kasus:
Nominativ.
Nach dem Wenden der Stockfische wird der Behälter mit
Plastikfolie abgedeckt und für 12 Stunden im Kühlschrank aufbewahrt. [www.soleeluna.net/kochrezepte/rezepte_ kochen_italien/rezepte_italien_10080002.php, 13.10.2004] | → Kasus: Genitiv |
Viele Schläge machen die Stockfische weich. [www.operone.de/spruch/spr/sprv02.htm , 13.10.2004] | → Kasus: Akkusativ |
Die deutschen Flexionsmarker dienen v.a. zur Differenzierung von Wortformen innerhalb eines Paradigmas, eine einheitliche kategorienbezogene Funktion einzelner Marker ist in der Regel nicht gegeben. Manche Marker dienen allerdings der Markierung von weniger Kategorien, d. h. sie sind spezifischer als andere (vgl. Synkretismen), z. B. -em (Nominalflexion: Dat., Sg., Mask./Neut.) vs. -en (Nominalflexion: alle Kasus, Numeri und Genera außer Nom. Sg.; Verbflexion).
Sprachübergreifend existieren oft asymmetrisch ausdifferenzierte Flexionsparadigmen bei den Kategorien einer Kategorisierung. Bei Kategorisierungen, z. B. Numerus (Singular, Plural) oder Tempus (Präsens, Präteritum), werden in einer Kategorie dann mehr Formdifferenzierungen vorgenommen als in der jeweils anderen. Im Plural wird z. B. bei Artikeln und Adjektiven keine Genusunterscheidung vorgenommen:
der Hund | ↘ | ein großer Hund | ↘ | |||
die Katze | → | die Hunde/Katzen/Pferde | eine große Katze | → | große Hunde/Katzen/Pferde | |
das Pferd | ↗ | ein großes Pferd | ↗ |
In den markierten Kategorien des Verbs - Plural, Präteritum und Konjunktiv - fallen die Flexionsendungen der 1. und 3. Person zusammen, z. B.:
Singular | Plural | Präsens | Präteritum | Indikativ | Konjunktiv | |||||||
(Nicht-Adressat) | 1.Ps. 3.Ps. | lache lacht | ↘ ↗ | lachen | lache lacht | ↘ ↗ | lachte | lache lacht | ↘ ↗ | lache | ||
(Adressat) | 2.Ps. | lachst | → | lacht | lachst | → | lachtest | lachst | → | lachest |
Die weniger ausdifferenzierten Kategorien, in den obigen Beispielen Plural und Präteritum, stellen die markierten Kategorien dar. Im Gegensatz zu den unmarkierten sind die markierten Kategorien wortartabhängig außerdem ikonisch durch einen zusätzlichen Flexionsmarker gekennzeichnet, z. B. die Pluralmarker am Nomen oder der Präteritalmarker bei schwachen Verben.
Bestimmte Kategorisierungen können auch noch differenzierter betrachtet werden. Klassifikationen in der neueren Literatur (vgl. Wiese 1996, Zifonun 2001, Hoberg 2004) berufen sich dabei u.a. auf den Aufbau der Flexionsparadigmen (vgl. Synkretismus). Sie nehmen über die traditionellen Sichtweise hinausgehende Differenzierungen und Hierarchisierungen vor, indem sie traditionelle Kategorien zu sog. Oberkategorien zusammenfassen, deren Formdifferenzierungen auch häufig die Markiertkeitsverhältnisse der Klassifikationen wiedergeben:
Genus: Femininum vs. Nicht-Femininum (Neutrum/Maskulinum)
Kasus:
Obliquus (Dativ/Genitiv) vs. Nicht-Obliquus (Nominativ/Akkusativ); Objektivus (Akkusativ/Dativ) vs.
Nicht-Objektivus (Nominativ/Genitiv).
Person: Adressat (2.Ps.) vs. Nicht-Adressat
(1./3.Ps.); Kommunikant (1.Ps./2.Ps.) vs. Nicht-Kommunikant (3.Ps.)
Komparationsstufe:
Positiv vs. Nicht-Positiv (Komparativ/Superlativ)
Während die traditionellen Grammatiken zwischen (lat.) casus rectus (Nominativ) und casus obliquus (die Kasus ohne den Nominativ: Akkusativ, Dativ, Genitiv) unterscheiden, fassen die oben erwähnten Darstellungen für das Deutsche nur die obliquen Kasus Dativ und Genitiv zu einem 'Oberkasus' Obliquus zusammen. Der Akkusativ wird gemeinsam mit dem Nominativ als Nicht-Obliquus bezeichnet. In Verbindung mit der Unterscheidung zwischen Objektivus/Nicht-Objektivus (vgl. die sog. 'Objektkasus' Akkusativ/Dativ) lassen sich die vier deutschen Kasus auf zwei Merkmale (oblique/objektiv) reduzieren, was sich als hilfreich bei der Erfassung der systematischen Kasus-Synkretismen erweist.
Ein Beispiel für asymmetrische Formdifferenzierung im Norwegischen (Sprachvariante bokmål) ist die Genusunterscheidung im Singular vs. Plural. Im Plural wird z. B. bei der Determinationsmarkierung an Nomina, sowie bei Adjektiven keine Genusunterscheidung vorgenommen
hunden – Mask. (der Hund) | ↘ | en stor hund – Mask. (ein großer Hund) | ↘ | |||
katta – Fem. (die Katze) katten – Genus comm. (die Katze) | → | hundene/kattene/neshornene (die Hunde/Katzen/Nashörner) | ei stor katt – Fem. (eine große Katze) en stor katt – Genus comm. (eine große Katze) | → | store hunder/katter/neshorn (große Hunde/Katzen/Nashörner) | |
neshornet – Neutr. (das Nashorn) | ↗ | et stort neshorn – Neutr. (ein großes Nashorn) | ↗ |
Neben den traditionell für das Deutsche postulierten Flexionskategorien gibt es noch weitere Merkmale, die sich im Deutschen in der Flexion manifestieren, d. h. je nach Wortart Einfluss auf die Flexion entsprechender Wortformen hat. Dazu zählen z. B. Sexus (natürliches Geschlecht), Belebtheit und Personalität. Neben der flexionsmorphologischen Kennzeichnung dieser Merkmale gibt es noch andere Möglichkeiten der Markierung, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann (z. B. lexikalisch oder mittels Wortbildung).
Sexus ist ein außersprachliches Merkmal, das Bezug auf das biologische Geschlecht von Lebewesen nimmt und nicht mit dem Genus ("grammatikalisches Geschlecht") zu verwechseln ist. Es wird aber in einigen Fällen flexionsmorphologisch mit Hilfe der Genusmarkierung ausgedrückt:
- bei Adjektiven/Partizipien in nominaler Verwendung, z. B.: Angestellte/Angestellter
- bei anaphorischen Personal- oder Possessivpronomina mit Bezugsausdrücken, deren Genus vom Sexus abweichen, z. B.: das Mädchen es/sie, sein/ihre
- Demonstrativ- und W-Pronomina als Relativ-Elemente: "Die meisten Ärzte haben nicht das Wissen, das Hebammen haben. Ich hatte von klein auf einen richtigen Horror vor der Geburt und wollte jemanden, die mich leitet." [Frankfurter Rundschau, 24.07.1999]
Belebtheit spielt eine besondere Rolle bei der Flexion der Nomina. Nomina der n-Kasusflexion (Nebenklasse -(e)n/-(e)n) sind hauptsächlich belebte Maskulina, z. B. Mensch/Menschen, Bär/Bären, Student/Studenten.
Personalität ist z. B. ein Kriterium bei der Wahl der W-Pronomina wer (Person) oder was (Nicht-Personales). Betrachtet man die Formen wer/wen und was als nach Personalität differenzierte Flexionsformen ein und desselben W-Pronomens, so kann man in diesem Fall von Personalität als Flexionskategorie sprechen. In ihrem Flexionsparadigma wird aber nur im Nominativ/Akkusativ nach Personalität unterschieden. Aber auch die Unterscheidung zweier disktinkter Pronomina wer und was mit teilweise formgleichen Flexionsformen (Dat./Gen.) ist denkbar. In diesem Fall wäre das Merkmal keine Flexionskategorie im eigentlichen Sinne. Personalität als inhärentes Merkmal liegt bei den Indefinit-Pronomina jemand, niemand (Person) und etwas, nichts (Nicht-Personales) vor.
Sexus (natürliches Geschlecht), Belebtheit und Personalität können auch als Merkmale des "konkreten" Genus, das auf Außersprachliches Bezug nimmt, bezeichnet werden, während sich das "abstrakte" Genus ("grammatikalisches Geschlecht") auf die Sortierung nach den Genuskategorien Maskulinum, Neutrum und Femininum bezieht.
Das Merkmal der Definitheit kennzeichnet einen Gegenstand als bestimmt, d. h. eindeutig identifizierbar. Definitheit stellt ein Kriterium bei der semantischen Subklassifizierung von Artikeln und Pronomina dar. Diese können die Bestimmtheit/Unbestimmtheit der mit ihnen korrespondierenden Nomina ausdrücken. Indefinit sind die Quantifikativa, W-Artikel /Pronomina sowie der indefinite Artikel und die Indefinit-Pronomina. Die anderen Artikel und Pronomina (z. B. Demonstrativa, Possessiva, Personalpronomina usw.) sind definit.
Für die Wortgruppenflexion ist relevant, dass Eigennamen grundsätzlich definit sind, d. h. sie bedürfen keiner näheren Bestimmung durch Artikel und bilden eine eigene Flexionsklasse.
Aspekt, als eine Kategorisierung der Verbflexion, mit der Ereignisse perspektiviert werden (Außen-/Binnenperspektive), ist im Deutschen im Gegensatz zu vielen anderen Sprachen kaum grammatikalisiert und wird gegebenenfalls lexikalisch (z. B. durch Temporaladverbialia, Partikeln wie gerade) oder durch die Verlaufsform (z. B. er war am Kochen) ausgedrückt. Es bestehen auch Verbindungen zwischen Aspekt und der Wahl der Tempora. Von Aspekt oft nicht genau zu trennen ist die verbale Kategorisierung Aktionsart, die Bezug auf den Zeitverlauf von Ereignissen nimmt und im Deutschen ebenfalls nicht flexionsmorphologisch, sondern v.a. mit Hilfe der Wortbildung realisiert wird (z. B. rennen/losrennen, schlafen/einschlafen).
Die Unterscheidung von Possessor/Possessum spielt bei der Flexion der Possessiv-Pronomina und Possessiv-Artikel eine Rolle. Die Flexionsmorphologie im engeren Sinne betrifft nur die Markierung des Possessums, die Possessor-Markierung wird am Stamm vorgenommen. Diese Zugehörigkeitsrelation betrifft Sprecher/Sprechergruppen (mein- / uns(e)r-), Adressat/Adressatengruppen (dein-, Ihr- / eu(e)r-, Ihr-) oder ein im vorausgehenden Kontext verbalisiertes anderes Referenzobjekt (sein-, ihr-). Die Formen sein-, ihr- dienen zur Unterscheidung des Possessor-Genus, die bei Sprecher/Adressaten bzw. -gruppen nicht vorgenommen wird. Die Flexionsendungen übernehmen die Possessum-Markierung. Bsp.:
Gerhard und Doris haben beide einen Wagen. Sie nimmt aber immer seinen.
Die Formen mein- / uns(e)r- sind nach Numerus stammdifferenzierte Vertreter eines einzigen Sprecher(gruppen)-Pronomens oder -Artikels. Analog dazu verhält es sich mit dem Adressaten(gruppen)-Pronomen bzw. -Artikel. Das Pronomen bzw. der Artikel, die in der traditionellen Einteilung der Pronomina als Formen der 3. Person bezeichnet werden (sein-, ihr-), sind nicht nur nach Numerus stammdifferenziert, sondern im Singular auch nach Genus. Die Differenzierung betrifft aber nur die für die Possessor-Markierung zuständigen Stämme. Die Flexionskategorien der Possessiva, die durch die Flexionsendungen ausgedrückt werden, sind Possessum-Kategorien (vgl. Zifonun 2005: 78ff.)
Als flexionsmorphologische Kennzeichnung von Personalität kann wie im Deutschen die Wahl der W-Pronomina hvem (wer) (Person) oder hva (was) (Nicht-Personales) gedeutet werden. Wie im Deutschen liegt Personalität als inhärentes Merkmal bei den Indefinit-Pronomina vor: noen (jemand), ingen (niemand) (Person) und noe (etwas), ingenting, intet (nichts) (Nicht-Personales). Im Unterschied zum Deutschen tritt im Norwegischen das Merkmal (Nicht-)Personalität auch bei den anaphorischen Personalpronomina in Erscheinung, und zwar als unterschiedliche Formen für 3. Person Singular bei Referenz auf personale vs. nicht-personale Nomina (vgl. Norsk referansegrammatik 1997: 326 und Flexion der Pronomina, norwegisches Modul). Dies gilt allerdings nur für die Sprachvariante bokmål:
Hvor er sykkelen min? Den står i garasjen. (Wo ist mein
Fahrrad? Das (= maskulines Demonstrativpronomen) steht in der
Garage.
Hvor er Kari? Hun er bortreist. (Wo ist Kari?
Sie (= feminines Personalpronomen) ist verreist.
In der Sprachvariante nynorsk richtet sich (wie im Deutschen) die 3. Person Singular nach dem Genus des Nomens, auf das sich das Pronomen bezieht.
Die Unterscheidung zwischen den (Mask/Fem bzw. Genus commune) und det (Neut) bei den Pronomina betrifft also das Genus, während han (Mask) vs. hun (Fem) als eine Differenzierung nach Sexus aufgefasst werden kann. Ansonsten wird Sexus im Norwegischen nicht flexionsmorphologisch ausgedrückt. Es gibt lediglich – allerdings wesentlich eingeschränkter als im Deutschen – die Markierungen von Sexus mittels Wortbildung bei Nomina zur Berufsbezeichnung, z. B.: lærer/lærerinne (Lehrer/in), sanger/sangerinne (Sänger/in)
Definitheit wird im Unterschied zum Deutschen auch an Nomina markiert, und kann sowohl anstelle eines definiten Determinativums, als auch (in durch Adjektive erweiterten Nominalphrasen) zusätzlich dazu auftreten (so genannte "doppelte Determination", vgl. Flexion der Artikel, norwegisches Modul.
Aspekt ist auch im Norwegischen kaum grammatikalisiert und wird gegebenenfalls lexikalisch (z. B. durch Temporaladverbialia) ausgedrückt. Verlaufsformen wie in er war am Kochen gibt es im Norwegischen nicht, jedoch so genannte "Aspektkoordinationen", Verbkoordinationen, die aspektuelle Bedeutung ausdrücken, z. B. han står og venter, jeg sitter og leser (wörtlich: er steht und wartet, ich sitze und lese, i.S.v. er wartet gerade, ich lese gerade/bin am Lesen)
Bei der Unterscheidung von Possessor/Possessum gibt es im Norwegischen im Unterschied im Deutschen eine zusätzliche Differenzierung zwischen reflexiven und nicht reflexiven Formen, wenn der Possessor nicht der Sprecher/die Sprechergruppe oder der Adressat/die Adressatengruppe ist, d. h. wenn der Possessor in der 3. Person Singular oder Plural steht (vgl. Flexion der Artikel, norwegisches Modul):
- Bei den reflexiven Formen, die nach dem Numerus und Genus des
Possessums flektieren, besteht Referenzidentät mit dem Subjekt (d. h. der Possessor ist das Subjekt):
3. Person Singular:
Han/hun har reparert bilen sin. (Er/sie hat sein/ihr (eigenes) Auto repariert.)
Han/hun har reparert bilene sine. (Er/sie hat seine/ihre (eigenen) Autos repariert.)
3. Person Plural:
De har pusset opp huset sitt. (Sie haben ihr (eigenes) Haus renoviert.)
De har pusset opp husene sine. (Sie haben ihre (eigenen) Häuser renoviert. - Wenn keine Referenzidentität zwischen Possessivum und Subjekt
besteht (also wenn das Subjekt nicht der Possessor ist), bzw. wenn das Possessivum Teil des
Subjektes ist, wird ein nicht nach dem Numerus des Possessums, sondern nach dem Sexus bzw.
Genus des Possessors flektierendes Possessivum verwendet. Im Singular wird hier zwischen personalem
und nicht-personalem Possessor unterschieden. Diese Formen sind Genitivformen der
entsprechenden anaphorischen bzw. demonstrativen Pronomina (han, hun, den, det).
Der Genitiv dient hier also zur Markierung der possessiven Funktion:
Personaler Possessor (hans für Maskulina, hennes für Feminina):
Hun har reparert bilen hans/hennes. (Sie hat sein/ihr Auto repariert – d. h. das Auto von jemand anderem)
Bilene hans/hennes står i garasjen. (Seine/ihre Autos stehen in der Garage.)
Nicht-personaler Possessor (dens für maskuline und feminine Nomina, dets für Nomina im Neutrum):
Terroren og dens årsaker må må undersøkes. (Der Terror und seine Ursachen müssen untersucht werden.)
Forfatterne hevder at Parlamentet er mer effektivt enn flere av dets kritikere påstår. (Die Autoren betonen, dass das Parlament effektiver ist, als einige seiner Kritiker behaupten.)
Possessor im Plural (nur eine Form, deres):
De har pusset opp huset deres. (Sie haben ihr Haus renoviert – d. h. das Haus von mehreren anderen.)
De har pusset opp husene deres (Sie haben ihre Häuser renoviert – d. h. die Häuser von mehreren anderen.)
Huset deres står tomt. (Ihr Haus – das Haus von mehreren – steht leer.)
Funktionen von Wortformen
Flexionskategorien der Wortformen und somit deren Gestalt werden einerseits durch den Bezug der Wortformen auf die (semantischen) Charakteristika des Bezeichneten (z. B. durch die Numeruskategorie der Nomina, die Wahl der Tempuskategorie der Verben oder die Komparationskategorie der Adjektive), andererseits durch syntagmatische Relationen (z. B. die Korrespondenzbeziehungen innerhalb einer Nominalphrase oder zwischen dem Subjekt und dem finiten Verb) bestimmt. Inn einem Satz konkret vorkommende Wortformen enthalten also grammatische Informationen, die mit flexionsmorphologischen Mitteln ausgedrückt werden.
Die semantischen Informationen sind dabei sehr allgemeiner Natur wie z. B. Pluralität bei Nomina (→ Numerus), Gradunterschiede bei Adjektiven (→ Komparation) oder Belebtheit, Personalität und Sexus bei Pronomina (→ Genus). Bei Verben sind die Vorgabe bestimmter Zeitverhältnisse (→ Tempus) und die Einordnung von propositionalem Wissen im Hinblick auf verschiedene Aspekte von Modalität (→ Verbmodus) zu nennen. Für bestimmte Wortarten sind manche Kategorisierungen im Deutschen weitgehend desemantisiert, z. B. Kasus oder Genus bei Nomina.
Syntaktische Informationen werden benötigt um Bezüge zwischen Wortformen herzustellen und sind durch Kategorisierungen ausgedrückt. Mit Hilfe dieser Informationen kann die syntaktische Funktion eines Ausdrucks bestimmt werden. Wenn die Einheitenkategorie (Flexionskategorie) einer Wortform, d. h. ihre spezifische Form, durch eine Paradigmenkategorie einer anderen Wortform festgelegt wird, spricht man von Rektion. Dies ist z. B. bei Kasuskategorien der Fall und trifft auch auf Genuskategorien der Artikel und Adjektive sowie auf Personenkategorien der Verben zu. Stimmen die Flexionskategorien von verschiedenen Wortformen überein, ohne dass sie von einer Paradigmenkategorie regiert wird, so ist von Kongruenz die Rede. Dies kann z. B. Numerus- und Kasuskongruenz zwischen Nomen, Artikel und attributivem Adjektiv innerhalb einer Nominalphrase oder anaphorisch bei Pronominalisierungen auch satzgrenzenübergreifend der Fall sein, z. B.:
Kongruenz innerhalb der Nominalphrase:
mein_ französischer Kollege, meine französische Kollegin
Kongruenz zwischen Nominalphrase und anaphorischem Personalpronomen:
Der langjährige Mitarbeiter der Hormann
GmbH ist am Montag verstorben. Seine Kollegen haben gestern vor der Arbeit in einer
Schweigeminute seiner gedacht.
Was man
China zurzeit von westlicher Seite abverlangt, ist immer noch mehr,
als es leisten kann.
Beispiele für Korrespondenzbeziehungen (Rektion und Kongruenz) im Deutschen
Das Regens ist jeweils rot, kongruierende Elemente sind blau, die Flexionsmarker der
regierten/kongruierenden Elemente sind fett markiert. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden bei
den einzelnen Beispielen entweder nur Rektions- oder nur Kongruenzbeziehungen farblich
markiert.
Valenz
Verben regieren durch ihre Valenz Anzahl und Art ihrer jeweiligen Komplemente, darunter auch Kasuskomplemente:
Peter (Ksub) schuldet seinem Freund (Kdat) einen Gefallen (Kakk).
Wortgruppenflexion
Innerhalb der Nominalphrase regiert der nominale Kopf das Genus von Artikeln und attributiven Adjektiven (siehe Wortgruppenflexion):
den kleinen Prinzen; kleiner Prinz
Innerhalb der Präpositionalphrase regiert die Präposition den Kasus der Nominalphrase:
für einen kleinen Prinzen, mit den Kindern, dank seines Mutes
Zwischen Nomen, Artikel und attributivem Adjektiv herrscht in einer Nominalphrase Kasus- und Numeruskongruenz:
dem kleinen Prinzen. (Dativ Singular)
Flexion der Adjektive
Innerhalb der Nominalphrase regiert ein Artikel ein nachfolgendes attributives Adjektiv hinsichtlich des schwachen oder starken Flexionsmusters (siehe Flexion der Adjektive):
der kleine Prinz; ein kleiner Prinz
Flexion der Pronomina
Bei anaphorischem (oder kataphorischem) Bezug regiert der nominale Kopf der Bezugsphrase das Genus des entsprechenden anaphorischen Personalpronomens und kongruiert im Numerus mit ihm. In Subjektfunktion regiert das anaphorische Personalpronomen außerdem die Kategorie 3. Person beim finiten Verb im Satz, hinsichtlich des Verbnumerus besteht Kongruenz:
Der kleine Prinz setzte sich an den Tisch und verschnaufte ein wenig. Er war schon so viel gereist!
Er war schon so viel gereist!
Numerus- und Kasuskongruenz zwischen Pronomen und Bezugsausdruck herrscht auch in folgenden Beispielen, der Kasus wird durch die Valenz des Verbs bestimmt:
Sie ist eine bekannte Schauspielerin. (Nominativ Singular)
Einem Kerl wie dir kann man nichts vormachen. (Dativ Singular)
Da steht sie nun, die erste Bundeskanzlerin, die Frau aus dem Osten [...] [Berliner Zeitung, 14.01.2006]
Relativ-Elemente, die z. B. durch Demonstrativ- oder W-Pronomina angeschlossen werden, kongruieren im Numerus mit dem Kopf der Nominal- oder Pronominalphrase, an die der Relativsatz angeschlossen ist. Ihr Genus wird vom Kopf der Nominal- oder Pronominalphrase regiert. Der Kasus wird hingegen relativsatzintern durch Rektion (Valenz) bestimmt:
Hunde, die bellen, beißen nicht.
Verbflexion
Innerhalb des Verbalkomplexes regieren Hilfs- und Modalverben eine infinite Verbform (Partizip II, Infinitiv):
Hans hat gearbeitet. / Er muss sie um Entschuldigung bitten.
Zwischen Subjekt und dem finiten Verb im Satz herrscht Numeruskongruenz:
Hunde, die bellen, beißen nicht. (Plural)
Beispiele für Korrespondenzbeziehungen (Rektion und Kongruenz) im
Norwegischen
Das Regens ist jeweils rot, kongruierende Elemente sind blau, die
Flexionsmarker der regierten/kongruierenden Elemente sind fett markiert. Aus Gründen der
Übersichtlichkeit werden bei den einzelnen Beispielen entweder nur Rektions- oder nur
Kongruenzbeziehungen farblich markiert.
Valenz
Verben regieren wie im Deutschen durch ihre Valenz Anzahl und Art ihrer jeweiligen Komplemente. Auf Grund des fehlenden bzw. sehr eingeschränkten Kasussystems werden die Komplemente im Norwegischen jedoch in erster Linie strukturell über ihre Position im Satz bestimmt:
Eva(Subjekt) ga Adam(indirektes Objekt realisert als Nominalphrase)et eple(direktes Objekt). (Wörtl.: Eva gab Adam einen Apfel.)
Eva(Subjekt) ga et eple(direktes Objekt)til Adam(indirektes Objekt realisert als Präpositionalphrase). (Wörtl.: Eva gab einen Apfel an Adam.)
Wortgruppenflexion
Innerhalb der Nominalphrase regiert der nominale Kopf das Genus von Determinativa und z.T. von attributiven Adjektiven, nämlich bei starker (indefiniter) Adjektivflexion im Singular, bei schwacher (definiter) Adjektivflexion sowie im Plural liegt Formensynkretismus vor (siehe Wortgruppenflexion, norwegisches Modul):
den lille prinsen (der kleine Prinz), det lille huset (das kleine Haus); en liten prins (ein kleiner Prinz), et lite hus (ein kleines Haus)
Zwischen Nomen, Artikel und attributivem Adjektiv herrscht in einer Nominalphrase Definitheits- und Numeruskongruenz:
den lille
prinsen (der kleine Prinz) – definit
Singular
en liten
prins (ein kleiner Prinz) – indefinit
Singular
de små
prinsene (die kleinen Prinzen) –
definit Plural
små
prinser (kleine Prinzen) – indefinit
Plural
Flexion der Adjektive
Innerhalb der Nominalphrase ist es im Norwegischen die (In-)Definitheit des Nomens, die die Wahl des Determinativums (definit vs. indefinit) und damit die Wahl des Flexionsmusters attributiver Adjektive (schwach/definit vs. stark/indefinit) bestimmt. (siehe Flexion der Adjektive, norwegisches Modul):
den lille prinsen (der kleine Prinz) – definite/schwache Adjektivflexion; en liten prins (ein kleiner Prinz) – indefinite/starke Adjektivflexion
Im Norwegischen flektieren Adjektive aber auch in prädikativer Funktion: Das Bezugsnomen regiert das Genus des Adjektivs, bezüglich des Numerus besteht Kongruenz:
Huset er høyt. (Das Haus ist
hoch.)
Husene er
høye. (Die Häuser sind hoch.)
Mannen er
høy. (Der Mann ist groß.)
Flexion der Pronomina
Bei anaphorischem (oder kataphorischem) Bezug regiert der nominale Kopf der Bezugsphrase das Genus und die Personalität des entsprechenden anaphorischen Personalpronomens und kongruiert im Numerus mit ihm:
Den lille prinsen satt seg ned.
Han hadde reist så mye! (Der kleine Prinz setzte sich. Er war so viel
gereist!
En spurv satte seg på bordet. Den var
utrolig tam. (Ein Spatz setzte sich auf den Tisch. Er war unglaublich zahm.)
Verbflexion
Innerhalb des Verbalkomplexes regieren Hilfs- und Modalverben eine infinite Verbform (Partizip II – norw.: perfektum partisipp, Infinitiv):
Han har jobbet. (Er hat gearbeitet.) / Han må be henne om unnskyldning. (Er muss sie um Entschuldigung bitten.)
Da Verben im Norwegischen nicht flektieren, herrscht zwischen Subjekt und dem finiten Verb im Satz keine Numeruskongruenz.