Informationsstruktur des Vorfeldes
Das Vorfeld enthält typischerweise eine informationelle Einheit (1), die aber syntaktisch nicht immer durch nur eine funktionale Komponente besetzt sein muss (2). Eine Informationseinheit ist immer auch eine intonatorische Einheit (3). So können mehrere Stellungseinheiten im Vorfeld unter nur einem Akzent zu einer informationellen Einheit zusammengefasst werden (4).
Das Vorfeld ist nicht nur eine bestimmte syntaktische Position, sondern übernimmt zugleich eine bestimmte Rolle bzw. bestimmte Rollen in der Informationsstruktur also bei der kommunikativen Gewichtung eines Satzes. Der wichtigste Aspekt der kommunikativen Gewichtung ist die Gliederung von Sätzen in Hintergrundinformation und Vordergrundinformation. Das Vorfeld kann beide Informationstypen enthalten.
Bei unmarkierter Informationsgliederung allerdings finden sich im Vorfeld die Hintergrundinformationen. In der Regel entspricht diese unmarkierte Variante in der „funktionalen Satzperspektive“ der Thema-Rhema-Gliederung.
Auch im Norwegischen enthält das Vorfeld typischerweise nur eine informationelle Einheit (a), die ebenfalls nicht immer durch nur eine funktionale Komponente besetzt sein muss: Kombinationen aus Adverbialen sind auch im Norwegischen im Vorfeld möglich (b). Häufiger noch als im Deutschen steht das Subjekt im Vorfeld, und zwar meist als definite Nominalphrase oder Pronomen, enthält also bekannte Information und ist damit typischerweise Teil des Hintergrundes. Das Vorfeld kann jedoch auch im Norwegischen zur Hervorhebungsstelle werden, beispielsweise zur Aufmerksamkeitssteuerung oder Kontrastierung und in diesem Fall Vordergrundinformation enthalten (c), (d).
(a) Domstolen har tidligere behandlet saker fra Kongo som omhandlet forbrytelser som ble begått under den brutale krigen i landet.
(b) I går på møtet ble vi enige om hvordan vi skal takle det.
(c) Lærer skulle hun bli.
(d) Offisielt bekreftet ble det aldri.
Ein Unterschied zwischen den beiden Sprachen betrifft den Umfang von Vorfeldbesetzungen: Lange, "schwere" Vorfeldbesetzungen, insbesondere in Form sehr komplexer Nominalphrasen sind im Norwegischen weniger gebräuchlich als im Deutschen.
Hintergrundinformation
Das Vorfeld ist die bevorzugte Stelle für Hintergrundinformationen, besonders wenn Vordergrundinformationen aus dem vorhergehenden Satz mit deiktischen (5), anaphorischen Ausdrücken (6) oder Nominalisierungen (7) wieder aufgenommen werden:
Diese Vorfeldbesetzung ist dazu geeignet, neue Gegenstände einzuführen, ein bekanntes Thema fortzuführen und den thematischen Anschluss an das Vorangegangene herzustellen. Typische Ausdrücke sind dabei Eigennamen, Possessiv-Artikel + Nomina, Demonstrativ-Pronomina, anaphorische Personalpronomina, Formen der Anadeixis etc.
Es können auch Vordergrund-Einheiten, die normalerweise im Mittelfeld bzw. am Ende des Mittelfeldes stehen, ins Vorfeld gesetzt werden und werden dadurch als zum Hintergrundwissen gehörig gekennzeichnet:
Die Hintergrundinformation hat auf der Textebene eine themenbezogene Funktion. Das Vorfeld fungiert dann z. B. als thematischer Anschluss an den Vortext wie in (5-8) und im folgenden Beispiel:
Wie in (6) und (9) bildet sehr häufig das Subjekt den thematischen Anschluss an den Vortext. Oft wird aber auch im Vorfeld durch Satzadverbialia ein situativer Rahmen gesetzt, in dem der zu thematisierende Sachverhalt zu sehen ist:
Eine besondere Form der Thematisierung kann durch die Aufspaltung quantifizierter Nominalphrasen erreicht werden:
Vordergrundinformation
Zur Hervorhebungsstelle kann das Vorfeld werden, wenn Teile des Verbalkomplexes (14), andere Komplemente als das Subjekt (15, 16) oder Infinitverbindungen (17) mit Akzentuierung dorthin gerückt werden. Mit dieser Topikalisierung wird ein für den Sprecher wichtiger bzw. der wichtigste Teil der Aussage an den Anfang des linearen Rezeptionsvorgangs gestellt. Oft dient die Hervorhebung der Aufmerksamkeitssteuerung oder der Kontrastierung. Dieses Verfahren findet häufig in Zeitungstexten bzw. Schlagzeilen Anwendung. In der gesprochenen Sprache wird die Hervorhebungsstelle durch einen Gewichtungsakzent markiert:
Fragewörter bei Ergänzungsfragen besetzen das Vorfeld und erfragen Vordergrundinformationen, die Defizite im Wissen des Sprechers ausgleichen sollen.