Verbalkomplex

(norwegisch: verbal)


Verbalkomplexe

Der Verbalkomplex bildet zusammen mit den Komplementen und den Supplementen den Satz.
Im einfachsten Fall besteht der Verbalkomplex aus einer finiten Verbform (Beispiel (1)). Er kann aber auch aus mehreren Verbformen bestehen, von denen eine finit sein muss. In diesem Fall, der eigentlich erst die Bezeichnung Verbalkomplex rechtfertigt, weil er aus mehreren verbalen Elementen besteht, wird eine infinite Verbform oder eine Gruppe infiniter Verbformen durch ein finites Hilfsverb oder Modalverb zum Verbalkomplex vervollständigt (Beispiele (2)-(16)). Der Verbalkomplex ist bis an die Grenze der Verständlichkeit ausbaubar.
Das finite Hilfsverb oder Modalverb ist in Verberst- und Verbzweitsätzen oft durch andere Satzelemente vom Rest des Verbalkomplexes getrennt (Beispiele (2)-(15)), der in der Regel am Ende des Satzes steht. In Verbletztsätzen/Nebensätzen ist es das finite Hilfsverb oder Modalverb, das am Ende des Verbalkomplexes steht (Beispiel (16)):

(1) Hans schreibt gerade den Brief.
(2) Hat Hans gerade den Brief geschrieben?
(3) Hans wird nun den Brief schreiben.
(4) Hans muss gerade den Brief schreiben.
(5) Hans wird bis morgen den Brief geschrieben haben.
(6) Hans muss gerade den Brief geschrieben haben.
(7) Hans hat gerade den Brief schreiben müssen.
(8) Hans hätte gerade den Brief geschrieben haben müssen.
(9) Hans wird bis morgen den Brief geschrieben haben müssen.
(10) Der Brief wird gerade (von Hans) geschrieben.
(11) Der Brief ist gerade (von Hans) geschrieben worden.
(12) Der Brief wird gerade (von Hans) geschrieben werden.
(13) Der Brief muss gerade (von Hans) geschrieben werden.
(14) Der Brief hätte gerade (von Hans) geschrieben werden müssen.
(15) Der Brief wird bis morgen (von Hans) geschrieben worden sein.
(16) ... weil der Brief bis morgen (von Hans) geschrieben worden sein muss.


Auch im Norwegischen können in Verbzweit- und Verberstsätzen andere Satzelemente zwischen dem finiten und infiniten Teil des Verbalkomplexes stehen. Im Unterschied zum Deutschen erlaubt das Norwegische aber nur einige Adverbialia und das Subjekt – wenn das Vorfeld (norw.: forfelt) von einem anderen Element besetzt ist – zwischen finitem und infinitem Teil, während Komplemente und weitere Supplemente im Nachfeld (norw.: sluttfelt) stehen.

Beispiele:

Hans hat den Brief geschrieben.Hans har skevet brevet.
Deshalb hat Hans den Brief geschrieben.Derfor har Hans skevet brevet.
Hans hat den Brief nicht/nie geschrieben.Hans har ikke/aldri skevet brevet.
Hat er den Brief nicht geschrieben?Har han ikke skevet brevet?
Hans muss den Brief geschrieben haben.Hans må ha skevet brevet.
Hans muss den Brief gerade geschrieben haben.
Hans muss gerade den Brief geschrieben haben.
Hans nettopp ha skevet brevet.
Der Brief wird bis morgen geschrieben werden.Brevet vil bli skevet innen i morgen.

Wie im Deutschen, stehen auch in norwegischen Nebensätzen (norw.: leddsetninger) die Elemente des Verbalkomplexes zusammen. Während im Deutschen das finite Hilfsverb bzw. Modalverb am Ende des Verbalkomplexes steht, steht jedoch in norwegischen Nebensätzen das finite Element des Verbalkomplexes vor den infiniten Teilen. Im Deutschen ist also die Richtung der Rektion von rechts nach links (linksdirektional), während das Norwegische von links nach rechts (rechtsdirektional) regiert. Im Norwegischen stehen auch im Nebensatz die Komplemente (außer dem Subjekt), sowie die meisten Supplemente nach dem Verbalkomplex.

Beispiele:

..., weil der Brief bis morgen (fertig) geschrieben werden muss. ... fordi brevet bli skrevet (ferdig) inntil i morgen.
..., weil er den Brief nicht geschrieben hat. ..., fordi han ikke har skrevet brevet.


Die Hilfsverben sein, haben und werden beteiligen sich an der Bildung zusammengesetzter Tempus- und Genus-Verbi-Formen im Deutschen.

Warum hat er den Brief nicht rechtzeitig gelesen? [Die Zeit (Online-Ausgabe), 11.11.2004]
Der Brief wurde nie abgeschickt. [Berliner Zeitung, 29.03.2004]

Mit Modalverben wie dürfen, können, mögen, müssen, sollen, wollen werden Sachverhalte als möglich oder notwendig eingestuft:

Er kann wieder beruhigt durchatmen. [Berliner Zeitung, 05.02.2004]
Er muss dieses Amt nun niederlegen. [die tageszeitung, 10.02.2004]


Das Norwegische verfügt über ein kombiniertes Tempus- und Modussystem:

Während die zusammengesetzten Vergangenheitsformen mit Hilfe der Hilfsverben (norw.: hjelpeverb) ha und være gebildet werden, werden die Zukunftsformen mit Hilfe der Modalverben (norw.: modalverb) skal und vil, sowie mit der Konstruktion kommer til å gebildet. Die temporale und modale Funktion der Hilfsverben ist dabei nicht klar voneinander zu trennen.

Die zusammengesetzten (periphrastischen) Genus-Verbi-Formen werden im Norwegischen mit bli und være gebildet.

Hvorfor har han ikke lest brevet?
Jeg skal ringe deg i morgen.
Brevet ble aldri sendt.


Der Verbalkomplex des Deutschen ist bestimmt hinsichtlich der Kategorisierungen Tempus, Modus, Genus Verbi, Person und Numerus.


Im norwegischen Verbalkomplex sind nur die Kategorisierungen Tempus, Modus und Genus Verbi realisiert, wobei dieselben Formen sowohl Tempus als auch Modus/Modalität ausdrücken können.


Durch die Anbindung der Komplemente und Supplemente an den Verbalkomplex entsteht der Satz.

Der Verbalkomplex wird in folgenden Informationseinheiten behandelt:

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Autor(en)
Wiebke Ramm
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