Standardsprachlich anerkannter Wegfall der Genitivendung

Wie bereits eingangs erwähnt, gibt es eine Reihe von Kontexten, in denen die Unterlassung der Genitivmarkierung als normgerecht eingestuft wird. So weist die aktuelle Ausgabe des Grammatikdudens (Duden 4, 2009) darauf hin, dass bei stark flektierenden Nomen die Genitivendung entfallen kann, wenn der Kasus bereits an anderer Stelle eindeutig markiert wird:

"Nach Artikelwörtern mit Genitiv-s, zum Beispiel des, dieses, eines, jedes (↑ 356) wird das Genitiv-s oft weggelassen (Unterlassung der Kasusflexion). Es handelt sich um eine Erscheinung, die mit der Tendenz zur Monoflexion in der Nominalphrase zusammenhängt: Ein grammatisches Merkmal wird nur noch einmal ausgedrückt (§§ 1517, 1534). Das Weglassen der Genitivendung ist standardsprachlich erst teilweise anerkannt." (S. 200)

Der durch den morphosyntaktischen Kontext bedingte Wegfall der Genitivendung erfolgt allerdings nicht generell, sondern ist nur bei bestimmten Teilklassen von Nomen zu beobachten (vgl. auch bereits Appel 1941 zu "Substantiven mit labilem s").1 Dabei handelt es sich primär um Substantive, die aufgrund ihrer semantisch-pragmatischen/kommunikativen Funktion, ihrer Herkunft oder ihrer morphologischen Eigenschaften eine Sonderrolle im Flexionssystem einnehmen, insbesondere Eigennamen, eigennamenähnliche Substantive (z.B. Wochentage oder Bezeichnungen für Produkte bzw. Stilepochen), das erste Glied sog. Paarformeln und anderer Koordinationsstrukturen (des Sturm und Drangs, Peter und Marias Wohnung), Fremdwörter, Substantivierungen (insbes. Konversionen wie z.B. des Gestern, Gegenüber, Hier und Jetzt) und Abkürzungen. Die meisten dieser Ausdrücke haben gemein, dass sie weniger stark in das Flexionssystem integriert sind als andere Nomen (vgl. auch Appel 1941, Nübling 2012):

1 Davon abzugrenzen sind laut Duden (2009: § 316, S. 206) Fälle, in denen die Genitivendung nur scheinbar fehlt, tatsächlich aber gar kein Genitiv, sondern ein anderer (endungsloser) Kasus vorliegt (möglicherweise aufgrund der sog. "Genitivregel", § 1534, die verlangt, dass Appellative nur dann im Genitiv stehen können, wenn ihnen ein entsprechend eindeutig flektiertes Element (Artikel oder Adjektiv) vorangeht). Zu nennen sind hier zum z.B. Dativ statt Genitiv bei bestimmten Präpositionen wie mittels Draht, mangels Treibstoff, wegen Unfall/Todesfall etc. oder Fälle, in denen bei Verben, die eigentlich den Genitiv regieren, alternativ auch andere Kasus auftreten können: mehr Licht bedürfen (Akkusativ statt Genitiv). Unklar bleibt in diesem Zusammenhang allerdings zunächst, ob in Fällen wir gedenken Maria Magdalena ein Dativ oder ein endungsloser Eigenname im Genitiv vorliegt (vgl. Fuß 2011). Ein möglicher quantitativer Test könnte darin bestehen, das Verhältnis von eindeutigem Dativ vs. Genitiv bei den entsprechenden Verben zu ermitteln und auf dieser Basis zu überprüfen, ob die endungslosen Formen bei Eigennamen häufiger auftreten, als es die allgemeine Verteilung bei eindeutig markierten Formen erwarten lässt. Ist diese Frage positiv zu beantworten, dann ist anzunehmen, dass in diesem Kontext tatsächlich endungslose Genitive vorliegen.

„Allen Substantiven dieser Gruppen ist eigen, daß sie, wenn auch aus ganz verschiedenen Gründen, nicht unter starkem Systemzwang stehen.“ (Appel 1941: 9)

Nübling (2012) spricht im Zusammenhang mit Eigennamen auch von der "Schonung markierter Wortkörper". Appel (1941) vertritt die Auffassung, dass die genannten "Substantive mit labilem s" (Appel 1941: 9) weniger stark dem "Systemzwang" unterliegen als andere Nomen, während sie die bei Eigennamen auftretende Endungslosigkeit auf ihre spezielle "Nennfunktion" (generell: Individualisierung) zurückführt (vgl. a. Duden 9, 2007).2 Allerdings zeigen Eigennamen in diesem Zusammenhang kein einheitliches Verhalten. Bei Personennamen ist der syntagmatisch bedingte Wegfall der Genitivendung am weitesten fortgeschritten und erfolgt im Gegenwartsdeutsch systematisch (vgl. Duden 4, 2009: 201, Duden 9, 2007: 698f., Nübling 2012: 236): Bei Personennamen mit sekundärem Artikel, die als postnominale Genitivattribute verwendet werden, erfolgt die Markierung des Genitivs nur noch am Artikel (bzw. am deklinierten Adjektiv). Dem Grammatikduden zufolge liegt hier eine Asymmetrie zwischen femininen und maskulinen Personennamen vor. Während nachgestellte maskuline Personennamen lediglich "überwiegend" endungslos erscheinen (vgl. Beispiele mit multipler Genitivmarkierung wie die Odyssee des kleinen Daniels) sind feminine Personennamen in diesem Kontext obligatorisch endungslos (*der Geburtstag der kleinen Annas).3 Wenn ein Personenname mit sekundärem Artikel dem Kopfnomen vorangeht, kann u.U. auch der Name flektiert werden (vgl. Duden 4, 2009: 201; Duden 9, 2007). In einer COSMAS-Recherche (Recherche am 11.10.2012 im Tagged-T-gesamt Teilkorpus (DeReKo-2010-II)) zum Flexionsverhalten des Namens Goethe in Syntagmen der Art des-ADJ-Goethe(s) treten nur zwei Fälle auf, in denen der Personenname das Genitiv-s trägt (vs. 65x des-ADJ-Goethe). In beiden Fällen befindet sich der genitivische Ausdruck in pränominaler Position, vgl. (2) und (3). Postnominal scheint Monoflexion obligatorisch zu sein.4

2 "die Nennfunktion des Eigennamens drängt die Ausprägung des Genitivs an die Stelle, wo diese Ausprägung die Nennfunktion am wenigsten beeinträchtigt, wo aber auch ihrerseits die Ausprägung des Genitivs sich am besten verwirklicht." (Appel 1941: 15; vgl. auch die alleinige Markierung des Genitivs am zweiten Konjunkt bei koordinierten Personennamen wie Peter und Marias Auto). Tatsächlich ist die Tendenz, Eigennamen möglichst unflektiert zu lassen, auch bereits von Grammatikern des 19. Jh. beobachtet worden (vgl. z.B. Bauer 1827: 281, Paul 1968, II: 157).

3Appel (1941: 15f.) weist allerdings auf Fälle hin, in denen "die Genitivischkeit scheinbar überhaupt nicht ausgeprägt wird": der traurigen Miene Penelope, Betrachtungen zum Tode Oswald Spengler

4 Ein analoges Bild ergibt sich bei (freilich selteneren) Belegen der Art Artikel+Goethe. Pränominal dominiert Goethes (artikellos, > 3000 Belege), während postnominal auftretende Varianten mit Artikel generell endungslos sind. Die wenigen Belege der Art des Goethes gliedern sich in drei Arten. Belege wie (i) legen eine appellativartige Verwendung des EN nahe, während (ii) eine Bildung in Analogie zu dem bekannten Volkslied zu sein scheint. Der einzige weitere Beleg ist (iii), das aber m.E. keine standardsprachlich akzeptable Variante darstellt und womöglich als Fehler zu klassifizieren ist.
(i) Eine Nacht zu Ehren des Goethes Schottlands
(RHZ12/JAN.27909 Rhein-Zeitung, 26.01.2012, S. 27)
(ii) Das Reisen war des Goethes Lust
(RHZ99/AUG.13448 Rhein-Zeitung, 20.08.1999; Das Reisen war des Goethes Lust)
(iii) Damit das nicht zu monoton ist, entwickelt er um diesen ernsten Kern ein Personal zum Schreien. Allein wie Daniels liebeshungrige Mutter geschildert wird, wie er den Autor vorführt, der einen Bildungsroman über die sexuelle Beziehung des Goethes zu seiner Gönnerin Anna Amalia schrieb und für den Altherren-Schweinkram mit der "Kleistnadel" ausgezeichnet wird, ist zum Kreischen.
(NUN09/FEB.02259 Nürnberger Nachrichten, 20.02.2009, S. 8; Ein Banker in peinlichen Nöten - Bodo Kirchhoff reagiert auf die Finanzkrise: "Erinnerungen an meinen Porsche")

(1) Wussten Sie eigentlich, dass in Berlin ein Automechaniker namens Johann Wolfgang Goethe lebt? Die "FAZ" hat den mal zu des alten Goethes 250. Geburtstag interviewt. Das wäre natürlich das Ding, wenn die zwei sich mal zusammentäten und eine Firma gründeten: "Faust&; Goethe - Wir reparieren Holz- und Blechschäden aller Art". (B01/MAR.27186 Berliner Zeitung, 30.03.2001; War Herr Faust wieder bei Ihnen?, S. 11)
(2) Wer ein paar Schritte weitergeht in die Ausstellung "Bach und Goethe", der wird noch einmal auf eben jenen kleinen Quälgeist großer Geister stoßen. Rektor Ernesti scheint mit den Jahren nicht versöhnlicher geworden zu sein. Er versuchte, des jungen Goethes Weltbestseller "Werthers Leiden" wenigstens in Leipzig verbieten zu lassen. Es wäre schön, man errichtete diesem nervigen Plagegeist, der es doch nur gut meinte, ein Denkmal. Unserer eigenen Fortschrittlichkeit zur Warnung. (B02/OKT.76672 Berliner Zeitung, 30.10.2002; MOBBING, S. 12)

Bei anderen Typen von Namen unterliegt die Realisierung der Genitivmarkierung stärkerer Variation.5 So stellt der Grammatikduden fest (S. 200), dass bei geografischen Namen (Toponymen) mit festem Artikel „endungslose Formen [...] nicht mehr als falsch angesehen [werden]“. Die Tendenz zur Endungslosigkeit verstärkt sich, wenn mehrere der entsprechenden Faktoren zusammenkommen. So erscheinen laut Duden (2009) heute vor allem fremdsprachliche Toponyme wie Kongo, Mississippi usw. bevorzugt endungslos, während einheimische Namen das Genitiv-s noch häufiger tragen: des Rhein(s), des Neckar(s) usw. In diesem Zusammenhang äußert Nübling die Hypothese, dass mit zunehmender Geläufigkeit eines Toponyms die Tendenz zur s-Endung stärker wird:

5 Keine Berücksichtigung finden hier die z.T. recht komplexen Regeln der Genitivmarkierung von komplexen Personennamen, die Titel bzw. Berufsbezeichnungen enthalten. Titel wie Herzog, Graf etc. werden entweder als Namensbestandteil behandelt (Genitivmarkierung am Eigenname, vgl. (ia)) oder als Kopf der Konstruktion (Genitivmarkierung am Titel, Eigenname als Apposition vgl. (ib)):
(i) a. Herzog Heinrichs Getreue
b. des jungen Herzogs Heinrich Getreue
c. die Getreuen des (jungen) Herzogs Heinrich
d. die Getreuen Herzog Heinrichs

Es treten allerdings vereinzelt Fälle auf, in denen der Genitiv weder am Namen noch am Titel markiert wird:
(ii) Heimatforscher Ulrich Tietje berichtet über das recht unstete und pralle Leben des Herzog Franz von Braunschweig.
(BRZ09/MAR.12760 Braunschweiger Zeitung, 25.03.2009; Vortrag über Herzog Franz)

"Die Bekanntheit bzw. Nativität des Namens scheint dabei eine Rolle zu spielen und das Genitiv-s eher zu fördern: [...] " (S. 241)

Diese Einschätzung versucht Nübling durch eine Korpusstudie zu bestätigen, die sie für ausgewählte Toponyme durchgeführt hat (S. 241; DeReKo/COSMAS, Stand: 2010):

Name im GenitivNullendungs-Endung
Prozentabs.abs.
des Himalaya-85%775132
des Jemen-83%21743
des Kongo-73%495185
des Irak-68%38941856
des Iran-65%19161024
des Europa-46%3643
des Balkan-23%3171075
des Engadin-7,6%19229
des (wieder)verein(ig)ten Deutschland-52%224205

Tabelle 1: Der Genitiv bei Gebirgs-, Landschafts- und Ländernamen mit Artikel (Nübling 2012: 241)

Name im GenitivNullendungs-Endung
abs.abs.
des Rhein-6411.393
des Neckar-44935
des Nil-94457
des Mississippi-36522
des Orinoko-622
des Tiber-4830
des Yangtse-590

Tabelle 2: Der Genitiv bei Flussnamen (Nübling 2012: 242)

Im Zusammenhang mit Tabelle 1 ergibt sich allerdings eine Reihe von Fragen. So bleibt zum einen unklar, wie der recht vage Begriff der "Bekanntheit" eines Namens zu deuten ist. Eine etwaige Definition kann offensichtlich nicht allein auf die relative Häufigkeit im Korpus rekurrieren (hier liegen Iran und Irak deutlich vor den Namen mit überwiegend overter Markierung), obwohl diese sicherlich eine wichtige Rolle spielt. Auch ist nicht ausgemacht, inwiefern Engadin – zumindest im Gegenwartsdeutschen – einen höheren Bekanntheitsgrad als Iran oder Irak für sich beanspruchen kann. In diesem Zusammenhang könnte man auch daran denken, entsprechende Streuungseffekte im Korpus zu untersuchen (lässt sich nachweisen, dass das Flexionsverhalten von Eigennamen abhängig von außersprachlichen Faktoren wie Medium, Domäne oder Region ist?). Zum anderen scheint die Menge der Nomen, die hier miteinander verglichen werden, nicht ganz homogen zu sein: Sie beinhaltet Eigennamen mit festem Artikel wie Himalaya neben Namen wie Europa, die durchaus auch ohne Artikel auftreten können, und darüber hinaus eine komplexe Nominalphrase wie des wiedervereinigten Deutschlands. Ungeachtet dieser methodischen Probleme macht Nüblings Hypothese allerdings eine interessante Prognose, die im Rahmen einer umfangreicheren Korpusstudie zu überprüfen wäre: Wenn die Tendenz zur s-Endung an die Geläufigkeit eines (fremdsprachlichen) Eigennamens gekoppelt ist und die Geläufigkeit eines Ausdrucks (zumindest ansatzweise) an seiner relativen Häufigkeit gemessen werden kann, dann würde man evtl. erwarten, dass ein Anstieg der Häufigkeit im Korpus auch mit einem Anstieg des Anteils der s-Endungen verbunden ist (vgl. Abschnitt Interaktion von Faktoren für entsprechende Befunde).

Für die Hypothese, dass ein kausaler Zusammenhang besteht zwischen dem Wegfall der s-Endung und dem Grad der Integration eines Wortes, spricht auch die Beobachtung, dass bestimmte Appellative (insbesondere Entlehnungen) zur Endungslosigkeit tendieren, wenn sie als Fachwort/Terminus Technicus oder Gattungsbegriff verwendet werden (z.B. Appel 1941, Duden 9, 2007: 988f.). Auch hier liegt in gewisser Weise ein eigennamenähnlicher Gebrauch vor, bei dem die Nennfunktion im Vordergrund steht. Ein weiterer Hinweis darauf, dass der Wegfall des Genitiv-s in Verbindung steht mit einer mangelnden Integration in das nominale Flexionssystem, liefert der (normgerechte) endungslose Gebrauch von Substantivierungen wie des Gestern oder seines Gegenüber, die aus nicht-flektierbaren Wortklassen abgeleitet sind (s.u.): Resultate von Konversion sind oft nicht vollständig in die Zielwortart integriert und verhalten sich dementsprechend anders.

Die Tendenz zur Endungslosigkeit wird durch bestimmte lautliche Faktoren verstärkt. So fehlt Eigenamen insbesondere dann die Genitivendung, wenn sie auf eine (unbetonte) Silbe mit s-Auslaut (schriftsprachlich <s, ss, ß, z, tz, x>) enden (der Tod des Alten Fritz, die Entstehung des Nördlinger Ries). Bei Personennamen existiert in diesem Zusammenhang eine alternative Markierungsvariante durch Hinzufügung eines Apostrophs. Der Grammatikduden wertet dies als Hinweis darauf, dass die Genitivendung mit dem s-Auslaut des Nomens verschmilzt (S. 209), stellt aber gleichzeitig fest, dass entsprechende Formen "fast nur noch als vorangestellte Genitivattribute" zu finden sind (also z.B. Fritz’ Hut, Iris’ Tasche), während in postnominaler Position das Apostroph entweder wegfällt, wenn ein Artikelwort gesetzt werden kann (der Tod des Perikles), oder zu alternativen Konstruktionstypen gegriffen wird, um eine Verwendung des Genitivs zu vermeiden (der Hut von Fritz statt der Hut des Fritz). Bei nativen geografischen Namen führt das Vorliegen einer finalen Silbe auf -s ebenfalls zu einer größeren Häufigkeit s-loser Formen bzw. zur Verwendung anderer syntaktischer Wendungen (vgl. Duden 9, 2007: 374f.), während fremdsprachliche Namen wie des Amazonas, des Ganges obligatorisch endungslos bleiben.

Eine Neigung zur endungslosen Realisierung des Genitivs findet sich auch bei bestimmten Appellativen, die aufgrund ihrer Etymologie oder ihrer kommunikativen Funktion den Eigennamen nahe stehen. Dazu zählen Monatsnamen, Wochentage, Kunst- und Stilepochen wie des Barock, des Biedermeier (laut Duden 9, 2007: 135, 164 ist die endungslose Realisierung des Genitivs an die Verwendung als Fachausdruck gebunden, z.B. in der Kunstgeschichte) sowie Produktbezeichnungen (des Aspirin(s), des Duden(s), des Opel(s) Astra/des Opel Astra(s)) und Buch-, Zeitungs- und Filmtiteln. Die (Nicht-) Realisierung des Genitivs unterliegt hier nach gängigen Einschätzungen noch stärkeren Schwankungen als bei den genuinen Eigennamen; z.T. wird das Auslassen der Flexion in älteren Ausgaben des Duden noch als Normabweichung betrachtet (vgl. z.B. den Grammatikduden 1959 zu den Wochentagen). Wenig Klarheit herrscht dabei hinsichtlich der Frage, welche Bedingungen den Wegfall der Genitivendung bei eigennamenähnlichen Appellativen begünstigen. So findet sich in der Literatur die Behauptung, dass bei Monatsnamen und Wochentagen die Genitivendung insbesondere dann wegfällt, wenn dem eigennamenähnlichen Element ein weiteres Substantiv vorangeht, während Monatsnamen auf -er die Genitivendung häufiger bewahren (vgl. z.B. Duden 9, 2007: 633). Eine korpuslinguistische Überprüfung dieser Einschätzungen steht allerdings noch aus (vgl. Eigennamenähnliche Ausdrücke für einige relevante Beobachtungen).

Im Gegensatz zu den bisher genannten Nominaltypen wird der Genitiv starker Appellative (Maskulina und Neutra) in der Regel morphologisch markiert. Standardsprachlich anerkannte Endungslosigkeit findet sich nur bei bestimmten Fremdwörtern, Zitaten (des Harakiri(s)), Substantivierungen, Abkürzungen (hier wird die Endung laut Duden 4, 2009: 205 „meist weggelassen“) sowie sog. Paarformeln (des Sturm(s) und Drangs) und mehrteiligen festen Verbindungen, wenn „der substantivische Kern den übrigen Bestandteilen vorangeht“ (Duden 4 2009: 204): die Herstellung des Vitamin(s) C, die Form des Partizip(s) Perfekt.6 Bei nicht-nativen Appellativen hängt der Wegfall der Genitivendung wesentlich von der Lautgestalt ab. Liegt eine unbetonte finale Silbe auf -s bzw. -us vor, dann ist ähnlich wie bei Eigennamen der Wegfall der Endung quasi obligatorisch. Der Grammatikduden nimmt hier an, dass bei den endungslosen Formen "eine Verschmelzung der kurzen Genitivendung -s mit dem Stammauslaut" vorliegt (S. 204); ferner wird darauf hingewiesen, dass die Endungslosigkeit abhängig ist vom Grad der Integration des nicht-nativen Ausdrucks (vgl. a. Duden 9 2007: 329f.). So sei die Genitivmarkierung bei geläufigeren Wörtern wie des Bonus(ses)/Index(es)/Rhinozeros(ses) variabel, während des Omnibusses nur mit Endung verwendet wird. Als Indikator für den Grad der Integration betrachtet der Duden die Art der Pluralform: "Substantive mit fremder Pluralform sind am schwächsten, solche mit e-Plural am stärksten integriert". (S. 203).

6 Als Ausnahme nennt der Duden (S. 204) die Nullmarkierung des Genitivs bei einigen nativen Wörtern auf -s wie des Fels (nicht normgerecht sind hingegen Formen wie des Kompass oder des Geheimnis).

Weniger eindeutig ist die Lage bei Substantivierungen. Laut aktuellem Grammatikduden (S. 205) können Nomen, die mittels Konversion aus nicht flektierbaren Wörtern (des Gestern, des Heute, des Hier und Jetzt, seines Gegenüber), zitierte Einzelbuchstaben (des U) oder Pronominalformen (des Ich) gebildet werden, potentiell endungslos bleiben. Tatsächlich scheint hier aber zumindest bei einigen Konversionen eine starke Tendenz zur Endungslosigkeit vorzuliegen (vgl. Obligatorische Endungslosigkeit bei Abkürzungen und Konversionen). Bei Sprachbezeichnungen treten beide Varianten auf (des Deutsch(s), des Sanskrit(s)); bei Farbwörtern fordert der Duden (S. 205, 350) die overte Markierung des Genitivs (des Grüns, des Blaus etc.). Eine etwas differenziertere Betrachtung liefert der Zweifelsfälle-Duden, der endungslose Varianten bei Schwarz und Weiß akzeptiert (S. 304), vgl. auch den Abschnitt Konversion.

Zum Text

Schlagwörter
Autor(en)
Eric Fuß
Letzte Änderung
Aktionen
Seite merken
Seite als PDF
Seite drucken
Seite zitieren

Seite teilen