Konversion

Die Untersuchung endungsloser Genitive bei Konversionen wird dadurch erschwert, dass die uns zur Verfügung stehende Annotation nur relativ grobe Schnitte zulässt. Dies ist insofern bedauerlich, als wir bereits festgestellt haben, dass sich verschiedene Typen von Substantivierungen hinsichtlich der Wahl des Genitivallomorphs z.T. stark unterscheiden (vgl. Obligatorische Endungslosigkeit bei Abkürzungen und Konversionen). Für die Liste von Substantivierungen, die wir manuell erstellt haben, ergibt sich folgendes Ergebnis:



NullendungApostrophoverte MarkierungToken insgesamt
Konversion389 (5,3%)06.949 (94,7%)7.338
keine Konversion467.332 (6,6%)10.566 (0,2%)6.561.201 (93,2%)7.039.099
reg. Apperllative52.938 (1,7%)34 (0,001%)3.031.047 (98,3%)3.084.018

Tabelle 1: Häufigkeit endungsloser Formen: Konversionen vs. Appellative


Auf den ersten Blick scheint der Faktor "Konversion" nur einen geringen Effekt auf den Anteil der Nullendungen zu haben. Dies ist allerdings auf das bereits erwähnte Problem zurückzuführen, dass aufgrund der inkonsistenten Zuordnung des Merkmals "Konversion" die Zahl der endungslosen Formen viel zu niedrig ausfällt: Offenbar sind bestimmte Konversionen nur z.T. als solche annotiert, wodurch das Ergebnis der Korpusrecherche stark beeinträchtigt wird (Nichts: 375x endungslos, aber nur 118 Einträge unter dem Merkmal "Konversion"). Nach einer manuellen Bereinigung der inkonsistent annotierten Fälle ergibt sich das folgende Bild:



NullendungApostrophoverte MarkierungToken insgesamt
Konversion742 (9,6%)2 (0,03%)6.984 (90,4%)7.728
keine Konversion466.979 (6,6%)10.564 (0,2%)6.561.166 (93,2%)7.038.709
reg. Apperllative52.938 (1,7%)34 (0,001%)3.031.047 (98,3%)3.084.018

Tabelle 2: Häufigkeit endungsloser Formen: Konversionen vs. Appellative


Es zeigt sich, dass der Faktor "Konversion" durchaus die Verwendung der Nullendung begünstigt (Pearson Residuum: 52,47). Betrachtet man lediglich die Häufigkeiten, scheint der Faktor "Konversion" sogar wirksamer als der Faktor "Fremdwort" zu sein (allerdings müsste diese Aussage noch genauer mithilfe inferenzstatistischer Methoden überprüft werden). Überdies steht zu erwarten, dass in bestimmten Teilmengen der relevanten Substantivierungen der Effekt noch stärker ausfällt. So haben wir bereits im Abschnitt Obligatorische Endungslosigkeit bei Abkürzungen und Konversionen, Tabelle 3 gesehen, dass sich Konversionen bei der Wahl des Genitivallomorphs nicht einheitlich verhalten: Während z.B. bei Konversionen auf s-Auslaut (Nichts) und bestimmten Zeitausdrücken (Heute, Gestern, Jetzt) die Genitivendung stets ausfällt, halten sich bei anderen Lemmata (Selbst, Ja, Nein) endungslose und overt markierte Formen die Waage.

Um das Flexionsverhalten unterschiedlicher Teilklassen von Konversionen näher untersuchen zu können, haben wir auf ein kleineres Teilkorpus zugegriffen, das zusätzliche Informationen über die Quellwortart der Konversion enthält (auf der Basis der CELEX-Datenbank). Aufgrund der deutlich geringeren Lemmaanzahl und Gesamtdatenmenge fallen die absoluten Zahlen allerdings recht klein aus, so dass Vergleiche mit anderen Korpusbefunden nur bedingt möglich sind. Für Substantive, die mittels Konversion aus nicht-flektierbaren Wortarten abgeleitet sind, ergeben sich im Rahmen der CELEX-Daten die folgenden Zahlen:



NullendungApostrophoverte MarkierungToken insgesamt
Konversion258 (20,8%)0983 (79,2%)1.241

Tabelle 3: Häufigkeit endungsloser Formen: Konversionen aus nicht-flektierbaren Wortarten (CELEX Datenbank)


Noch deutlicher fällt der Effekt bei Substantivierungen auf der Basis pronominaler Elemente aus (z.B. des Ich) Hier sind die endungslosen Formen sogar deutlich in der Überzahl:



NullendungApostrophoverte MarkierungToken insgesamt
Konversion137 (69,5%)060 (30,5%)197

Tabelle 4: Häufigkeit endungsloser Formen: Konversionen aus pronominalen Elementen (CELEX Datenbank)


Ergänzend haben wir für eine bestimmte Gruppe von Konversionen – Farbwörter –, über die in der Literatur teils sehr heterogene Aussagen gemacht werden, noch eine ergänzende Stichprobe gezogen. Dabei waren wir allerdings mit dem Problem konfrontiert, dass für eine Reihe von Farbwörtern (z.B. Schwarz, Weiß, Grün) keine relevanten Daten in der Genitivdatenbank enthalten sind, da sie offenbar vom Tagger nicht korrekt als Nomen erkannt und daher im Rahmen der maschinellen Lemmatisierung nicht erfasst wurden. Aus diesem Grund haben wir die Lücken in der folgenden Tabelle durch eine COSMAS-Recherche ergänzt (markiert durch ein hochgestelltes "†"; gesucht wurde jeweils des/eines+Farbwort, W-gesamt, DeReKo 2013-I, 18.09.2013).



NullendungApostrophoverte MarkierungToken insgesamt
Blau12 (40%)018 (60%)30
Gelb2 (28,6%)05 (71,4%)7
Grün14 (3,2%)0427 (96,8%)441
Rot12 (42,9%)016 (57,1%)28
Schwarz34 (100%)0034
Weiß32 (94,1%)1 (2,9%)1 (2,9%)34

Tabelle 5: Häufigkeit endungsloser Formen: Konversionen vs. Appellative


1 Auch für die in Tabelle 5 aufgeführten Befunde gilt, dass die Zahl der relevanten Belege aufgrund des eingeschränkten Recall nicht unbedingt repräsentativ ist. So hat eine COSMAS-Recherche (W-gesamt, DeReKo 2013-I, 18.09.2013) allein 14 endungslose Formen für das des/eines Gelb ergeben.

Der Anteil endungsloser Varianten bei (durch Konversion gebildeten) Farbwörtern liegt im Durchschnitt zwischen ca. 30% und 40%. Ausreißer sind dabei zum einen overt markierte Genitivformen von Grün (lediglich 3,2% Nullendungen), zum anderen endungslose Formen von Schwarz (100% Nullendungen) bzw. Weiß (94,1% Nullendungen). Bei Letzteren steht die Tendenz zur endungslosen Realisierung des Genitivs wohl in Verbindung mit Vorliegen eines s-Auslauts; die große Zahl von Bildungen auf -s bei Grün ist bei näherer Betrachtung darauf zurückzuführen, dass es sich bei der überwiegenden Zahl der Belege tatsächlich nicht um Farbwörter, sondern um appellativische Formen (in der Regel mit Bezug auf Pflanzen, Rasen u.ä.) handelt.

Der Anteil an Nullendungen bei Farbwörtern steht nicht im Einklang mit der im Grammatik-Duden vertretenen Auffassung, dass "[b]ei den substantivischen Farbbezeichnungen das Genitiv-s nach den traditionellen standardsprachlichen Normen obligatorisch [ist]" (S. 350). Bei Schwarz und Weiß räumt der Zweifelsfälle-Duden zwar ein, dass eine endungslose Realisierung des Genitivs eine Option darstellt (S. 304); nach unseren Erkenntnissen ist der Wegfall der Genitivendung hier allerdings bereits fast obligatorisch (unsere COSMAS-Recherche förderte lediglich eine (!) Ausnahme zutage).2 Interessanterweise ändert sich das Bild, wenn man (gängige) Komposita betrachtet, die als Letztglied ein Farbwort enthalten. Hier scheint wesentlich weniger Variation vorzuliegen. So tritt bei den Komposita Abendrot (53x im Korpus) und Morgenrot (33x im Korpus) ausschließlich die /-s/-Endung auf. Eine mögliche Erklärung für diesen Kontrast könnte durch die Annahme verfügbar werden, dass gängige Komposita als fertige lexikalische Formen im mentalen Lexikon zusammen mit der Wortartinformation gespeichert werden. Dadurch wird der ursprüngliche Konversionscharakter von Rot überschrieben und "unkenntlich" gemacht.

2 Neben dem bereits erwähnten Einfluss des Stammauslauts scheint die Wahl der Genitivmarkierung auch von syntaktischen Faktoren abhängig zu sein. So lassen sich auch hier wieder Fälle finden, in denen das Vorliegen eines weiteren Genitivattributs einen Wegfall des Genitivs bewirken zu scheint (vgl. Appel 1941):

(i)

Die Farben der Saxonia „rot-weiß-grün“ sind eine Vereinigung der Farben des westfälischen und des rheinischen Wappens; des Rot und Weiß Westfalens und des Grün und Weiß des Rheinlandes.
(WPD11/V39.11722: V.K.D.St. Saxonia Münster, In: Wikipedia - URL:http://de.wikipedia.org/wiki/V.K.D.St._Saxonia_Münster: Wikipedia, 2011)

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Eric Fuß
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