Sonderfälle

Verben mit Reflexivpronomen

Lesen Sie die Beispiele (1) und (2) und lösen Sie die Aufgabe:

(1) Na ja, ich wasche mich jeden Tag von Kopf bis Fuß. (Braunschweiger Zeitung, 31.08.2009)
(2) Ich wasche mir nach der Toilettenbenutzung immer die Hände. (Berliner Zeitung, 16.08.2003, S. 1)
Die Beispiele (1) und (2) enthalten beide das Verb waschen.
1) In (1) hat das Verb waschen zwei Komplemente: Das Subjekt ich und das Akkusativobjekt mich. Bedeutet das, dass zwei Mitspieler in der Handlung involviert sind?
a) Ja.
b) Nein.
2) In (2) hat das Verb waschen drei Komplemente: Das Subjekt ich, das Dativobjekt mir und das Akkusativobjekt die Hände. Bedeutet dass, dass drei Mitspieler in der Handlung involviert sind?
a) Ja.
b) Nein.
3) Das Akkusativobjekt mich in (1) und das Dativobjekt mir in (2) gehören beide zur selben Wortklasse. Welche Wortklasse ist das?

1) Nein. In (1) sind das Subjekt und das Akkusativobjekt auf eine und dieselbe Person bezogen. In der Situation ist also nur ein Mitspieler involviert und hat dabei gleichzeitig eine aktive Rolle (Subjekt) und eine passive Rolle (Objekt).

2) Nein. In (2) sind das Subjekt und das Dativobjekt auf eine und dieselbe Person bezogen. In der Situation sind also nicht drei, sondern zwei Mitspieler involviert. Der erste mitspieler ist einmal Urheber der Handlung (ich) und einmal Besitzer (mir) des zweiten Mitspielers (die Hände) – zur Vertiefung s. Pertinenzdativ.

3) Es sind beide Reflexivpronomina.

Wenn das Subjekt und das Objekt eines Verbs auf einen und denselben Mitspieler bezogen sind, dann ist das Objekt in der Regel ein Reflexivpronomen.
Verben mit Reflexivpronomen im Akkusativ verwendet man, wenn ein Mitspieler mit zwei verschiedenen Rollen in der Situation involviert ist.
Verben mit Reflexivpronomen im Dativ verwendet man, wenn zwei Mitspieler in der Situation involviert sind und eins davon zwei verschiedene Rollen hat.

Passivsätze

Beispiele (1) und (2) enthalten Sätze mit dem Verb begrüßen im Passiv. Lesen Sie die Beispiele und lösen Sie die Aufgabe:

(1) Gegen Mittag wurden wir von Frau Beckmann begrüßt. (Berliner Zeitung, 13.11.1997, S. 21)
(2) Damen und ältere Gäste werden zuerst begrüßt. (Berliner Zeitung, 07.10.2005, S. 25)
Welche Aussage ist richtig?
a) In (1) sind zwei Mitspieler in der Situation involviert, in (2) nur eins.
b) Sowohl in (1) als auch in (2) sind zwei Mitspieler in der Situation involviert.

b) Sowohl in (1) als auch in (2) sind zwei Mitspieler in der Situation involviert.

In einer Begrüßung sind in der Regel ein Mitspieler mit einer aktiven Rolle (der Begrüßende) und ein Mitspieler mit einer passiven Rolle (der Begrüßte) involviert. Wenn das Verb begrüßen im Passiv ist, steht der Begrüßte im Fokus und der Begrüßende im Hintergrund. In (1) ist die Identität des Begrüßenden (Frau Beckmann) bekannt und im Kontext relevant und deswegen wird er explizit genannt. Auch in (2) ist eine begrüßende Person in der Situation involviert, aber ihre Identität ist unbekannt oder unwichtig und deswegen wird sie nicht genannt.

Passivsätze beschreiben in der Regel Situationen mit einem aktiven und einem passiven Mitspieler. Der passive Mitspieler (Subjekt) steht im Fokus und muss immer genannt werden. Der aktive Mitspieler wird nur dann genannt, wenn seine Identität bekannt und/oder im Kontext relevant ist – zur Vertiefung s. Die Agens-Rolle in Aktiv- und Passivsätzen.

Präpositionalobjekt

Eine der schwierigsten Hürden beim Deutschlernen sind Verben mit Präpositionen. Verben mit Präpositionen sind im Grunde genommen Verben mit Objekt, aber das Objekt ist nicht eine Nominal- oder Pronominalphrase, sondern eine Präpositionalphrase. Deswegen redet man von Präpositionalobjekt. Das Präpositionalobjekt ist meistens im Akkusativ oder im Dativ. Die meisten Lehr- und Grammatikwerke für Deutsch als Fremdsprache haben Listen mit den wichtigsten Verben mit Präpositionalobjekt. Hier werden nur einige Beispiele aufgelistet – das Präpositionalobjekt ist fett markiert.
Lesen Sie die Beispiele, dann lösen Sie die Aufgabe:

  • denken an + Akkusativ:
    "Ich denke an meine Zukunft und möchte vielleicht mal eine Familie haben, wer weiß" (Nordkurier, 12.12.2011)
  • leiden an + Dativ:
    Jeder vierte Deutsche leidet an einer Allergie (Frankfurter Allgemeine, 17.03.1997)
  • warten auf + Akkusativ:
    Ab und zu fährt ein Güterzug oder ein ICE durch, eine Handvoll Menschen wartet auf die S-Bahn zum Hauptbahnhof. (Frankfurter Allgemeine, 23.09.1997)
  • basieren auf + Dativ:
    Christa-Maria Zimmermanns Buch basiert auf einer wahren Geschichte. (Braunschweiger Zeitung, 19.11.2005)
  • sorgen für + Akkusativ:
    Einige spektakuläre Unfälle sorgten für viel Aufregung. (Braunschweiger Zeitung, 20.10.2005)
  • sich beschäftigen mit + Dativ:
    Immer mehr Kinder beschäftigen sich mit dem Computer. (Rhein-Zeitung, 27.10.1999)
  • schmecken nach + Dativ:
    Das Bier schmeckte nach Spülmittel. (Spiegel-Online, 10.01.2019)
  • sich kümmern um + Akkusativ:
    In meiner Freizeit kümmere ich mich um meinen Garten und arbeite gerne mit Holz. (Braunschweiger Zeitung, 02.04.2008)
  • träumen von + Dativ:
    Wir alle träumen von einer besseren Welt. (Hannoversche Allgemeine, 03.12.2010)
Das Präpositionalobjekt der aufgelisteten Verben ist mal im Akkusativ, mal im Dativ. Wovon hängt das ab? Eine Antwortoption ist falsch:
a) Vom Verb.
b) Von der Rolle des Mitspielers, auf den das Präpositionalobjekt bezogen ist, in der Situation.
c) Von der Präposition.

Die Antwortoption b) ist falsch.

Die Sätze in den Beispielen beschreiben Situationen, in denen zwei Mitspieler involviert sind. Deswegen hat das Verb zwei Komplemente: Subjekt und Präpositionalobjekt. Das Präpositionalobjekt der meisten deutschen Verben ist im Akkusativ oder im Dativ. Das hängt nicht von der Rolle des Mitspielers ab, auf den das Präpositionalobjekt bezogen ist, sondern von der Präposition und/oder vom Verb.
Einige Präpositionen werden immer nur mit Akkusativ verwendet – z.B. für und um.
Einige Präpositionen werden immer nur mit Dativ verwendet – z.B. mit, nach, von.
Einige Präpositionen können mit Akkusativ oder mit Dativ verwendet werden – z.B. an und auf. Das hängt vom Verb ab.

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Autor(en)
Giorgio Antonioli
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