Sonderfälle

Verben mit Reflexivpronomen

(1) Am Morgen wasche ich mich immer vor dem Frühstück.
(2) Vor dem Essen wasche ich mir immer die Hände.

Die Sätze (1) und (2) haben die gleiche grammatische Struktur wie die vorherigen Beispiele. In Satz (1) beschreibt das Verb waschen eine Handlung mit zwei Mitspielern – ich,mich. Die entsprechenden Ergänzungen sind im Nominativ bzw. im Akkusativ. Wenn wir dieses Beispiel mit den vorherigen Beispielen vergleichen, merken wir allerdings sofort einen Unterschied. In den anderen Beispielen sind die zwei Mitspieler immer zwei verschiedene Menschen oder Dinge. In Satz (1) ist das nicht der Fall, denn beide Mitspieler sind die gleiche Person. In Satz (2) hat das Verb waschen drei Ergänzungen: Subjekt, Dativobjekt und Akkusativobjekt. Auch in diesem Fall sind es eigentlich zwei Mitspieler. Subjekt und Dativobjekt beziehen sich auf eine einzelne Person, die gleichzeitig zwei Rollen spielt. Einmal ist sie Urheber der Handlung (ich) und einmal ist sie Besitzer (mir) des zweiten Mitspielers (die Hände) – zur Vertiefung s. Pertinenzdativ.

Das bedeutet, dass ein Mitspieler in einer Handlung gleichzeitig mehrere Rollen spielen kann.

Ein interessantes Beispiel dafür sind Beschreibungen von Verletzungen:

(3) Ich habe mich auf der Arbeit verletzt.
(4) Ich habe mir die Finger in der Tür gequetscht.

In Satz (3) ist nur ein Mitspieler in der Handlung involviert, der gleichzeitig eine aktive und eine passive Rolle hat. Unbewusst verursacht er die Situation und gleichzeitig ist er Opfer davon. In Satz (4) sind zwei Mitspieler involviert. Der erste Mitspieler verursacht unbewusst die Situation und ist zugleich Besitzer des zweiten Mitspielers (Finger).

Passivsätze

Eine der häufigsten Grammatikübungen zum Passiv besteht darin, Aktivsätze in Passivsätze umzuwandeln. Zum Beispiel:

(1) Der Direktor begrüßt die neuen MitarbeiterDie neuen Mitarbeiter werden (vom Direktor) begrüßt.

Die farbliche Markierung der Satzteile zeigt uns etwas Interessantes. Der Aktivsatz beschreibt eine Handlung, in der zwei Mitspieler involviert sind. Der eine Mitspieler hat eine aktive Rolle (der Direktor), der andere Mitspieler hat eine passive Rolle (die neuen Mitarbeiter). Dem aktiven bzw. dem passiven Mitspieler entsprechen das Subjekt bzw. das Akkusativobjekt. Im Passivsatz entspricht das Subjekt nicht dem aktiven, sondern dem passiven Mitspieler. Der aktive Mitspieler wird durch den Satzteil vom Direktor dargestellt. Dieser Satzteil steht zwischen Klammern, weil der Satz auch ohne ihn funktioniert:

(2) Die neuen Mitarbeiter werden begrüßt.

Beschreibt der Passivsatz (2) also eine Handlung mit nur einem Mitspieler? Nein. In der Handlung begrüßen sind nach wie vor ein aktiver und ein passiver Mitspieler involviert. Wenn wir die Handlung durch einen Passivsatz beschreiben, kommunizieren wir aber, dass der passive Mitspieler im Kontext mehr Gewicht als der aktive Mitspieler hat. In unserem Fall heißt das: "Die neuen Mitarbeiter werden begrüßt. Wer begrüßt sie? Wir können oder wollen es nicht sagen" – zur Vertiefung s. Die Agens-Rolle in Aktiv- und Passivsätzen.

Präpositionalobjekt

Eine der schwierigsten Hürden beim Deutschlernen sind Verben mit Präpositionen. Verben mit Präpositionen sind im Grunde genommen Verben mit Objekt, aber das Objekt ist nicht ein Nomen oder Pronomen allein, sondern ein Nomen oder Pronomen mit Präposition. Deswegen reden wir vom Präpositionalobjekt. Das Präpositionalobjekt ist meistens im Dativ oder im Akkusativ, seltener im Genitiv. Woher wissen wir, welcher Kasus passt? Die meisten Lehr- und Grammatikwerke für Deutsch als Fremdsprache enthalten ausführliche Listen mit den wichtigsten Verben mit Präpositionalobjekt. Hier werden nur einige Beispiele angeführt. Das Präpositionalobjekt ist fett markiert:

(1) Meine Verwandte haben sich für die Geschenke bedankt.
(2) Die Nachbarn haben sich wieder über den Lärm beschwert.
(3) Letztes Jahr habe ich an einer Fortbildung teilgenommen.
(4) Vor der Fußball-WM glaubten nicht alle an den Sieg Argentiniens.
(5) Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
(6) Alle sind in sie verliebt.
(7) Ich mache mir Sorgen um meinen Sohn.
(8) Der Hausmeister beschäftigt sich gerade mit Wartungsarbeiten im Keller.

Das Präpositionalobjekt ist ein Sonderfall, weil sein Kasus nicht mit der Rolle des entsprechenden Handlungsmitspielers zusammenhängt. Stattdessen hängt er von der Präposition ab. Manche Präpositionen verwenden wir nämlich nur mit Dativ (mit, bei, von, aus, zu, ab, gegenüber) bzw. nur mit Akkusativ (z.B. für, um, durch, ohne, gegen, bis). Andere Präpositionen können wir abhängig vom Verb sowohl mit Dativ als auch mit Akkusativ verwenden (z.B. an, auf, über, unter, in). Außerdem gibt es eine feste Verbindung zwischen Präposition und Verb, d.h. zu bestimmten Verben passen nur bestimmte Präpositionen – z.B. warten auf und nicht warten für. Aus diesen Gründen sind Verben mit Präpositionalobjekt (leider) auswendig zu lernen.

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Autor(en)
Giorgio Antonioli
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