Tempus

Die Kategorisierung Tempus im verbalen Paradigma umfasst im Deutschen die Kategorien Präsens, Präteritum, Futur, Präsensperfekt, Präteritumperfekt und Futurperfekt. Diese sechs Tempora bilden zusammen ein System zur sprachlichen Darstellung zeitlicher Zusammenhänge in der Kommunikation. Außer den Tempora – und damit als grammatisches Mittel außerhalb des Tempus-Systems – können Adverbialia (z. B.: im letzten Jahr) und Nominalphrasen (z. B.: die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten) zur zeitlichen Einordnung von Sachverhalten beitragen.

Wenn wir hier von Zeit sprechen, befinden wir uns auf unsicherem Terrain. 'Zeit' ist im Deutschen ein polysemer (mehrdeutiger) Begriff. Einerseits meinen wir damit alltagssprachlich die Spanne zwischen zwei Punkten, die in ihrer Dauer gemessen werden kann, oder einen mehr oder minder festgelegten Zeitraum, andererseits bezeichnen wir mit 'Zeit' bzw. 'Zeiten' ein grammatisches Phänomen. Mit der grammatischen Zeit 'Tempus' bzw. 'Tempora' sind wir in der Lage, Handlungen und Sachverhalte, die wir sprachlich beschreiben und vermitteln, auf einer Zeitschiene relativ zum Zeitpunkt der Äußerung anzuordnen. Um die Polysemie aufzulösen, werden wir künftig bei der Beschreibung des grammatischen Phänomens nur noch die Begriffe 'Tempus' bzw. 'Tempora' verwenden. Ähnlich halten wir es mit den alltagssprachlichen Begriffen Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit versus den grammatischen Termini 'Präsens', 'Futur' und 'Präteritum'.

Verbformen unterschiedlicher Art bringen das jeweilige Tempus zum Ausdruck. Die Tempusform bezieht sich jedoch nicht nur auf das Verb bzw. die Verben sondern auf den ganzen Satz. Ausnahmen gibt es auch hier:

Bundeskanzlerin Angela Merkel war von 1990 bis 1994 Bundesministerin für Frauen und Jugend.

Bundeskanzlerin als Bezeichnung von Angela Merkel muss außerhalb des Skopus des Präteritums liegen, da die Betrachtzeit zwischen 1990 und 1994 liegt und da war Angela Merkel nachweislich nicht Bundeskanzlerin.

  • Neben den Verbalmorphemen können auch andere Wortschatzeinheiten bzw. Wortgruppen in Funktion des Temporaladverbiales die Aufgabe übernehmen, Zeiteinordnungen und Zeitbezüge auszudrücken:
Morgen fährt sie zum G8-Gipfel nach Paris.
In zehn Jahren hat das Ministerium das Projekt abgeschlossen.

Beschreibungsaspekte

Die thematische Einheit "Tempus" wird unter drei Gesichtspunkten betrachtet. Der erste Teil besteht aus einer Beschreibung des Formenbestandes des Tempussystems. Der Formenbestand besteht im Deutschen aus finiten und infiniten Verbformen, dabei müssen synthetische und analytische Bildungen unterschieden werden.

Die Wirtschaftskrise bewirkt ein Umdenken.
Die Wirtschaftskrise bewirkte ein Umdenken.
Die Wirtschaftskrise wird ein Umdenken bewirken.
Die Wirtschaftskrise hat ein Umdenken bewirkt.
Die Wirtschaftskrise hatte ein Umdenken bewirkt.
Die Wirtschaftskrise wird ein Umdenken bewirkt haben.

Ein besonderes Gewicht liegt bei der Beschreibung des Formenbestands auf den Perfektformen. Die Perfektformen stehen im Vordergrund, weil sie als zusammengesetzte Formen einen größeren Formenbestand aufweisen als die einfachen Tempora. Bei der Bildung dieser analytischen Formen muss immer entschieden werden, welches der beiden Hilfsverben haben oder sein verwendet werden muss. Es gibt Kriterien für die Wahl des Hilfsverbs. Nicht immer sind sie jedoch vollkommen trennscharf.

Der zweite Teil widmet sich der Bedeutung der Tempora. Wurde im ersten Teil die Ausdrucksseite der verschiedenen Tempora beschrieben, so geht es bei der Bedeutungsbeschreibung darum, wie die einzelnen Tempora interpretierbar sind. Es soll klar werden, welche Funktionen die Tempora in der verbalen Kommunikation haben.

Der dritte Teil befasst sich mit den einzelnen Tempora. Wir beschreiben darin neben den spezifischen Merkmalen des Ausdrucks die unterschiedlichen Funktionen der einfachen und zusammengesetzten Tempora und z. B. auch die spezifischen Unterschiede der beiden Vergangenheits-Tempora Präteritum und Präsensperfekt.

Wesentlich ist unseren Überlegungen, sowohl bei der allgemeinen Betrachtung der Bedeutung der Tempora als auch bei der Betrachtung der einzelnen Tempora, dass Zeit immer relativ ausgedrückt wird. Grammatische Zeit wird bestimmt als Relation zwischen einer Sprechzeit oder einer eingeführten Orientierungszeit und einer Betrachtzeit, in der ein Sachverhalt oder eine Handlung stattfindet.

In unserer Beschreibung des Tempussystems des Deutschen unterscheiden wir die einfachen und synthetischen Formen Präsens und Präteritum und das einfache aber analytisch gebildete Futur auf der einen Seite und die zusammengesetzten und analytischen Formen Präsensperfekt, Präteritumperfekt und Futurperfekt auf der anderen Seite.

Mit den Bezeichnungen 'Präsensperfekt' für Perfekt, 'Präteritumperfekt' für Plusquamperfekt und 'Futurperfekt' für Futur II wird der Bedeutung der zusammengesetzten Zeiten (z. B. Präsensperfekt: Hilfsverb im Präsens + Partizip Perfekt) Rechnung getragen.

Übung zum Tempus-System

Übung zum Tempus

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