Subjektloses werden-Passiv
Werden-Passivformen finden sich auch bei Verben, die in ihrer lexikalischen Grundausstattung kein Kakk vorsehen.
(40 Tage im Herbst, Sendung des SWR1 1999)
In der Folge wurden Sketche aufgeführt, blauweiß gewürfelter Frohsinn, es wurde gejodelt und ins Blech gestoßen.
(Die Zeit 30.12.1994, 50)
Außerdem finden sich Verben mit einer Lesart, in der sie ohne Kakk auftreten können.
In der Schule wird gelacht,
bis der Lehrer pitsch-patsch macht.
(Kinderreim)
Da wird getrunken, gesungen, getanzt und geliebt, bis das Ziel erreicht ist: Vier Frauen kriegen den Mann, vier Männer die Frau, die sie haben wollten.
(Die Zeit 5.7.1996, 41)
Auch ein es, das in bestimmten Fällen auftritt, fungiert nicht als Subjekt des Satzes. Es ist expletiv, d. h. es dient lediglich dazu, dem finiten Verb, wo eine andere Besetzung des Vorfelds fehlt, in der linearen Abfolge die Position zuzuweisen, die es nach Maßgabe des gegebenen Satzmodus einzunehmen hat.
Bemerkenswert ist, dass bei subjektlosem werden-Passiv trotz nicht vorhandenem Subjekt Reflexiv-Pronomina vorkommen können:
(D. Hildebrandt, Scheibenwischer)
Das subjektlose werden-Passiv kann nicht in Infinitivkonstruktionen vorkommen:
Jedoch nicht:
Bei Infinitivkonstruktionen muss ein dem Subjekt der finiten Konstruktion entsprechendes Komplement zur Verfügung stehen, damit die semantische Interpretation gelingen kann.
Nicht zwingend, aber doch typisch für das subjektlose werden-Passiv ist das Fehlen der Information, die in entsprechenden Aktivsätzen als Subjekt zu formulieren wäre. Zwar kann diese, wie bei allen Sätzen mit werden-Passiv, als Kprp eingeleitet mit von - seltener: durch - realisiert werden, doch vor allem, wo, wie bei subjektlosem werden-Passiv, jedes Subjekt fehlt, kann dies oft etwas verquer wirken, weil es eigentlich den Witz der Passiv-Verwendung verfehlt, der darin besteht, gerade die Information auszusparen oder entscheidend geringer zu gewichten, die bei entsprechenden Aktivformen in der prominenten Position des Subjekts zu formulieren wäre.
Als Konstruktion unauffällig wirken solche Formulierungen nur, wenn sie im Anschluss an eine Äußerung verwendet werden, die von analogen Strukturen Gebrauch gemacht haben:
Etwas hölzern wirken sie insbesondere dann, wenn das Kprp auch noch topikalisiert an den Satzanfang gestellt wird, also eine Position einnimmt, in welcher der entsprechenden Information besondere Aufmerksamkeit zukommt:
Voll akzeptabel sind solche Formulierungen nur, wenn damit bei entsprechender Betonung ein Kontrast zum Ausdruck gebracht werden soll, etwa so:
Wenn man - vor allem in förmlich gehaltenen Texten - manchmal dennoch auf Formulierungen wie diese trifft:
dann dürfte dies im Allgemeinen darauf zurückzuführen sein, dass der Schreiber sich bemüht, eine tradierte Höflichkeitsform zu wahren, nach der Formulierungen zu vermeiden sind, bei denen ich oder wir am Satzanfang platziert wird.