Der erfolgreiche Gebrauch von Nominalphrasen

Dass man korrekte Beschreibungen von Gegenständen dazu nutzen kann, für Gesprächspartner oder Leser klarzustellen, wovon die Rede sein soll, scheint sich von selbst zu verstehen. Weniger klar ist, wie dies mit Phrasen wie ein Mord, der keiner war oder der gefälschte Cézanne gelingen kann, denn damit werden Beschreibungen gegeben, von denen zugleich festgehalten wird, dass sie unzutreffend sind.

Was hier verwirren kann, ist die stillschweigende Annahme, dass der erfolgreiche Gebrauch von Nominalphrasen zur Bestimmung von Redegegenständen abhängt vom Zutreffen der damit gegebenen Beschreibung. Diese Annahme verkennt die Natur des Problems, das unter Verwendung von Nominalphrasen zu lösen ist: Es geht vor allem darum, Koordination zu erreichen. Der Sprecher meint etwas und der Hörer muss herausfinden, was das ist. Das kann unter - keineswegs ungewöhnlichen - Umständen auch dadurch erreicht werden, dass der Sprecher eine sachlich falsche Beschreibung des Gegenstands gibt. Ein einfaches Beispiel:

Ein Tourist fragt einen Passanten: "Wie komme ich am schnellsten zum Hauptbahnhof?" Der Passant antwortet: " Biegen Sie da vorn bei dem Friseur rechts ab, und fahren Sie dann gerade aus, bis Sie zu einer Kreuzung kommen, an der links eine Tankstelle liegt. Dort biegen Sie wieder rechts ab, dann können Sie den Bahnhof schon sehen."

Die Chancen stehen gut, dass der Tourist den Bahnhof findet, auch wenn der Friseur in Wirklichkeit ein Perückengeschäft und die Tankstelle eine Autowerkstatt ist, denn solche Beschreibungen werden in der Praxis bis zu einem gewissen Grad fehlertolerant interpretiert. Würde der Passant anstelle von Friseur sagen Obstgeschäft, wäre der Erfolg der Wegbeschreibung eher gefährdet.

Es gibt zahllose Szenarien, in denen es trotz sachlich unangemessener Beschreibung zur erfolgreichen Lösung des Koordinationsproblems kommen kann. Entscheidend ist immer, dass der Sprecher bzw. Schreiber eine Beschreibung gibt, die dem Hörer bzw. Leser unter den gegebenen Umständen eine hinreichend präzise Vorstellung davon vermittelt, von welchem Gegenstand die Rede sein soll. Hinge der Erfolg einer Beschreibung immer von ihrer sachlichen Richtigkeit ab, käme es unsere alltägliche Kommunikation weit häufiger zu Missverständnissen, als dies faktisch der Fall ist.

Fehlertoleranz ist auch die Basis für den erfolgreichen Gebrauch von Nominalphrasen wie ein Mord, der keiner war. Dabei muss zwar nicht wirklich eine sachlich falsche Beschreibung tolerant ausgelegt werden, denn es wird ja ausdrücklich festgestellt, dass ein Mord als Beschreibung unzutreffend wäre. Dennoch kommt gerade diesem Kernstück der Nominalphrase entscheidende Bedeutung für den erfolgreichen Einsatz der Phrase zu, denn es nutzt den Umstand, dass das gemeinte Ereignisses einem Mord hinreichend ähnlich war, zur Lösung des Koordinationsproblems.

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