Numerusflexion
Im Deutschen wie in anderen Sprachen stellt der Plural den markierten Numerus dar. Der Plural kann durch Pluralsuffixe in Verbindung mit bestimmten Stammformen (frz. lexèmes de base; radicaux) mit/ohne Umlaut (") gekennzeichnet werden. Für den Singular stehen keine gesonderten Numerusaffixe zur Verfügung.
Es gibt auch Nomina, die semantisch auf einen Numerus festgelegt sind (Singulariatantum, Pluraliatantum), z. B. Stoffnamen, Eigennamen; wenn die entsprechenden Singular- bzw. Pluralformen flexionsmorphologisch gebildet werden können, werden sie in der Regel in einer anderen Bedeutung gebraucht.
Beispiele für Singulariatantum:
- Stoffnamen: Fleisch, Milch, Salz, Sand. Wenn Stoffnamen auch eine Pluralform haben, bezeichnet diese verschiedene Sorten, z. B. Hölzer, Öle, Salze.
- Eigennamen: Gisela, Horst; Schmidt, Meier; Frankreich, Amerika; Rhein. Wenn Eigennamen auch eine Pluralform haben, findet ein mit einem Bedeutungswechsel verbundener Übergang vom Eigennamen zum Gattungsnamen statt, z. B. die Annas, die Müllers, die Amerikas.
- Kollektiva: Obst, Vieh; Abstrakta: Hitze, Treue;Weltall, Schlaf.
Beispiele für Pluraliatantum:
- Eigennamen: die Niederlande, die Alpen.
- Kollektiva: Trümmer, Eltern, Geschwister, Leute, Spesen.
Das Französische verfügt auch über Singulariatantum und Pluraliatantum. In vielen Fällen decken sich das Französische und das Deutsche ab; meistens gibt es dafür semantische Gründe:
Singulariatantum: Schmitt; Dupont; la France
Pluraliatantum: les Alpes; les Pays-Bas; les décombres; les gens
In anderen Fällen weicht das Französische vom Deutschen ab; hier handelt es sich wahrscheinlich um historisch gewachsene Bezeichnungen:
Singulariatantum: la rougeole (Masern)
Pluraliatantum: les épinards (Spinat); les environs (Umgebung)
-(e)n, -(e), "-(e), "-er, -s.
Manche Pluralformen sind aus phonologischen Gründen suffixlos. Sie besitzen dann gar keinen (Nomina ohne Pluralmarker) oder nur den Umlaut als Pluralmarker.
Im Gegensatz zum Deutschen stehen im Französischen zur Markierung des Plurals am Nomen in
der Schrift nur die suffixalen Marker -s und -x zur Verfügung,
wobei der s-Plural den weitaus häufigsten Fall darstellt. Nomina, deren
Singularform bereits auf -s oder -x lautet, erhalten im Plural
keinen zusätzlichen Marker (un/des cas; un/des prix).
Das
Plural-s markiert sowohl maskuline als auch feminine Nomina. Anders als im
Deutschen gibt es also keine genusabhängigen Flexionsklassen.
Betrachtet man das Nomen isoliert, das heißt außerhalb eines Satzzusammenhangs und ohne seine eventuellen Begleiter, beschränkt sich das Anhängen von -s auf eine rein graphematische Markierung des Plurals ohne phonetische Auswirkungen (chien/chiens; voiture/voitures). Im gesprochenen Französisch ist die Pluralform des Nomens selbst nur dann als solche auszumachen, wenn es mit einem darauffolgenden vokalischen Anlaut zur liaison (realisiert als [z]) kommt:
avec armes et bagages
Da aber die heutige Umgangssprache zur Vernachlässigung der liaison tendiert, kommt es de facto nur sehr selten zur phonetischen Pluralmarkierung des Nomens selbst. Hierin liegt wohl im Bereich der nominalen Pluralmarkierung der größte Unterschied im Vergleich zum Deutschen, wo ja in den meisten Fällen auch das isoliert auftretende pluralisch markierte Nomen als solches erkennbar ist:
Frauen und Kinder zuerst!
Allerdings muss in einer französischen Nominalphrase prinzipiell immer ein Artikel stehen (Ausnahmen bilden z. B. Überschriften oder feste Redewendungen wie "promettre monts et merveilles"), der dann die Pluralmarkierung unzweifelhaft übernimmt:
Les femmes et les enfants d'abord!
Die phonetische Markierung erfolgt also im Regelfall nicht direkt am Nomen, sondern an seinen Begleitern innerhalb der Nominalphrase, das heißt am Artikel und manchmal zusätzlich am Adjektiv (des cas normaux). Bei vokalischem Anlaut des Nomens kommt es auch hier zur liaison durch [z] (les arbres), und besonders in diesem Fall beteiligt sich auch ein vorangestelltes Adjektiv an der Pluralmarkierung der Nominalphrase (de forts orages).
Die meisten Nomina, die auf -au, -eau, -eu auslauten sowie einige Nomina auf -ou, erhalten im Plural den graphematischen Marker -x (der sich phonetisch wie das oben beschriebene Plural-s verhält):
tuyau/tuyaux; sceau/sceaux; pou/poux
Bei einigen wenigen Nomina unterscheidet sich der Plural auf systematische Weise phonetisch von der Singularform. Dies geschieht bei den meisten Nomina auf -al sowie manchen Nomina auf -ail, welche ihren Plural auf -aux [o] bilden:
cheval/chevaux (aber
bal/bals)
travail/travaux (aber
détail/détails)
Die Nomina oeuf, boeuf und os verhalten sich zwar graphematisch nicht auffällig (Plural: oeufs; boeufs; os), markieren aber phonetisch die Pluralform durch Vokalwechsel (frz. changement de voyelle, alternance vocalique) und Wegfall des Endkonsonanten (bei os nur fakultativ).
Schließlich weisen insgesamt drei Nomina gänzlich unregelmäßige Pluralformen auf:
oeil/yeux; ciel/cieux; aieul/aieux,
während für spezifische Verwendungsweisen auch die regelmäßig gebildeten Formen zur Verfügung stehen.
Genusunabhängige Pluralbildung (phonologische Kriterien)
Flexionsaffixe sind nicht akzentuierbar (betonbar). Flexionsaffixe, die eine Silbe bilden, können als einzige Vokale die nicht akzentuierbaren Laute [ə] (Schwa) oder [ɐ] (vokalisches r) enthalten. Pluralformen morphologisch einfacher Nomina setzen sich prototypisch aus einer Stammsilbe, die den Hauptakzent trägt, und einem nicht akzentuierten Pluralsuffix zusammen. Sie haben im Deutschen also die Abfolge betonte/unbetonte Silbe (vgl. Eisenberg (2006: 166)). Beispiele (betonte Silben sind rot, die Pluralsuffixe fett markiert):
der Wolf → die Wölfe; das Kind → die Kinder
Nomina mit mehrsilbigen Stammformen, deren letzte Silbe das nicht betonbare Schwa enthält, würden gegen dieses Prinzip verstoßen, wenn mit einem Pluralsuffix eine weitere unbetonte Schwa-Silbe an die Stammform treten würde. Solche Nomina erhalten folglich eine nichtsilbische (schwalose) Variante der entsprechenden Pluralmarker (-n, endungslos, nur Umlaut), die Abfolge betonte/unbetonte Silbe bleibt somit im Plural erhalten:
die Ampel → die Ampeln; der Mieter → die Mieter; die Mutter → die Mütter;
Es gibt im deutschen Kernwortschatz nur wenige morphologisch einfache Nomina mit zweisilbigen Stammformen, deren Flexionsformen untypisch zwei aufeinander folgende unbetonte Silben besitzen, z. B. Arbeit - Arbeiten (Pl.). Es treffen aber keine zwei Schwa-Silben aufeinander, da das nasale Suffix eine Silbe ohne Schwa bildet (mit silbischem n [n̩]), z. B. Arbeiten ['arbaitn̩].
Formen mit Abfolgen von bis zu drei unbetonten Silben (auch Schwa-Silben) sind bei der Komparation der Adjektive (z. B. schwächere, selteneres) hingegen der Normalfall. In der Verbflexion sind (maximal) zwei aufeinander folgende Schwa-Silben bei bestimmte Verben möglich (z. B. rudere, betete). Vgl. Eisenberg 1998: 136f.
Der s-Plural besitzt keine schwahaltige Variante und bildet niemals eine eigene Silbe. Das vokalische r im Suffix des "-er-Plurals ([ɐ], [ɐʁ]) wird immer realisiert und bildet eine Silbe:
die Bar → die Bars; der Reichtum → die Reichtümer
Nicht-Setzung von Schwa
Die Klammern um -(e) bei den Pluralmarkern kennzeichnen die Nicht-Setzung des Schwa-Lautes [ə] nach unbetonten Silben im Stamm:
a) | [ə]: | Hose - *Hoseen → Hosen | |
b) | [ə] +Konsonant: | Ampel - *Ampelen → Ampeln ; Segel - *Segele → Segel | |
c) | [ɐ]: | Mutter - *Müttere → Mütter | |
d) | unbetonter Kurzvokal + Liquid (l, r): | Nachbar - *Nachbaren →Nachbarn |
Umlaut/Umlautfähigkeit
Nicht alle Nomina mit den Pluralmarkern "-(e) oder "-er, die eine Kombination aus Umlaut + Suffix bilden, sind auch umlautfähig:
Kind - Kinder
Umlautfähigkeit führt aber nicht zwingend zu Umlaut im Plural:
Wolf - Wölfe; Hund - Hunde;
Es kann deshalb nicht von einem Marker (")-(e) ausgegangen werden, sondern von zwei verschiedenen: "-(e) mit Umlaut und -(e) ohne Umlaut. Für "-er gilt das nicht, da hier der Umlaut bei umlautfähigen Nomina grundsätzlich steht.
Nomina ohne Pluralmarker
Folgende nicht-umlautfähigen (bzw. im Rahmen der Wortbildung bereits umgelauteten) Maskulina/Neutra, deren Stammformen auf bestimmte unbetonte Wortbildungs- bzw. Pseudosuffixe enden, besitzen keine Pluralmarker, sofern sie keine n-Plurale bilden (z. B. die Bibeln):
Wortbildungssuffix | Pseudosuffix | Beispiel (Nom. Sg./Pl.) |
-el | -el | Deckel; Esel |
-tel | Viertel | |
-er, -er/-ler/-ner etc. | -er | Lyriker; Lehrer, Segler, Rentner; Eimer |
-en | Segen | |
-lein bzw. -el | Vögelein, Bündel | |
-chen | Mädchen |
Die Stammformen, die nicht auf Nasal enden, können im Dativ Plural den Kasusmarker -n erhalten, was die resultierende Form auch kontextlos (z. B. in einer Nominalphrase ohne Begleiter) eindeutig als Pluralform kennzeichnet, z. B. Eseln, Lehrern (Dat.Pl.).
Bei Nomina ohne Pluralmarker kann von einer Bildung mit dem Pluralmarker (e) ausgegangen werden, bei der das -e aus phonotaktischen Gründen nicht realisiert wird, z. B. die Wagen (*Wagene). Bei Bildungen mit dem Pluralmarker "-(e) kann, wenn das -e aus phonotaktischen Gründen nicht realisiert wird, aber eine umlautfähige Stammform vorliegt, der Umlaut als alleiniger Pluralmarker stehen, z. B. die Mütter (*Müttere), aber: die Segel (*Segele).
Wortauslaut und Selektion der Pluralmarker (n-Plural)
Neben der Selektion nach Genus korreliert die Wahl der Pluralmarker teilweise mit phonologischen, den Wortauslaut betreffenden Merkmalen der Nomina, die weitgehend genusunabhängig sind. Sie geben zusätzliche, verlässliche Hinweise zur Pluralbildung, die aber grundsätzlich auch genusdeterminiert erklärt werden kann.
c) | Nomina auf -[ə] bilden den Plural auf -n: | Jacken f., Riesen m., Augen, n. |
Hier liegt nur eine bedingt genusunabhängige Selektion vor, da die Gruppe der Neutra auf -[ə] mit n-Plural sehr klein ist (z. B. Ende, das Junge). Neutra auf -[ə] sind überwiegend Abstrakta (z. B. das Erbe) und/oder Wortbildungen (z. B. Nominalisierungen: das Schöne), die keine Plurale bilden können. |
Nomina mit unbetontem Vollvokal im Wortauslaut (z. B. Opa) weisen ebenfalls eine phonologisch gesteuerte Pluralbildung auf, die im Folgenden unter dem Aspekt der Markiertheit betrachtet wird.
Phonologische Markiertheit (s-Plural)
Bestimmte Nomina tragen phonologische und teilweise lexikalische Merkmale, die sie für die Pluralbildung als markiert kennzeichnen. Sie erhalten den Pluralmarker -s. Dazu zählen:
d) fast alle Nomina auf unbetonten Vollvokal: Omas, Uhus, Autos
also auch Kurzwörter und Akronyme wie
Unis, LKWs
['ɛlka:ve:s] (aber auch endbetont: [ɛlka:'ve:s]).
Ausnahmen bilden einige Nomina mit en-Plural:
Villa - Villen, Konto - Konten, Firma - Firmen.
Viele dieser Nomina haben auch konkurrierende Pluralformen (Pizza - Pizzen/Pizzas). Gelegentlich sind auch fremdsprachliche Pluralsuffixe gebräuchlich (Saldo - Salden/Saldos/Saldi usw.). Die Wahl des en-Plurals kann hier als Integrationsprozess durch Markiertheitsabbau betrachtet werden.
e) Fremdwörter mit fremdsprachlicher (markierter) Aussprache oder betontem
Vollvokal im Auslaut.
Jobs [ʤɔps], Chansons [ʃã'sɔ̃s]
Bei eingedeutschter Aussprache werden unmarkierte Pluralmarker verwendet:
Balkon [bal'kɔŋ, bal'ko:n]- Balkone. Aber:
Balkon (frz. Aussprache) [bal'kɔ̃] -
Balkons
In der Regel ist nur der Auslaut für den phonologisch markierten
s-Plural relevant:
Computer [kɔm'pju:tɐ] - Computer
(Bei englischen Fremdwörtern auf -er wird der Auslaut deutsch
ausgesprochen).
f) Eigennamen (mit
Bedeutungsverschiebungen im Plural)
Vornamen: die Pauls
(Gruppe von Personen mit diesem Vornamen), Nachnamen: die Bäckers
(Familie bzw. ihre Mitglieder, Träger des Nachnamens)
g) Onomatopoetika (die Wauwaus)
h) Metalinguistische Substantivierungen (die Warums, die Ichs, die Bs)
Die phonologische Markiertheit oben genannter Nomina resultiert auch aus dem Bestreben des Sprechers, die Lautstruktur der Nomina zu bewahren, um ihre lexikalische Sonderstellung hervorzuheben. Die Wahl des s-Plurals ist dazu besonders geeignet, da Laut- und Silbenstruktur der Nomina bewahrt werden (kein Umlaut, kein silbischer Pluralmarker).
Genusabhängige Pluralbildung
Deutsche Nomina, die phonologisch unmarkiert sind, weisen eine genusabhängige Pluralbildung auf:
Maskulina und Neutra bilden vorwiegend Plurale auf -(e)
- Markierte Varianten innerhalb der genusabhängigen Pluralbildung sind Maskulina und Neutra auf -(e)n und Feminina auf "-(e) im Plural.
- Maskulina und Neutra besitzen auch markierte Plurale auf "-er.
- Der Pluralmarker "-(e) kommt in allen drei Genera vor, bei Neutra allerdings sehr selten (nur:Flöße, Klöster, Wässer).
- Der s-Plural wird genusunabhängig gebildet und kommt in allen drei Genera vor.
Übersicht der Pluralmarker bei den drei Genera mit Beispielen (unmarkierte Typen orange unterlegt, seltene Fälle in Klammern):
Bei Fremdwörtern treten verschiedene Arten der Pluralbildung auf, die unterschiedliche Stufen der Anpassung an des deutsche Deklinationssystem widerspiegeln (deutsche Pluralmarker - Misch-/Doppelformen - nur fremdsprachliche Pluralmarker):
Mit deutschen Pluralmarkern, z. B.:
Mikrophone, Qualitäten, Kardinäle, Hospitäler, Pizzas (vgl. aber auch Pizzen).
Eine besondere Gruppe bilden hier Fremdwörter mit en-Plural, bei denen unbetonte Wortausgänge im Plural wegfallen, z. B.:
Rhythmus - Rhythmen, Organismus - Organismen, Museum - Museen, Pizza - Pizzen.
Zusätzlich mit abweichendem Pluralbildungsstammform, z. B.:
Prinzip - Prinzipien.
Mit fremdsprachigen Pluralmarkern, z. B.:
Lexikon - Lexika, Index - Indizes, Schema - Schemata, Genus - Genera, Kasus -Kasus ['ka:zu:s].