Flexion der Artikel
Die Flexion der Artikel kann nur innerhalb einer Nominalphrase betrachtet werden. Als Artikel werden eine Reihe von Wörtern bezeichnet, denen die Funktion der Determination gemeinsam ist und die zusammen mit einem Nomen eine Nominalphrase bilden. Sie stehen am Anfang der Nominalphrase und korrespondieren mit dem Kopf und den möglichen Erweiterungen, die zwischen dem Artikel und dem Nomen stehen (Korrespondenz in der Nominalphrase).
Im Polnischen gibt es keine Artikel sensu stricto.
Viele Artikel haben ein Pendant bei den Pronomina (dieser Mensch - dieser; mein Land - meines). Mitunter ist die Unterscheidung nicht einfach, da viele Artikel neben der Funktion der Determination auch eine pronominale Funktion haben (z. B. Possessiv-Artikel). Artikel und Pronomina haben aber teilweise unterschiedliche Flexionsparadigmen.
Die Markierung der Kategorien an den Artikeln erfolgt mit Hilfe von fünf Affixen (-e, -er, -es, -en, -em) bzw. Endungslosigkeit. Nur die Endungen des definiten Artikels weichen vokalisch davon teilweise ab.
Artikel flektieren nach den Kategorisierungen Genus (nur im Singular), Numerus und Kasus.
Nur wenige Artikel sind nicht flektierbar (lauter, was für) oder können
unflektiert verwendet
werden (all, manch, welch, wieviel, solch).
Die Wortart Artikel kann in semantische Subklassen eingeteilt werden:
- Definiter Artikel: der/die/das //die
- Indefiniter Artikel: ein/eine
- Possessiv-Artikel: mein-, dein-/Ihr-, sein-/ihr-, unser-, euer-/Ihr-, ihr-
- Demonstrativ-Artikel: der (betont), dies-, derjenige, derselbe, jen-, solch-
- Quantifikativ-Artikel: all-, einig-, etlich-, (irgend)(et)was, irgendein-, irgendwelch-, jed-, jedwed-, kein-, lauter, manch-, mehrer-, sämtlich-
- W-Artikel: was für (ein), welch-
Polnisch ist eine artikellose Sprache. Die Possessiv-Artikel, Demonstrativ-Artikel, Quantitativ-Artikel und W-Artikel des Deutschen haben zwar meist ihre lexikalischen Entsprechungen im Polnischen, diese werden aber in der polonistischen Tradition als Pronomina klassifiziert. Es gibt keine direkte Entsprechung für den definiten und den indefiniten Artikel, ihre pragmasemantische Leistung (Ausdruck der Determination) wird im Polnischen durch andere Mittel realisiert (Intonation, Wortstellung, Thema-Rhema-Struktur der Äußerung). Im Unterschied zum Deutschen ist die Determination im Polnischen keine obligatorische Kategorie des Nomens. Pronomina, die als Entsprechungen der deutschen Artikel fungieren, sind immer weglassbar, haben im Unterschied zum Deutschen keinen Einfluss auf die Flexion des nachfolgenden Adjektivs, sie können innerhalb der Nominalphrase dem Nomen oder sogar dem Adjektiv zuweilen nachgestellt werden.
Die Flexion der polnischen Ensprechungen der deutschen Artikel wird beim Pronomen besprochen.
Flexionstypen
Die Flexion der einzelnen Artikel ist im Singular teilweise unterschiedlich. Die Abweichungen betreffen die Nominativ- und Genitivformen der Maskulina und Neutra, beim definiten Artikel sind zudem die Akkusativformen der Neutra und die Nominativ- und Akkusativformen der Feminina und im Plural betroffen.
Für Pronomina und Artikel gibt es ein gemeinsames Grundmuster der Flexion.
Als Kennform dient der Nominativ der Maskulina, der wie der Nominativ/Akkusativ der
Neutra ein Flexionsaffix besitzt (Flexion mit Nominativendung):
Nach dem Grundmuster flektieren die folgenden Artikel (teilweise mit Besonderheiten, z. B. alternative Formen, die vom Grundmuster abweichen):
- die Demonstrativa dies-, jen- und solch- (Artikel und Pronomen)
- der W-Artikel welch-
- die Quantifikativ-Artikel: all-, einig-, etlich-, irgendwelch-, jed-, jedwed-, manch-, mehrer-, sämtlich-
Dabei sind folgende Abweichungen vom Grundmuster zu beachten:
- Flexion nach dem Muster des indefiniten Artikels (ohne Nominativ-/Akkusativ-Endung): Indefiniter Artikel, Possessiv-Artikel, Quantifikativ-Artikel kein-, irgendein-
- Flexion des definiten Artikels: Definiter Artikel, Demonstrativ-Artikel der (betont)
- Unflektierbar: Quantifikativ-Artikel lauter, (irgend)(et)was, W-Artikel was für
Die fünf Flexionsaffixe verteilen sich auf 16 Positionen, was zu einigen Synkretismen führt. Die meisten Synkretismen finden sich erwartungsgemäß bei den Feminina, während Maskulina (im Singular) ein vollständig ausgebautes Paradigma besitzen. Bei den Artikeln ergibt sich diesbezüglich also ein ähnliches Bild wie bei den Nomina. Übereinstimmung von Kasusmarkern gibt es hierbei genusbezogen bei Maskulina und Neutra sowie kasusbezogen bei Nominativ und Akkusativ (Nicht-Obliquus-Formen) bzw. Dativ und Genitiv (Obliquus-Formen). Beispiele:
diese kleinen Kinder → Nominativ/Akkusativ Plural
einer jungen Frau → Dativ/Genitiv Singular
Isoliert betrachtet ergeben sich noch mehr Synkretismen, numerusbezogen bei den Feminina
und kasusbezogen bei den Neutra (nur der Dativ ist eindeutig markiert), die aber in einer
Nominalphrase aufgelöst werden. Beispiele:
keiner jungen | Frauen | → Genitiv Plural |
{Dat./Gen.Sg. // Gen.Pl.} | {Plural} |
dieses | Kindes | → Genitiv |
{Nom./Akk./Gen.} | {Gen.} |
Flexion nach dem Muster des indefiniten Artikels (ohne Nominativ-/Akkusativ-Endung)
Der indefinite Artikel ein, die Possessiv-Artikel mein, dein/Ihr, sein/ihr, unser, euer/Ihr, ihr sowie die Quantifikativ-Artikel kein, irgendein sind im bei Maskulina im Nominativ und bei Neutra im Nominativ/Akkusativ endungslos (Flexion ohne Nominativ-/Akkusativ-Endung). Beispiele:
Das Fußballvolk johlte vor Begeisterung über sein Geschick, seinen Kampfesmut und seine Unbeugsamkeit. [Berliner Zeitung, 02.11.2006]
Wir waren einfach nicht an Politik interessiert. Mein Vater sagte immer: Ein Künstler ist kein Politiker. [die tageszeitung, 08.06.1991]
Flexion des definiten Artikels
Die Formen das [das] und die [di:] des definiten Artikels (bzw. des formgleichen Demonstrativ-Artikels) weichen im Nominativ/Akkusativ der Neutra, Feminina und des Plurals vokalisch vom Grundmuster ab.
Besonderheiten
Genitivformen nach dem Muster der Adjektivflexion
Die Quantifikativ-Artikel einig-, etlich- flektieren nach dem Muster der Adjektivflexion, sie besitzen keine Genitivformen auf -(e)s, z. B.:
Es bedarf einigen Geschicks.
Die Demonstrativ-Artikel solch-, die Quantifikativ-Artikel all-, irgendwelch-, jedwed-, jeglich- und der W-Artikel welch- besitzen Genitivformen im Maskulinum/Neutrum Singular auf -en, die systematisch mit den Formen auf -es alternieren, je nach dem ob das folgende Nomen die Endung -(es) oder -en besitzt. Die Endung -en kann nur vor Nomina mit s-Kasusflexion stehen, da nur diese den Genitiv gegenüber dem Akkusativ hinreichend kennzeichnen, z. B.:
jeglichen Mannes / *jeglichen Piloten. Nicht möglich: *jegliches Mannes
Egal welchen Alters, beim Musikverein sind alle interessierte Musiker herzlich willkommen. [Mannheimer Morgen, 06.05.2005]
Die Quantifikativ-Artikel jed- und manch- lassen auch die Genitivform mit -es vor Nomina mit s-Kasusflexion zu, z. B.:
jeden Mannes / *jeden Piloten. Auch möglich: jedes Mannes
Die Geschichte manchen Ortes geht weit ins Altertum zurück, [...]. [Vorarlberger Nachrichten, 20.05.2000]
Standardsprachlich nicht anerkannt, aber in festen Verbindungen verbreitet, kommt im Genitiv Singular auch die Form diesen des Demonstrativ-Artikels vor, wie z. B. Anfang diesen Jahres (siehe Grammatik in Fragen und Antworten).
Numerusbeschränkungen
Manche Artikel sind semantisch auf einen Numerus beschränkt.
Nur
Singular: ein-, irgendein-, was für ein, jed-, jedwed-
Nur Plural:
mehrer-
einig-, etlich-, irgendwelch- können meist nur
mit abstrakten und konkreten Stoffnamen
(Substanzausdrücken) im Singular verwendet werden, bei Gattungsnamen (Appellativa) nur im Plural.
Zusammengesetzte Artikel
Viele Indefinita (Artikel und Pronomina) können durch
irgend- verstärkt werden, z. B. irgendein-,
irgendetwas. Ausschlaggebend ist die Flexion des
Basis-Pronomens.
Derjenige und derselbe flektieren im
ersten Teil wie der definite Artikel, im zweiten wie ein schwach
flektiertes Adjektiv:
Während er Schreie nach dem Vater ausstieß, versank er schon in den blauen Wellen desjenigen Meeres, das später seinen Namen bekam. [Ikaros, In: http://de.wikipedia.org: 2005 ]
Unflektierter Gebrauch flektierbarer Artikel
Bestimmten Subgruppen von Artikeln kann eine kleine Gruppe von Artikeln vorangestellt werden, deren Vertreter dann unflektiert bleiben, wie z. B. in all mein Sinnen und Trachten, welch ein Zwitschern, solch Tun. Dazu zählen:
der Quantifikativ-Artikel all vor definitem Artikel, Demonstrativ- und Possessiv-Artikel, z. B.:
Hier wären all seine Schwächen plötzlich Stärken. [die tageszeitung, 03.02.2004]
der Quantifikativ-Artikel manch, der W-Artikel welch sowie der Demonstrativ-Artikel solch vor dem indefiniten Artikel ein/eine, z. B.:
So manch eine Eigenart wird als medizinisch relevante Erkrankung definiert, die dann therapiert werden muss. [spektrumdirekt, 31.10.2005]
Welch ein Glück, dass die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland stattfindet! [Berliner Zeitung, 06.05.2006]
Die unflektierten Formen manch, welch, solch können auch vor stark flektierte Adjektive treten (in veraltendem Gebrauch auch unmittelbar vor dem Nomen), z. B.:
Was sind schon ein paar Tage angesichts solch historischer Dimensionen? [die tageszeitung, 06.01.2006]
Besonderheiten bei den Possessiv-Artikeln
Bei den Possessiva ist zu beachten, dass je nach Bezugsausdrucks mit Hilfe verschiedener Stämme (Suppletivformen) differenziert wird. Der Possessiv-Artikel drückt auch eine Zugehörigkeitsrelation zum Sprecher (mein) bzw. zu Sprechergruppen (unser), zum Adressaten (dein, Ihr) bzw. zu Adressatengruppen (euer/Ihr) oder zu einem im voraufgehenden Kontext verbalisierten anderen Gegenstand (sein, ihr) aus. In letzterer Relation regiert der Bezugsausdruck außerdem Genus und Numerus des Stamms des Possessiv-Artikels: Die Formen besitzen ein Possessor-Genus, das durch die unterschiedlichen Wortstämme sein- (Maskulinum/Neutrum) und ihr- (Femininum) markiert wird und ein Possessum-Genus, das durch Flexionssuffixe gekennzeichnet wird. Die in der Flexionsendung kodierte Kategorisierung nach Genus und Numerus korrespondiert also mit dem Genus und Numerus des Vorgängerausdrucks. Beispiele:
Schuster, bleib bei deinen Leisten! → adressatenbezogen
Für die eigene Muttersprache sind Linguisten oft ihre eigenen Informanten. [Informant, In: http://de.wikipedia.org: 2005 ] → Bezugsausdruck im Plural
Der Dativ ist dem Genitiv sein_ Tod. [Buchtitel: B.Sick] → Bezugsausdruck Maskulinum Singular
Anstelle von sein- und ihr- können auch die anadeiktischen pronominalen Formen dessen (Bezugsausdruck Mask./Neut.) bzw. deren (Bezugsausdruck Fem. oder Pl.) verwendet werden, die sich auf ein vorangehendes Nomen beziehen können und in allen Kasus gleich lauten. Sätze mit mehreren potentiellen Bezugsausdrücken können so eindeutig gemacht werden:
Kurt ging mit Jakob und seiner Frau spazieren.
Kurt ging mit Jakob und dessen Frau spazieren.
Korrespondenz in der Nominalphrase
Das Genus des Artikels wird vom Nomen regiert.
Artikel regieren nachfolgende attributive Adjektive hinsichtlich der Flexionskategorie stark oder schwach.
Beispiel:
Die Rolle der Artikel im Rahmen der Korrespondenz in der Nominalphrase wir ausführlich in der Einheit Wortgruppenflexion behandelt, zur Rektion von Adjektiven durch Artikel siehe Flexion der Adjektive.