Flexionsklassen der Nomina
Die Einteilung eines Nomens in eine Flexionsklasse (Deklinationsklasse) ist genusgesteuert und erfolgt im Deutschen in Abhängigkeit seines Numerus- und Kasusflexionstyps. Das entscheidende Kriterium ist hierbei die Numerusflexion, da sie die Kasusflexion determiniert.
Im Polnischen spielen, neben den oben genannten, auch semantische Faktoren eine wichtige Rolle mit. So unterscheidet man im Polnischen fünf Deklinationsklassen: Personalmaskulina, Maskulina animata, Maskulina inanimata, Feminina, Neutra. Innerhalb jeder Flexionsklasse werden weitere Subklassen differenziert.
Der palatale/nichtpalatale Stamm des Nomens und der konsonantische/vokalische Auslaut entscheiden über die Flexionsendung und über Vokal- und/oder Konsonantenalternationen. Bei Konsonantenalternationen handelt es sich um Wechsel eines palatalen in einen nichtpalatalen oder funktional nichtpalatalen Konsonanten.
Maskulina
Singular | Plural | |
Nominativ | -a, -o, - ø | -e, -i, -y, -owie |
Akkusativ | -a, -ę, - ø | -i, -y, -ów, -ø |
Dativ | -a, -u, -i, -y | -i, -y, -ów, -ø |
Genitiv | -a, -u, -i, -y | -i, -y, -ów, -ø |
Instrumental | -ą, -em | -ami, -mi |
Lokativ | -e, -i, -y, -u | -ach |
Vokativ | -e, -o, -u | -e, -i, -y, -owie |
Feminina
Singular | Plural | |
Nominativ | -a, -i, -ø | -e, -i, -y |
Akkusativ | -ę, -ø | -e, -i, -y |
Dativ | -e, -i, -y | -om |
Genitiv | -i, -y | -i, -y, -ø |
Instrumental | -ą | -ami |
Lokativ | -e, -i, -y | -ach |
Vokativ | -i, -y, -o, -u | -e, -i, -y |
Neutra
Singular | Plural | |
Nominativ | -e, -ę, -o, -um | -a, -i |
Akkusativ | -e, -ę, -o, -um | -a, -i |
Dativ | -u, -um | -om |
Genitiv | -a, -um | -i, -y, -ów, -ø |
Instrumental | -em, -um | -ami |
Lokativ | -e, -u, -um | -ach |
Vokativ | -e, -ę, -o, -um | -a, -i |
Für die Klassifizierung der Feminina ist nur die Numerusflexion, d. h. die Wahl der verschiedenen Pluralmarker relevant, die Kasusflexion hingegen ist hier nicht entscheident. Die einzige Kasusmarkierung bei Feminina, die im Singular keine Kasusmarker erhalten, betrifft nur den Dativ im Plural, dessen Marker -n in allen drei Genera immer steht, wenn es unter Berücksichtigung phonologischer Kriterien möglich ist. Für alle Nicht-Feminina und Eigennamen spielt aber neben der Numerus- auch die Kasusflexion für die Flexionsklasseneinteilung eine Rolle, da bei ihnen auch im Singular Kasusmarkierungen mit unterschiedlichen Markern vorgenommen werden.
Zur Bestimmung des Kasusflexionstyps dient der Genitiv Singular, dessen Formenbildung am differenziertesten ist. Flexionsklassenabhängig kann der Genitiv Singular durch folgende Kasusmarker bzw. Endungslosigkeit gekennzeichnet werden: -; -(e)s; -s; -(e)n; -(e)ns. Zur Bestimmung des Numerusflexionstyps dient die Form des Nominativ Plural, der mit Hilfe der Pluralmarker -(e), -(e)n, "-(e), "-er, -s gekennzeichnet wird.
Kennt man den Genitiv Singular und den Nominativ Plural eines Nomens, kann seine Zugehörigkeit zu einer Flexionsklasse ermittelt werden. Die im Deutschen realisierten Kombinationen aus Kasus- und Pluralmarkern stehen in Abhängigkeit mit der Kategorisierung Genus. In der folgenden Tabelle werden die Typen der Kasusflexion (Zeilen) mit den Pluraltypen (Spalten) gekreuzt. Zählt man die Flexion der Eigennamen, für die besondere Regeln gelten, und die kleine Übergangsklasse des Typs -(e)ns/-(e)n (Mischtyp) hinzu, erhält man von den möglichen Kombinationen elf, die im Deutschen realisiert sind. Sie stellen die Flexionsklassen der Nomina dar und lassen sich nach Genusabhängigkeit ordnen:
Die Bezeichnungen starke, schwache und gemischte Flexion orientieren sich an der Tradition, die Flexionsendungen auf -(e)n als schwach zu bezeichnen. Dementsprechend wird die Flexionsklasse mit schwachen Endungen in der Kasusflexion (Singular) und bei der Pluralbildung "schwach" genannt (schwache Maskulina). Flexionsklassen mit starken Endungen oder Endungslosigkeit werden "stark" genannt. Flexionsklassen, die in der Kasusflexion (Singular) stark und bei der Pluralbildung schwach flektieren, werden "gemischt" genannt. Mit Ausnahme der schwachen Flexionsklasse, die nur Maskulina umfasst, lassen die Bezeichungen schwach, stark und gemischt aber keine Rückschlüsse auf das Genus zu, das wesentlich die Klassifizierung der nominalen Flexion des Deutschen stützt. Der praktische Wert der trationellen Bezeichnungen ist damit eher gering.
Als Hauptklassen lassen sich diejenigen Flexionsklassen bezeichnen, zu denen die meisten Feminina oder Maskulina/Neutra gehören. Alle anderen genusabhängigen Flexionsklassen besitzen eine markierte Pluralbildung und stellen Nebenklassen dar. In der Flexionsklassenzugehörigkeit spiegeln sich die Markiertheitsverhältnisse in der Nominalflexion wider. Die Hauptklassen zeichnen sich durch eine einfache, genusabhängige Pluralbildung (kein Umlaut, kein s-Plural) und Kasusflexion (keine bzw. s-Kasusflexion) aus. Feminina besitzen im Singular keine Kasusmarker und bilden den Plural am häufigsten mit -(e)n. Die meisten Maskulina/Neutra bilden den Plural mit -(e) und und den Genitiv Singular mit -(e)s. Deutlich weniger Nomina lassen sich den Nebenklassen zuordnen, sie haben eine markierte Numerusflexion mit anderen Pluralmarkern und teilweise eine markierte Kasusflexion.
Feminina: -/-(e)n, z. B. Frau/Frauen.
Maskulina/Neutra: -(e)s/-(e), z. B. Tages/Tage.
Die Flexionsklassen im Einzelnen
Nach den Kombinationen aus Genitiv- und Pluralmarkern lassen sich insgesamt elf Flexionsklassen (Haupt- und Nebenklassen) der Nomina unterscheiden.
Es gibt drei Flexionsklassen für Feminina:
- Hauptklasse -/-(e)n mit unmarkierter Pluralbildung (z. B. Zungen).
- Nebenklasse -/"-(e) mit markierter Pluralbildung (Kräfte, ohne Schwa: Mütter).
- Nebenklasse -/-s für phonologisch markierte Stammformen (Kameras).
Die Flexionsklassen für Nicht-Feminina, die sich durch Kasusflexion im Singular auszeichnen, sind zahlreicher:
- Hauptklasse -(e)s/-(e) für Maskulina und Neutra mit unmarkierter Pluralbildung (Hunde). Zu dieser Klasse können formal auch die Nomina ohne Pluralmarker wie z. B. Wagen, Lehrer, Esel, Bildungen mit Ge-...-e (Gebirge) etc. gezählt werden, die aus phonologischen Gründen kein -e oder andere Pluralmarker erhalten. Bei Nomina ohne Pluralmarker handelt es sich im Gegensatz zu den Pluralen mit Schwa (-e) um markierte Bildungen, da der Plural im Normalfall sonst immer gekennzeichnet wird.
- Nebenklasse -(e)s/-(e)n mit markierter Pluralbildung (Staaten).
- Nebenklasse -(e)ns/-(e)n mit markierter Genitiv- und Pluralbildung, der bis auf das Neutrum Herz nur Maskulina angehören. Sie bildet eine Übergangsklasse zwischen der Nebenklasse der (sog. schwachen) Maskulina auf -(e)n/-(e)n und der Hauptklasse (z. B. Funken; Details siehe unten).
- Nebenklasse -(e)s/"-(e) mit markierter Pluralbildung, zu der mit Ausnahmen der Neutra Floß, Kloster, Wasser nur Maskulina zählen (Wölfe, ohne Schwa: Äpfel).
- Nebenklasse -(e)s/"-er mit markierter Pluralbildung (Ämter, nicht umlautfähig: Kinder).
- Nebenklasse -s/-s für phonologisch markierte Stammformen (Autos).
- Nebenklasse -(e)n/-(e)n mit markierter Genitiv- und Pluralbildung, zu der nur (die sog. schwachen) Maskulina zählen. Es handelt sich hierbei hauptsächlich um Personenbezeichnungen (z. B. Bote, Held, Demonstrant) und höhere Tiere (Affe, Bär, Löwe, Hase), das heißt die Flexionsklasse ist durch das semantische Merkmal der Belebtheit charakterisiert (vgl. Zifonun: 2007). Belebte Maskulina auf -e im Nominativ Singular (z. B. Hase) gehören immer dieser Nebenklasse an. Dies gilt ebenfalls für die meisten belebten Maskulina mit dem Pluralmarker -(e)n (z. B. Prinz, Bär), Ausnahmen bilden hier bestimmte Maskulina auf unbetontes -er, z. B. Vetter sowie alle auf unbetontes -or, z. B. Autor gehören zur Nebenklasse -(e)s/-(e)n .
Die Flexionsklasse der sog. schwachen Maskulina umfasst, gemäß der oben formulierten Regel in Bezug auf Belebtheit, Wortausgänge und Pluralbildung, zahlreiche Personenbezeichungen mit charakteristischen Wortbildungssuffixen, z. B.:
Doktorand, Informant, Student, Anarchist, Sarkast, Kandidat, Prophet, Bandit, Idiot, Astronom, Psychologe, Pädagoge
Die Wortbildungssuffixe machen diese Flexionsklasse trotz ihrer Markiertheit zu einer produktiven Klasse.
Eigennamen, die grundsätzlich definit sind und keiner näheren Bestimmung durch Artikel bedürfen, folgen genusunabhängig der gesonderten Flexionsklasse -s/—. Artikellose Eigennamen bilden unabhängig vom Genus und von phonologischen Kriterien einen eigenen Kasusflexionstyp mit dem Marker -s. Eigennamen bezeichnen bestimmte Individuen und kommen nur im Singular vor. Die Verwendung im Plural geht mit einer semantischen Umdeutung als Gattungsname (mit Artikelgebrauch) einher und ist mit einem syntaktisch motivierten Flexionsklassenwechsel verbunden.
Tabellarischer Überblick über die deutschen Flexionsklassen der Nomina:
Klasse | Genitiv Singular | Nominativ Plural | Beispiele | |
Hauptklasse | - | -(e)n | Frau – Frauen, Katze – Katzen | |
Feminina | Nebenklasse | - | "-(e) | Hand – Hände, Mutter – Mütter |
Nebenklasse | - | -s | Oma – Omas | |
Hauptklasse | -(e)s | -(e) | Tag – Tage, Jahr – Jahre, Wagen – Wagen, Gewebe – Gewebe | |
Nebenklasse | -(e)s | -(e)n | Staat – Staaten, Bett – Betten, Muskel – Muskeln | |
Maskulina | Nebenklasse | -(e)ns | -(e)n | Funke – Funken, Herz – Herzen |
und Neutra | Nebenklasse | -(e)s | "-(e) | Wolf – Wölfe, Floß – Flöße, Apfel – Äpfel |
Nebenklasse | -(e)s | "-er | Mann – Männer, Amt – Ämter, Kind – Kinder | |
Nebenklasse | -s | -s | Opa – Opas, Auto – Autos | |
Maskulina | Nebenklasse | -(e)n | -(e)n | Bär – Bären, Junge – Jungen |
genusunabhängig | Eigennamendeklination | -s | — | Anna, Paul |
Flexionsklassenwechsel
Semantisch motiviert
Semantisch motivierte Flexionsklassenwechsel lassen sich bei den sog. schwachen Maskulina beobachten und sind auf das semantische Merkmal der Belebtheit zurückzuführen. Nicht-belebte Nomina dieser markierten Flexionsklasse weisen eine Tendenz zum Wechsel in die unmarkierte Flexionsklasse für Maskulina/Neutra auf. Zu diesen Nomina gehören z. B. Funke, Gedanke, Wille und Friede.
Die Staatsanwaltschaft in Ansbach rechnet eigenen Angaben zufolge nicht damit, die genaue Quelle des Funkens noch ermitteln zu können, weil die Bäckerei bei der Explosion völlig zerstört wurde. [dpa, 02.10.2006]
Ein solcher Flexionsklassenwechsel dient dem Markiertheitsabbau und stabilisiert die semantischen Zuordnung des Merkmals "belebt" zur Nebenklasse -(e)n/-(e)n, wobei die Nebenklasse -(e)ns/-(e)n hierbei (vgl. Kasusflexion: Abschnitt Mischtyp mit Genitiv auf -(e)ns) als Übergangsklasse dienen kann. Am Ende des Prozesses steht eine auf -n endenden Form des Nominativ Singular, dessen -n dem Stamm zugerechnet wird, an den dann regulär ein Genitiv-s angehängt werden kann. Entsprechende Nomina flektieren in Folge wie solche der Hauptklasse -(e)s/-(e), wobei das Schwa als Pluralmarker aufgrund des auf n auslautenden Stammes nicht realisiert wird (vgl. Wagen).
Nebenklasse
-(e)n/-(e)n (markiert) | Nebenklasse
-(e)ns/-(e)n (markiert) | Hauptklasse
-(e)s/-(e) (unmarkiert) | |||
Nom.Sg. | der Funke | → | der Funke | → | der Funken |
Gen.Sg. | des Funken | → | des Funkens | → | des Funkens |
Nom.Pl. | die Funken | → | die Funken | → | die Funken_ |
Der Wandel vollzieht sich bei Beispielen wie Magnet oder Planet im Singular nicht durch Integration von -n in den Stamm, sondern durch Endungslosigkeit in Nominativ, Akkusativ und Dativ (standardsprachlich teilweise anerkannt):
Nebenklasse -(e)n/-(e)n(markiert) | Hauptklasse -(e)s/-(e)(unmarkiert) | ||
Nom.Sg. | der Magnet | → | der Magnet |
Akk.Sg. | den Magneten | → | den Magnet_ |
Dat.Sg. | dem Magneten | → | dem Magnet_ |
Gen.Sg. | des Magneten | → | des Magnets |
Nom.Pl. | die Magneten | → | die Magnete |
Umgekehrt werden auch Nomina, die Lebewesen bezeichnen, aus anderen Flexionsklassen in die Nebenklasse -(e)n/-(e)n integriert (standardsprachlich nur selten akzeptiert), z. B.:
Denn die Freude des Autoren bei der Lesung ist ansteckend. [Mannheimer Morgen, 10.10.2005]
Nebenklasse -(e)s/-(e)n(markiert) | Nebenklasse -(e)n/-(e)n(markiert) | |||
Nom.Sg. | der Autor | → | der Autor | |
Gen.Sg. | des Autors | → | des Autoren | |
Nom.Pl. | die Autoren | → | die Autoren |
Syntaktisch motiviert
Artikellose Eigennamen (Eigennamendeklination -s/—) wechseln die Flexionsklasse, wenn sie mit Artikel verwendet werden. Anders als bei den obigen Beispielen ist der Wechsel also primär syntaktisch und nicht semantisch motivert. Formal wird der Wechsel durchgängig nur bei Feminina sichtbar, da diese dann den Genitiv Singular am Nomen selbst (z. B. Annas Haare) nicht mehr markieren, z. B.:
Die blonden Haare der vierjährigen Anna sind auf dem Kopf zusammengesteckt. [Mannheimer Morgen, 22.02.2003]
Tritt zu sonst artikellos verwendeten Eigennamen, die ja einem eigenen Kasusflexionstyp angehören, ein Artikel hinzu, flektieren sie wie die unmarkierten Kasusflexionstypen (keine Kasusmarker / s-Kasusflexion), d. h. genusabhängig nach den Nebenklassen für phonologisch markierte Stammformen -/-s (Feminina) oder -s/-s (Maskulina und Neutra). Die Kasusflexion wird bei letzteren jedoch oft unterlassen (siehe Wegfall der Genitivmarker -(e)s bzw. -s), z. B.:
Die Etrusker lebten zwischen dem neunten und dem vierten Jahrhundert vor Christus in Teilen des heutigen Italiens. [Frankfurter Allgemeine, 28.03.2003]
Bevor es um das geplante Mediengesetz Silvio Berlusconis geht, ist eine kleine Einführung in die politischen Grundlagen des heutigen Italien nötig. [Die Zeit (Online-Ausgabe), 27.11.2003]
Eigennamendeklination -s/— | Nebenklasse -s/-s | Beispiele: | ||
Nom.Sg. | Deutschland | → | das (heutige) Deutschland | |
Gen.Sg. | Deutschlands | → | des (heutigen) Deutschland(s) | Damals lagen weite Teile des heutigen Deutschland unter Wasser. [die tageszeitung, 09.06.2006] |
Nom.Pl. | - | → | die (beiden) Deutschlands | Susanne Fritsche war zehn Jahre alt, als die Mauer zwischen den beiden Deutschlands fiel. [Berliner Zeitung, 13.03.2004] |
Nebenklasse -/-s | ||||
Nom.Sg. | Anna | → | die Anna | |
Gen.Sg. | Annas | → | der Anna | Die blonden Haare der vierjährigen Anna sind auf dem Kopf zusammengesteckt. [Mannheimer Morgen, 22.02.2003] |
Nom.Pl. | (Annas) | → | die Annas | Großeltern treten auf, Schauspieler reichlich, [...] und natürlich die Annas, Livias, Alicen, Judiths, diese ewig Anziehenden und sich immer wieder Entziehenden. [Die Zeit, 23.04.1998] |