Extra- und intrasubjektive Verwendungsweise der Modalverben
Orientierungsunterschiede
Bei dreistelligen Verben, die eine Infinitivkonstruktion regieren, kann sich das nicht realisierte Argument des Infinitivs (auch Subjekt der Infinitivkonstruktion genannt) am Subjekt oder am (anderen) Objekt des Satzes orientieren:
- Subjektorientierung
- Objektorientierung
In Infinitivkonstruktionen mit einem Modalverb kann die Orientierung je nach Verwendungsweise des Modalverbs variieren: Bei finiten Verben, die generell Objektorientierung des "Subjekts" der regierten Infinitivkonstruktion aufweisen, wie bitten, auffordern, befehlen, vorwerfen gilt dabei
- in der intrasubjektiven Verwendung des Modalverbs die Objektorientierung,
- in der extrasubjektiven Verwendung des Modalverbs jedoch die Subjektorientierung.
Beispiel (3) lässt auch extrasubjektive, Beispiel (4) auch intrasubjektive Deutung zu; es wechselt dann jeweils die Orientierung in der beschriebenen Weise.
Unterschiede in der Beziehung zwischen Aktiv- und Passivformen
In extrasubjektiver (wie auch in epistemischer) Verwendungsweise verhalten sich folgende Aktiv- und Passivkonstruktionen zueinander wie Konversen (sie sind wahrheitswertgleich):
(1a) Diese Sache muss von Paul erledigt werden.
(2a) Die Sache muss von Paul erledigt worden sein.
(3a) An der Sache muss gedreht worden sein.
In intrasubjektiver Verwendungsweise sind keine (wahrheitswertgleichen) Konversen möglich. Man vergleiche folgende Paare:
(4a) Hans will von mir die Sache erklärt bekommen.
(5a) Der Kleine kann von dem Großen hier leicht umgelegt werden.
Dabei kann (5) intrasubjektiv und extrasubjektiv gedeutet werden, wohingegen (5a) nur eine extrasubjektive Deutung erlaubt, daher sind (5) und (5a) ebenfalls nur ein ungleiches Paar.
Sonderstellung des Subjekts bei intrasubjektiver Verwendung
In intrasubjektiver Verwendungsweise befindet sich das Subjekt obligatorisch außerhalb des modalen Deutungskontextes. Dadurch kommt ihm eine besondere Stellung zu.
Bevorzugung personaler Subjekte
Je nach Auswertung des Subjekts kann der Satz
verschiedene Modalverbverwendungen aufweisen: epistemische, intrasubjektive und extrasubjektive. In der hier interessierenden, intrasubjektiven Verwendungsweise kann das Beispiel wie folgt paraphrasiert werden:
Mithilfe dieser Paraphrase wird der Übergang von können zum Vollverbcharakter - wie er in Paul kann einen Trick vollständig ausgeprägt ist - erklärbar. Die möglichen Sachverhalte, die ausschließlich bestimmt werden durch die Eigenschaften einer bestimmten Person (intrasubjektive Deutung), sind auch als Sachverhalte interpretierbar, die herbeizuführen diese Person befähigt ist. Man vergleiche die Deutung als Vollverb in der Paraphrase:
Dies erklärt die Bevorzugung personaler Belegung des Subjekts. Die Befähigung zu bestimmten Fertigkeiten oder Handlungen, die oft ein Resultat von Lernprozessen sind (schwimmen können, gut Französisch sprechen können), kommt primär Lebewesen, insbesondere Menschen, zu.
Präzisierung des Redehintergrunds
Verallgemeinert gilt auch für andere Modalverben, wie z. B. müssen, dass die Auslagerung eines Komplements aus dem Deutungskontext des Modalverbs eine Präzisierung des Redehintergrundes erlaubt:
Ausgelagert werden können dabei auch andere Komplemente als das Subjekt wie etwa das Akkusativkomplement in folgendem Satz:
Nicht-personale Subjekte
Bei wollen werden personale Subjekte noch stärker bevorzugt als bei können: Mit einer intrasubjektiv-volitiven Deutung ist ja streng gesehen nur die Belegung des Subjekts mit Lebewesen, die Wünsche und Intentionen haben können, vereinbar. Dennoch erlaubt sogar wollen grundsätzlich auch nicht-personale Subjekte, nicht zuletzt weil es wie alle Modalverben die Valenz beliebiger Verben, also auch von Verben mit nicht-personaler Subjektstelle, weitertransportiert (vgl. Valenzübertragung):
((6a) Das will mir nicht in den Kopf.)
Gerade in literarischen Texten wird wollen oft mit nicht-personalen Subjekten verbunden. Nicht selten ist dies wie in den folgenden Beispielen aus der "Blechtrommel" als Stilfigur erkennbar, bei der Gegenstände, Gefühle usw. personalisiert, d. h. als Träger von Intentionen, dargestellt werden:
Wohlgemerkt, die Verwendungsunterschiede werden hier nicht durch das Ansetzen von jeweils syntaktisch und semantisch verschiedenen Verben erklärt.