Wie man essentiellen Gebrauch von Argumenten erkennt

Essentieller Gebrauch von Argumenten wird im sprachlichen Ausdruck durch nichts angezeigt. Man muss sich an Verwendungsbedingungen und Verwendungszwecke halten, wenn man den Gebrauch eines Arguments als essentiell erkennen will. Entscheidend ist dabei, was man über den Verwendungszweck in Erfahrung bringen kann. Verwendungsbedingungen zu berücksichtigen ist nur insoweit erforderlich, wie sie Rückschlüsse auf Verwendungszwecke ermöglicht.

Ein Verwendungszweck, der mit dem essentiellen Gebrauch von Argumenten verbunden ist, lässt sich am besten negativ bestimmen: Wo Argumente nicht zum Zweck einer Bezugnahme - also nicht referentiell - gebraucht werden, werden sie essentiell gebraucht. Ein Drittes gibt es nicht. Sicher ist es nicht immer leicht festzustellen, ob sich ein Sprecher mit einem Argument auf etwas beziehen will oder nicht. Im Alltag sind aber meist keine größeren Schwierigkeiten damit verbunden. Das zeigt die Betrachtung dieser Beispiele:

Martin: "Was läufst du denn so nervig im Zimmer herum?" - Dieter: "Ich such meine Wagenschlüssel und kann sie einfach nirgends finden."

Keine Frage, dass Dieter sich mit meine Wagenschlüssel auf Gegenstände in der Welt bezieht, aber: Woher weiß man das so genau? Hätte Dieter gesagt: 'Ich suche mein Traumhaus und kann es nicht finden", wäre zumindest ein nicht-referentieller Gebrauch nicht auszuschließen. Offenbar gehen wir davon aus, dass niemand idealtypische Vorstellungen von Wagenschlüsseln entwickelt und darüber rastlos wird. Das heißt: Unsere Entscheidung beruht hier auf Annahmen über das Normalverhalten unserer Partner.

Reporter: "Weiß man schon, wer der Täter ist?" - Inspektor: "Nein, es ist nicht einmal auszuschließen, dass es sich um einen Unfall handelt."

Im Nachhinein wird hier klar, dass das mit der Täter formulierte Argument essentiell gebraucht worden sein muss. Für den Inspektor, der die Voraussetzungen der Frage kennt, ist dies sofort klar. Ohne seine Kenntnisse kann man sich anfänglich nicht sicher sein. Jemand könnte als Täter ertappt worden sein und nur seine Identität ist noch nicht geklärt. In diesem Fall hätte sich der Reporter auf die ertappte Person beziehen können.

Herr K.: "Seine Kinder werden sich freuen." - Herr N.: "Ja, hat er denn überhaupt welche?" Herr K.: "Woher soll ich das wissen? Ich dachte nur, wenn er welche hat, dann können die sich freuen."

Das mit seine Kinder formulierte Argument wird, wie sich im weiteren Verlauf erweist, essentiell gebraucht. Herr N. entdeckt dies allerdings nur deshalb, weil er selbst der Meinung ist, der Mann, von dem offenbar die Rede ist, habe gar keine Kinder. Hier zeigt sich, dass wir in bestimmten Fällen, solang wir keine Ursache sehen, an einem referentiellen Gebrauch zu zweifeln, von einem solchen ausgehen. Da man andererseits manchmal - etwa im Fall des Täters in vorigen Beispiel - zunächst eher davon ausgeht, essentieller Gebrauch liege vor, ist zu fragen, worauf sich die jeweiligen Präferenzen stützen können.

Man könnte vermuten, die beobachteten Präferenzen ließen sich auf allgemeine Regeln zurückführen, aber diese Vermutung ist nicht so leicht zu bestätigen. Ohne sie ganz zurückzuweisen, schlagen wir eine andere Erklärung vor: Wenn größere Gruppen von Sprachteilhabern gleiche oder ähnliche Präferenzen hinsichtlich der Einschätzung des Gebrauchs von Argumenten haben, dann kann das darauf zurückzuführen sein, dass sie häufig entsprechende Interpretationserfahrungen gemacht haben. So ist etwa von Tätern oft in Zusammenhängen die Rede, in denen unbekannt ist, wer als Täter in Frage kommt. Von Kindern, andererseits, ist sicher häufiger bezugnehmend die Rede. Dabei können sich Erwartungen ausbilden hinsichtlich neuerlicher Gebräuche, die zu Interpretationspräferenzen führen.

"Hast du schon gehört: Gerda will einen Norweger heiraten!'' - "Ich denke, sie heiratet Lars." - 'Ja, so heißt er, glaub ich." - "Der ist Norweger? Ich habe ihn immer für einen Dänen gehalten."

Interpretationserfahrungen, in die auch Wissen über Wollen und Verhalten von Bekannten eingehen, führen hier dazu, das erste mit einen Norweger formulierte Argument als referentiell gebraucht zu betrachten. Es müsste schon ausdrücklich festgestellt werden, dass es Gerda nur darauf ankommt, dass ihr noch gar nicht feststehender Zukünftiger Norweger ist, damit wir die präferierte Interpretation aufgeben. Bei dem mit für einen Dänen formulierten Argument haben wir andere Präferenzen, die möglicherweise noch stärker ausgeprägt sind, obwohl mit etwas Phantasie auch hier ein referentieller Gebrauch denkbar wäre, wie diese Gesprächsfortsetzung zeigt:

"Ach, du meinst Lars Olsen! Ja, der sieht diesem Norweger ziemlich ähnlich." - "Ja, den Olsen mein ich. Ich hab ihren Macker nie so recht aus der Nähe gesehen und bin einfach davon ausgegangen, es sei Olsen."

Wenn das Gespräch in dieser Weise fortgeführt wird, klärt sich die Gebrauchsweise von einen Dänen nur zum Teil, denn es ergibt sich ein neues Problem: Wen, eigentlich, hat der zweite Sprecher für einen Dänen gehalten? Glaubt er zu diesem Zeitpunkt, Lars Olsen sei der Mann, den Gerda heiraten will, dann kann er einenDänen nicht referentiell gebraucht haben, denn die Möglichkeit, sich mit einen Dänen auf Olsen zu beziehen, wäre ihm soeben genommen worden. Hält er dagegen daran fest, dass Olsen ein Däne ist, und gebraucht das Argument referentiell, dann hat er bezüglich Gerdas Zukünftigem eine falsche Identitätsannahme gemacht.

Zum Text

Schlagwörter
Letzte Änderung
Aktionen
Seite merken
Seite als PDF
Seite drucken
Seite zitieren

Seite teilen