Essenzieller Gebrauch von Argumenten
(die tageszeitung 13.6.1992, 35)
Sie verlangten die Weiterleitung eines Protestschreibens an Bundeskanzler Kohl.
(die tageszeitung 24.9.1987, 2)
Die Ukraine sucht den Weg zum Markt.
(die tageszeitung 4.9.1991, 7)
Essenzieller Gebrauch kommt grundsätzlich nur bei Argumenten in Frage, die mit den Mitteln einer definiten oder indefiniten Charakterisierung gebildet werden. Eigennamen können allenfalls dann zur Bildung eines essentiell zu gebrauchenden Arguments genutzt werden, wenn sie - in der Regel mit vorangestelltem indefinitem Artikel - als Mittel des Charakterisierens zu interpretieren sind: Einen Caesar wird es nicht mehr geben.
Die Beschränkung auf Charakterisierungen erklärt sich so: Da essentiell gebrauchte Argumente Gegenstände setzen und nicht auf solche Bezug nehmen, muss mit dem Argument in jedem Fall ein Gegenstandsentwurf präsentiert werden. Ein reiner Verweis kann keinen Gegenstand setzen, weil er nicht ausführen kann, was für ein Gegenstand gesetzt werden soll. Eine Fortführung eines kontextuell noch präsenten Arguments, kann zwar essenziell gebrauchte Argumente so gut wie referenziell gebrauchte wieder aufnehmen, sie aber nicht selbst setzen.
Dass definite und indefinite Charakterisierungen gleichermaßen zur Bildung essenziell zu gebrauchender Argumente herangezogen werden, erklärt sich aus ihrer Beschaffenheit: Abgesehen von ihrer Definitheit oder Indefinitheit sind beide Charakterisierungen, d. h. fähig, Gegenstände zu entwerfen. Zu fragen ist, wie sich auswirkt, was sie unterscheidet.
Bei referenziellem Gebrauch sind indefinite Charakterisierungen so zu interpretieren: eines oder einige, manche, viele der charakterisierten Art. Hat man den referenziellen Gebrauch erkannt, weiß man, dass der Sprecherschreiber nicht irgendeinen Gegenstand dieser Art meinte, sondern einen ganz bestimmten, dass er aber nicht klarstellen kann oder will, welcher Gegenstand das ist. Gebraucht der Sprecher dagegen eine definite Charakterisierung, dann führt er aus, dass er sich auf denjenigen Gegenstand oder diejenigen Gegenstände bezieht, die als Einzige von der charakterisierten Art sind.
Bei essenziellem Gebrauch sind indefinite Charakterisierungen im Kern ebenso zu interpretieren. Sie entwerfen einen Gegenstand als einen der angebenen Art. Dieser Entwurf kann - unter bestimmten Bedingungen - dazu genutzt werden,Typisches einer Art oder beliebige Exemplare einer Art als Gegenstand zu setzen.
(Neue Kronen-Zeitung 5.4.2000, o. S.)
Was es so schwierig macht, die Unterschiede zwischen indefiniten und definiten Charakterisierungen bei essenziellem Gebrauch der Argumente zu erfassen, zeigt sich an den folgenden Beispielen.
(Mannheimer Morgen 28.4.2003, o. S.)
Man kann diesen Satz so verstehen, als werde allgemein etwas über Indianer festgestellt. In diesem Sinn kann aber auch der folgende Satz verstanden werden.
Man könnte nun meinen, definite und indefinite Charakterisierungen seien bei essenziellem Gebrauch der Argumente lediglich stilistische Varianten. Aber dieser Eindruck ist trügerisch. Er kommt hier zustande, weil auf verschiedenen Wegen in etwa dasselbe erreicht wird: Im ersten Satz wird einer, der von der Art der Indianer ist, als stellvertretend für die ganze Gattung gesehen. Im zweiten Satz wird mit dem Mittel einer definiten Charakterisierung unter den Gegenständen, die mit sprachlichen Mitteln zu entwerfen sind, derjenige ausgewählt, auf den die Charakterisierung als Indianer zutrifft.
Die Konvergenz ergibt sich so: Man kann ein Beliebiges, das von bestimmter Art ist, als exemplarisch für diese Art betrachten, eben weil es als Beliebiges genau das exemplifiziert, was typisch für die Art ist. Das gilt insbesondere bei essenziellem Gebrauch, weil dabei keinerlei individuelle Besonderheiten von Gegenständen eine Rolle spielen können, auf die sich ein Sprecher beziehen könnte. So weit die indefinite Charakterisierung.
Die definite Charakterisierung setzt nicht beim Exemplarischen an, sondern bei dem Charakteristikum selbst: Das Charakteristikum, das als die Bedeutung von Indianer gelten kann, ist ein Bestimmtes unter den Charakteristika, die in unserer Sprache zur Verfügung stehen. Die definite Charakterisierung, die dieses Charakteristikum aufgreift, ist definit insofern, als sie nicht einfach ein Charakteristikum aufgreift, sondern genau dies eine. Sie entwirft damit als Gegenstand, was die Verifikationsregel dieses Charakteristikums erfüllt.
Die Konvergenz, die sich bei den Beispielen zeigt, tritt alleridngs nicht immer auf.
Ein Löwe lebt in Afrika.
Auch hier sind Interpretationen möglich, bei denen sich Konvergenz der Wahrheitsbedingungen zeigt, aber auch Interpretationen, die hinsichtlich dieser Bedingungen divergieren. So kann man den ersten Satz auch im Sinn des folgenden Satzes interpretieren.
Eine entsprechende Interpretation ist beim zweiten Satz schlecht möglich.
Dass es hier nicht zu Konvergenz kommen kann, erklärt sich so: Ein Exemplar einer Gattung kann zwar aufweisen, was für Exemplare dieser Gattung typisch ist, nicht aber, was auf die Gattung insgesamt zutrifft. Definite und indefinite Charakterisierungen eröffnen deshalb verschiedene Möglichkeiten, Gegenstände zu setzen.
Siehe weiter Wie man essentiellen Gebrauch von Argumenten erkennt und Gegenstandstypen, die bei essentiellem Gebrauch von Argumenten zu setzen sind