Wechsel der Vokalqualität und Ablautfunktion
Die Präsensstammform wird als Ausgangsform betrachtet. Die Präteritalstammform und die Partizipialstammform (sofern von der Ausgangsform verschieden) werden als Ablautformen betrachtet.
i-Ablaut | o-Ablaut |
gieß - goss | |
glimm - glomm | |
lüg - log | |
bleib - blieb | heb - hob |
reit - ritt | gär - gor |
schwör - schwor | |
fecht - focht | |
sprech - sproch | |
erlösch - erlosch | |
saug - sog |
Beim o-Ablaut gibt es eine nicht-ablautspezifische Ausnahme: Vor dem velaren Nasal und vor Nasal+Konsonant-Verbindungen erscheint u statt o, vgl. sung bzw. bund. Das entspricht der im Deutschen allgemein geletenden phonataktischen Regel, die o in diesen Positionen verbietet. Eine nur scheinbare Abweichung zeigen die Verben bitten, sitzen, liegen und hängen: Der Vokalwechsel zwischen der Präsensstammform und der Partizipialstammform sollte bei diesen Verben nicht als Ablaut angesehen werden. Sie zeigen nämlich im gesamten Präsensparadigma eine Vokalerhöhung, die ansonsten nur auf die 2. und 3. P. Präsens Ind Sg beschränkt bleibt, und ihre Partizipialstammform entspricht der Ausgangsform für diese Vokalerhöhung.
Zeigt die Partizipialstammform einen Wechsel ei - i wie bei reit - ritt, so ist sie grundsätzlich mit der Präteritalstammform identisch, und auch beim o-Ablaut kann die Partizipialstammform mit der Präteritalstammform identisch sein. Der Anwendungsbereich der Ablautform ist in solchen Fällen der gleiche wie bei der Präteritalstammform schwacher Verben. Sie wird also sowohl für das Partizip II als auch für die finiten Präteritalformen verwendet. Die ei - i Monophthongierung und der o-Ablaut können daher als allgemeine Präteritalmarkierung angesehen werden.
a-Ablaut | u-Ablaut | i-Ablaut |
geb - gab | fahr - fuhr | ruf - rief |
mess - maß | schaff - schuf | stoß - stieß |
komm - kam | heiß - hieß | |
lauf - lief | ||
fall - fiel | ||
fang - fing |
Der a-Ablaut, u-Ablaut und i-Ablaut sind auf Stammformen beschränkt, die in finiten Präteritalformen erscheinen. Sie können daher als Präteritum-Finitum-Markierung angesehen werden.
spinn - sponn - spann
sprech - sproch - sprach
nehm - nomm - nahm
Der o-Ablaut ist somit nur mit dem a- Ablaut kombinierbar. In solchen Fällen wird die Geltung der allgemeinen Präteritalmarkierung, des o-Ablauts, auf den infiniten Bereich beschränkt.