nicht - Aufspaltung des Fokus

Bei der Aufspaltung des Fokus wird eine Einheit, die auf ein bereichsuneingeschränkt gebrauchtes nicht folgt, aus dem grammatisch determinierten Wirkungsbereich herausgenommen und vorangestellt. Auch intonatorisch findet eine Aufspaltung statt.

Hier bleibt der Negationsausdruck an seiner regulären Position am rechten Mittelfeldrand, aber ein Teil des Prädikatsausdrucks wird über nicht hinweg nach links verlagert und erhält einen eigenen Gewichtungsakzent.

Denn Marianne Pohl (...) will für uns sichtbar werden lassen, was wir ohne sie wahrscheinlich [so] nicht [gesehen hätten].
(Mannheimer Morgen 19.4.1988, 24)

[Gar so neu] ist das alles nicht [gewesen].

... dass der scheidende und milde aufgelegt SPD-Vorsitzende Willy Brandt [so unrecht] nicht [hat], wenn er der Regierung unterstellt, ...
(Mannheimer Morgen 5.6. 1987, 2)

Fokusaufspaltung ist auch in Sätzen mit einem quantifizierenden Ausdruck möglich. Der Negationsausdruck steht vor dem quantifizierenden Ausdruck. Der ganze Satz wird negiert.

Zwar könnten nicht alle arbeitslosen Lehrer in den Schuldienst kommen, doch ...
(Mannheimer Morgen 9.5.1985, 14)

... dass sich die Zuständigkeiten nicht bei jedem Problem eindeutig klären ließen.

Die quantifizierenden Ausdrücke alle und jedem werden auch durch Akzentsetzung hervorgehoben. Diese intonatorische und kommunikative Hervorhebung bleibt bei folgender Umstellung erhalten und signalisiert so, dass die quantifizierte Phrase oder der quantifizierende Ausdruck in den Wirkungsbereich der nachfolgenden Negation fällt.

Zwar könnten alle arbeitslosen Lehrer in den nächsten Jahren leider nicht in den Schuldienst kommen, ...
... dass sich bei jedem Problem die Zuständigkeiten nicht eindeutig klären ließen.

Unter Einbezug des Vortextes wird mit diesem Verfahren auf einen zum gemeinsamen Wissen gehörenden Sachverhalt zurückgegriffen (arbeitslose Lehrer); er wird im Vordergrund-Bereich neu thematisiert und dann mit der Negation korrigiert.

Wenn das quantifizierende Element keinen Akzent trägt, fällt der quantifizierte Ausdruck bei Nachstellung von nicht in den Hintergrund- Bereich.

... weil alle Schüler heute morgen nicht zum Unterricht erschienen sind.

Die inhaltlich äquivalente Formulierung zieht automatisch einen Akzent auf den Negator und macht die negierte Phrase zum Vordergrund-Element. Inhaltliche und Stellungsäquivalenz gehen also nicht automatisch mit gleicher kommunikativer Gewichtung einher.

... weil kein Schüler heute morgen zum Unterricht erschienen ist.

Quantifizierte Sätze mit bereichseingeschränkter Negation, der sogenannten Sondernegation, haben eine andere Informationsgliederung bei stellungsmäßig, nicht aber intonatorisch gleicher Struktur. Die Nicht-Akzentuierung der Quantitätsphrase zeigt an, dass sie weder im Skopus noch im Hervorhebungsbereich des Negators liegt.

... weil alle Schüler heute nicht zum Unterricht erschienen sind.
... weil alle Schüler heute nicht zum Unterricht erschienen sind.

... dass er oft die Termine nicht einhält.
... dass er oft die Termine nicht einhält.

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Autor(en)
Klaus Vorderwülbecke
Bearbeiter
Elke Donalies
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