Semantische Subklassen der Satzadverbialia

Bei den Satzadverbialia unterscheiden wir zwei semantische Großklassen - die modalen Satzadverbialia und die kontextspezifizierenden Satzadverbialia - und verschiedene Unterklassen.

Modale Satzadverbialia

Eine besondere Rolle spielen modale Satzadverbialia, die sich auf die Bewertung oder Gültigkeit einer Aussage beziehen. Dabei wird mit den Satzadverbialia der ausgedrückte Sachverhalt bestätigt, als möglich erachtet oder zurückgewiesen. Dementsprechend spricht man von assertiven, modal abschwächenden oder negativen Satzadverbialia.

Dieser Dreiteilung entspricht eine Wahrheitswertezuweisung der dreiwertigen Logik: wahr, unbestimmt und falsch.

Assertive Satzadverbialia

Assertive Satzadverbialia können durch unterschiedliche Ausdrücke (z. B.: Adverbien, Adjektive, Präpositionalphrasen oder Nebensätze) realisiert werden, die die gemachte Behauptung bestätigen oder für wahr erklären. Es sind Ausdrücke wie bedauerlicherweise, tatsächlich, offenkundig, wie erwartet wird.

Auch im Polnischen werden die inhaltlichen Äquivalente deutscher assertiver Satzadverbialia unterschiedlich realisiert, vor allem durch:

  • Adverbien, z. B.: Faktycznie przyszło mało osób.
  • Präpositionalphrasen, z. B.: Zaprzysiężenie nowego rządu przebiegło zgodnie z oczekiwaniami.
  • Nebensätze, z. B.: Prezydent przybył, jak zostało wcześniej ustalone, na otwarcie wystawy we wrocławskim Muzeum Poczty i Telekomunikacji.

Adverbien: auffallenderweise, bekanntermaßen, bekanntlich, gottlob, gottseidank, zweifellos, zweifelsohne, ...
Adjektive: bestimmt, fraglos, gewiss, nachweislich, notwendig, offensichtlich, selbstverständlich, ...
Präpositionalphrasen: zum Glück, mit Sicherheit, ohne Zweifel, ohne Notwendigkeit, ...
Nebensätze bzw. entsprechende Kurzformen: wie zu vermuten ist, wie erwartet, wie angenommen, ...

(1) Die Anstalt Sorocaba bei São Paulo ist für 650 Insassen konzipiert. Tatsächlich sitzen dort aber rund 850 Personen ein.
[Frankfurter Rundschau, 02.01.1998]

(2) Zwei Fremde allein in einer Hütte - Hollywood hätte daraus bestimmt einen Psychothriller gemacht.
[Die Zeit (Online-Ausgabe), 04.03.2004]

Diese verstaubten Vorurteile gelten gottlob schon längst nicht mehr.
[St. Galler Tagblatt, 13.05.2000]

Dummerweise hatte ich auch noch eine Schlägerei auf dem Pausenhof.
[Zürcher Tagesanzeiger, 15.03.2000]

Das ist für den Westen zweifellos beruhigend.
[Berliner Zeitung, 23.03.2000]

Modal abschwächende Satzadverbialia

Die modal abschwächenden Satzadverbialia drücken aus, dass die folgende Aussage möglicherweise wahr ist. Es sind Ausdrücke wie vielleicht, wahrscheinlich, wie angenommen.

Im Polnischen werden die inhaltlichen Äquivalente deutscher modal abschwächender Satzadverbialia wiederum unterschiedlich realisiert, vor allem durch:

  • Adverbien, z. B.: Najprawdopodobniej nikt nie przeżył wczorajszej katastrofy w kopalni.
  • Präpositionalphrasen, z. B.: Z nadziejami patrzymy w przyszłość.
  • Nebensätze, z. B.: Jak się przypuszcza, rozmowy koalicyjne potrwają jeszcze do końca tygodnia.

Adverbien: hoffentlich, möglicherweise, normalerweise, ...
Adjektive: angeblich, anscheinend, eventuell, ...
formelhafte Wendungen: wie verlautet, wie verlässliche Quellen vermelden, allem Anschein nach, ...

(3) Die Ursache ist möglicherweise hausgemacht.
[die tageszeitung, 18.01.2005]

(4) Die Amtszeit beträgt normalerweise sechs Jahre.
[Mannheimer Morgen, 21.01.2003]

Hoffentlich wird ihre Arbeit entsprechend vergütet.
[Berliner Zeitung, 07.02.2004]

1999 wurden wie vereinbart insgesamt 1,9 Millionen Schilling an Förderungen überwiesen.
[Kleine Zeitung, 01.02.2000]

Negative Satzadverbialia

Negative Satzadverbialia drücken die Falschheit, das Nichtzutreffen der gemachten Aussage aus.

Es handelt sich bei den negativen Satzadverbialia um die Negationspartikel nicht und um Erweiterungen der Partikel wie gar nicht oder überhaupt nicht. Um Adverbien wie keineswegs, mitnichten, beinahe oder um Präpositionalphrasen wie auf keinen Fall, zu keiner Zeit.

Die für das deutsche nicht äquivalente polnische Negationspartikel nie bringt ebenso wie im Deutschen die Negation der ganzen Aussage zum Ausdruck (z. B.: Nie podoba mi się to), lässt sich erweitern (z. B.: Już nie mogę), kommt aber – und das im Gegenteil zum Deutschen – in Phrasen mit negierenden Adverbien (z. B.: Nigdzie nie ma piwa) – die übrigens gehäuft auftreten können (z. B.: Nikt tu nigdy niczego nie wybuduje) – und in Präpositionalphrasen (z. B.: W żadnym wypadku nie możemy zgodzić się na to oder O mały włos nie oblał egzaminu) obligatorisch vor.

Negationspartikel nicht + Erweiterung: nicht mehr, fast nicht, immer noch nicht, ...
Adverbien: nirgendwo, nirgends, nie, niemals, fast, ...
Präpositionalphrasen: an keinem Ort, in keinem Jahr, in keiner Weise, ...

Nicht ist von all diesen Ausdrücken der mit der allgemeinsten Bedeutung, er bringt die Negation zum Ausdruck:

(5) Wir haben das nicht für möglich gehalten.
[die tageszeitung, 18.03.2004]

(6) So einen Streik hat Sindelfingen bisher noch nicht gesehen.
[die tageszeitung, 19.07.2004]

Alle anderen negativen Satzadverbialia drücken spezifizierte Negationen auf verschiedene Weise aus: Nie und niemals gelten zeitlich unbegrenzt (7, 8):

(7) Harmlos wollte Adorno nie sein, harmlos klingt in diesem Kontext keine seiner Thesen.
[die tageszeitung, 27.11.2003]

(8) Man sollte sie niemals beim Fressen stören.
[Salzburger Nachrichten, 04.07.2000]

Nirgendwo und nirgends signalisieren, dass die Negation der folgenden Aussage an allen Orten gilt, auch im übertragenen Sinn (9, 10):

(9) Wohin er auch blickt: Nirgendwo geht etwas voran.
[die tageszeitung, 31.01.2004]

(10) Nur Zeitungen gibt es nirgends zu kaufen.
[Berliner Zeitung, 02.04.2003]

Keinesfalls, keineswegs und mitnichten verstärken die Negation (11, 12):

(11) Die Sache war keinesfalls politisch korrekt.
[Salzburger Nachrichten, 08.02.2000]

(12) Und in Harvard interessierte er sich mitnichten nur für Computer, sondern auch für Mathematik und Ökonomie.
[Die Zeit (Online-Ausgabe), 29.01.2004]

Beinahe und fast drücken neben der Negation eines Sachverhalts auch aus, dass das Eintreten dieses Sachverhalts dennoch erwartbar oder wahrscheinlich war (13, 14):

(13) Beinahe wäre Probst abgestürzt.
[Zürcher Tagesanzeiger, 17.01.2000]

(14) Fast hätte er Europa für immer verlassen.
[Berliner Zeitung, 21.10.2004]

Kontextspezifizierende Satzadverbialia

Die kontextspezifizierenden Satzadverbialia dienen der genaueren Kontextbeschreibung von Sachverhalten. Es sind überwiegend Ausdrücke, die sich auf Ort, Raum und Zeit beziehen oder Ausdrücke, die eine Bedingung oder Voraussetzung für die gemachte Aussage darstellen. In dieser Klasse unterscheiden wir Temporaladverbialia, Lokaladverbialia, Quantifizierende Satzadverbialia und Redehintergrundadverbialia. In der polnischen Fachliteratur werden solche Adverbialia am häufigsten als 'okoliczniki' (z. B. okolicznik czasu, okolicznik miejsca) bezeichnet.

Temporaladverbialia

Mit Temporaladverbialia wird die zeitliche Situierung eines Sachverhaltes erreicht. Zu den Temporaladverbialia zählen: neulich, heute, jemals, bisher, wann, drei Wochen später, Nebensätze z. B. mit seit, solange, bis.

Auch im Polnischen zählen zu den Temporaladverbialia u. a.: Adverbien (z. B. dzisiaj), Präpositionalphrasen (z. B. przed tygodniem), Nominalphrasen (z. B. tego roku), Nebensätze mit zanim, po tym jak usw.

Adjektive: früher, später, augenblicklich, ...
Präpositionalphrasen: am Montag dieser Woche, im letzten Sommer, ...
Nominalphrasen: diesen Montag, nächstes Jahr, ...
Nebensätze mit als, bevor, nachdem, ...

(1) Vor zwei Wochen waren die Bäume gefällt worden.
[die tageszeitung, 24.03.2004]

(2) Zwei Jahre später war er dreifacher Hessenmeister.
[Frankfurter Rundschau, 21.01.1997]

Macht aber nichts, solange wir noch gute Laune haben.
[Berliner Zeitung, 09.01.2003]

Nachdem sie aber ihr neues Zimmer ausgemessen hat, weiß sie nun genau, was sie mitnehmen und was sie zurücklassen wird.
[St. Galler Tagblatt, 06.01.2001]

Bis er den eingefangenen Staub in Händen halten kann, wird allerdings noch eine Weile vergehen.
[Mannheimer Morgen, 09.01.2004]

Lokaladverbialia

Lokaladverbialia benennen Orte, an welchen der in der Aussage erwähnte Sachverhalt stattfindet oder legen den Sachverhalt im Raum fest. Dazu gehören Ausdrücke wie da, daran, draußen, östlich, links neben der Kirche.

Auch im Polnischen sind Lokaladverbialia vor allem Adverbien (z. B. gdzieś, tutaj) und Präpositionalphrasen (z. B. pod wodą, we Wrocławiu).

Adverbien: irgendwo, woanders, nirgends, links, oberhalb, ...
Präpositionalphrasen: auf der Mauer, vor dem Haus, auf dem Berg, ...

(3) Am Nachmittag setzt dann aber die grosse Völkerwanderung über die Hügel oberhalb der Stadt ein.
[St. Galler Tagblatt, 03.01.2001]

(4) Links neben dem Steuerrad gibt es drei Hebel.
[die tageszeitung, 23.08.2003]

Waren es im Vorjahr nur zwei Entscheidungen unter Flutlicht, sind es im olympischen Winter bereits vier - je zwei in Oberhof und in Ruhpolding.
[Hamburger Morgenpost, 06.01.2006]

An Silvester explodierte eine Bombe nahe einer Schule in Kabacan in der südphilippinischen Provinz Cotabato; hier wurde niemand verletzt.
[St. Galler Tagblatt, 03.01.2001]

In Mannheim beschädigten umgestürzte Bäume und abgebrochene Äste mehrere Autos.
[Berliner Morgenpost, 06.07.1999]

Innerhalb Deutschlands gehört das Allgäu sicherlich zu den beliebtesten Touristenzielen.
[Frankfurter Rundschau, 07.03.1998]

Quantifizierende Satzadverbialia

Quantifizierende Satzadverbialia benennen die Häufigkeit des Eintretens oder die Dauer von Sachverhalten. Zu den quantifizierenden Satzadverbialia zählen u. a. manchmal, lange, drei Stunden, ewig, seit vier Tagen.

Auch im Polnischen zählen zu den quantifizierenden Satzadverbialia vor allem: Adverbien (z. B. zawsze, znowu, codziennie), Präpositionalphrasen (z. B. po raz kolejny), Nominalphrasen (z. B. każdego roku), Nebensätze mit zawsze gdy usw.

Adjektive: häufig, wiederholt, selten, ...
Adverbien: mehrmals, oft, immer, wieder, ...
Nominalphrasen: jeden Tag, drei Stunden, eine Minute, ...
Präpositionalphrasen: zum wiederholten Mal, ...

(5) Bei mir im Haus sieht es immer so aus.
[die tageszeitung, 02.01.2002]

(6) Zum wiederholten Mal wurde in der Nacht zum Sonntag die Shell-Tankstelle an der Autobahn 659 überfallen.
[Mannheimer Morgen, 23.02.2004]

Jeden Tag plagt er sich fünf Stunden bei der Rehabilitation.
[Berliner Zeitung, 24.02.2001]

Während seiner Zeit im Internat haben wir uns nur selten gesehen.
[Die Presse, 07.02.1998]

Redehintergrundadverbialia

Mit Redehintergrundadverbialia wird der Kontext, in welchen die Aussage eingebettet ist, unter verschiedenen Gesichtspunkten konkretisiert. Im Einzelnen kann dies z. B. eine Bedingung, eine Begründung, eine Folge, ein Zweck oder ein Gegensatz sein. Die folgenden Ausdrucksformen zählen zu den Redehintergrundadverbialia: seinetwegen, seinethalben, infolgedessen, Nebensätze mit obwohl, dass etc.

Die Redehintergrundadverbialia werden in der polnischen Fachliteratur meistens als okoliczniki przyczyny und okoliczniki celu bezeichnet und mit denselben Ausdrucksformen wie im Deutschen realisiert (z. B. z powodu, mimo, dlatego, ponieważ usw.).

NP + wegen, ungeachtet, trotz, ...
Konnektoren: dafür, deshalb, darum, ...
Nebensätze mit wenn, weil, (so)dass, ...

(7) Wenn du einen Hammer in der Hand hältst, wirst du irgendwann überall Nägel sehen.
[Berliner Zeitung, 23.03.2004]

(8) Das Geldinstitut gilt seit längerem als Übernahmekandidat. Deshalb ist der Aktienkurs in letzter Zeit deutlich gestiegen.
[Berliner Zeitung, 07.01.2004]

Wegen des starken Euros sind Autos aus den USA aber bereits ohne die Rabatte interessant.
[Berliner Zeitung, 10.01.2004]

Trotz des rabiaten Preiswettbewerbs trug die Sparte mit ihren schwarzen Zahlen positiv zum Gesamtergebnis bei.
[Die Zeit (Online-Ausgabe), 22.04.2004]

Übung: Subklassen der kontextspezifizierenden Satzadverbialia

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