Wortstellung und Akzentuierung

Hierunter fallen die Verfahren Hervorhebung, Kontrastierung und semantische Differenzierung.

Hervorhebung

Der Gewichtungsakzent, mit dem besonders relevante Informationen hervorgehoben werden, liegt auf einer einzelnen Silbe. Neben der akzentuierten Silbe können in deren Umgebung aber auch weitere Silben bis hin zu größeren Ausdruckseinheiten hervorgehoben werden. Die Akzentuierung eröffnet also einen unterschiedlich großen Hervorhebungsbereich und damit einen engeren oder weiteren Fokus (= spezifischen Wirkungsbereich). Die folgenden Beispiele weisen unterschiedliche Fokusbereiche (in eckigen Klammern) auf:

(1a) Sie wollen dieses Jahr im Urlaub nach Australien [fliegen].
(und nicht mit dem Schiff fahren.)
(1b) Sie wollen dieses Jahr im Urlaub [nach Australien] fliegen.
(und nicht nach Neuseeland.)

(1c) Sie wollen dieses Jahr [im Urlaub nach Australien fliegen].
(und nicht die Wohnung renovieren.)

Unterschiedliche Verfahren führen zur Hervorhebung:
(a) Hervorhebung durch markierte Stellung und Akzent
(b) Hervorhebung nur durch Akzent
(c) Hervorhebung durch bestimmte Partikeln

(a) Bei der Hervorhebung durch markierte Stellung und Akzent zieht die Abweichung von der Grundfolge in der Wortstellung fokussierende Akzentuierung nach sich. Es handelt sich dabei meist um einen engen Fokus. So können unterschiedliche Hervorhebungen in Verbindung mit fokussierender Akzentuierung vorgenommen werden.

Infinite Teile des Verbalkomplexes können ins Vorfeld gerückt werden:

(2) [Gestohlen] wurde in der Firma am laufenden Band.
Zu den infiniten Teilen des Verbalkomplexes im Vorfeld können auch Komplemente treten:
(3) [In den Sattel gehoben] hatte ihn die Partei.

Eine Hervorhebung des Subjekts am rechten Innenrand des Mittelfeldes ist möglich:

(4) (...), dass gestern Abend wahrscheinlich [Ernst] angerufen hat .

Nachfeldstellung von Einheiten können der Hervorhebung dienen:

(5) Ich habe mit einer großen Zahl von Ärzten darüber gesprochen [also eigentlich Gynäkologen].

[Gesendet werden] müssen Segen und Ablaß schon, sonst klappt's nicht. [Zeit. 27.12.1985, 45]

Es sind umgekommen insgesamt [vier Personen].

[Minister] ist er nur 163 Tage gewesen.

In Vorfeldstellung (auf Satzebene):

... und ab geht die Post! [Werbeslogan Deutsche Post (1981)]

Bei koordinierten Ausdrücken :

Be- oder Entladen erlaubt. [Hinweisschild]

(b) Bei der Hervorhebung nur durch Akzent wird auf das Mittel der markierten Stellung verzichtet und die Hervorhebung allein durch Akzentuierung erreicht. Dieses Verfahren ist deshalb nur in gesprochener Sprache möglich.

Bei unmarkierter Wortstellung ist das Vorfeld mit Hintergrundeinheiten besetzt. Der Sprecher kann aber auch, ohne eine Umstellung oder "Aufspaltung" von komplexen Komponenten vornehmen zu müssen, eine solche Vorfeldeinheit hervorheben, d. h. zu einer Vordergrundeinheit machen, indem er sie mit einem Gewichtungsakzent versieht, wie jeweils in den a)-Beispielen (Für eine bessere Übersichtlichkeit werden hier weitere Akzente nicht markiert. Mögliche Kontexte werden in Klammern angegeben.):

(6) Seine Argumente [überzeugen] mich nicht. (Warum halten Sie nichts von seinen Argumenten?)
(6a) [Seine Argumente] überzeugen mich nicht. (Was überzeugt Sie an seinem Vortrag nicht?)
(7) Berghoff ist nur [vier] Monate Minister gewesen. (Wie viele Monate ist Berghoff Minister gewesen?)
(7a)[Berghoff] ist nur vier Monate Minister gewesen. (Welcher Minister ist nur vier Monate im Amt gewesen?)
(8) Er hält sich in dieser Frage sehr bedeckt. (Wie verhält er sich in dieser Frage?)
(8a) Er hält sich in dieser Frage sehr bedeckt. (Wer hält sich in dieser Frage sehr bedeckt?)

Die Fusionspartner halten sich in dieser Frage noch bedeckt.
Die Fusionspartner halten sich in dieser Frage noch bedeckt.

An seiner Bewerbung gab es nichts auszusetzen.
An seiner Bewerbung gab es nichts auszusetzen.

Die Hervorhebung erfolgt in (6) und (7) durch Gewichtungsakzente mit engem Fokus und kann sich wie in (7) und (8a) auch nur auf ein Wort (oder Wortteil, z. B. ein Präverb (12)) beziehen. Das Verfahren kann auch im Mittelfeld angewendet werden:

(9) (...,) dass er morgen vielleicht seinem Freund das Auto leiht
(9a) (...,) dass er morgen vielleicht seinem Freund das Auto leiht
(9b) (...,) dass er morgen vielleicht seinem Freund das Auto leiht
(9c) (...,) dass er morgen vielleicht seinem Freund das Auto leiht

Auch die Hervorhebung der/einer Einheit im rechten Satzklammerteil ist möglich:

(9d) (...,) dass er morgen vielleicht seinem Freund das Auto leiht

(c) Hervorhebung kann auch durch bestimmte Partikeln ausgelöst werden, entweder durch die Negationspartikel nicht, durch bestimmte Fokuspartikeln oder durch Konnektivpartikeln. Der Hervorhebungsakzent liegt dann meist auf der folgenden Einheit, die damit im (engen) Fokus steht.

Negationspartikel nicht:

Erst vor einiger Zeit hat man herausgefunden, dass nicht das Ozonloch die Ursache für die gestiegene Zahl der Hauterkrankungen ist.

Oft wird – mit sondern eingeleitet – die Alternative angehängt. Diese Art der Verstärkung der Fokussierung wird unter Kontrastierung behandelt. Die im Fokus von nicht stehende Komponente kann auch getrennt von der Negation stehen und ihr dann vorausgehen. Beide Einheiten erhalten dann einen Akzent. Mit dieser zweifachen Akzentuierung wird gekennzeichnet, dass die Einheit trotz der markierten Stellung im (engen) Fokus der Negation liegt, z. B.:

Ihn macht er nicht verantwortlich für die Anfälle von Todesangst, die ihn drei- bis viermal im Monat packen.

Die Negationspartikel nicht kann i. d. R. nicht allein im Vorfeld stehen. Möglich ist das aber doch unter bestimmten Bedingungen, besonders bei Erweiterungen. In den folgenden Sätzen liegt ein Gewichtungsakzent auf nicht oder den erweiterten Formen wie gar nicht, überhaupt nicht, erst recht nicht, und zwar mit einem weiten Fokus, der den ganzen Satz umfassen kann:

Vom Erfolg dieses jungen Senders liest man häufig. Nicht liest man, dass hinter den Kulissen heftige Machtkämpfe toben.
Sie sind krank?" "Gar nicht bin ich krank, aber (...)" [Fallada, Wer einmal aus dem Blechnapf frißt; zit. nach Ulvestad 1975, 381]
Tadel von Vorgesetzten konnte er nicht ertragen. Erst recht nicht kam er mit Kritik von Kollegen zurecht.

Häufig ist auch noch eine weitere Informationseinheit fokussiert, die mit einer Einheit im Vorgängersatz kontrastiert wird. Diese Kontrastierung wird oft durch satzverknüpfende Ausdrücke (z. B. Konnektivpartikeln wie aber, jedoch, dagegen) zusätzlich verdeutlicht:

Das alles glauben wir (...) zu wissen. Nicht aber wissen wir, ob die Lebewesen auch intelligent sind. [Croxton, Auf fremden Planeten zit. nach Ulvestad 1975, 380]
Sie war meistens mit seinen Ansichten einverstanden. Nicht dagegen war sie seiner Meinung, wenn es um die Erziehung der Kinder ging.
Wenn 'p' falsch ist, ist auch 'q' falsch, nicht jedoch ist auch 'p' falsch, wenn 'q' falsch ist. [Maas, Semantik; zit. nach Ulvestad 1975, 380]

Fokuspartikel

Die Fokuspartikel steht in der Regel vor der fokussierten Einheit, welche auch den Akzent trägt.

Nur am Trainer liegt es, ob eine Mannschaft zu einer Einheit wird.
Ausgerechnet Haeberlin wollte als erster den Piz Nivea bestiegen haben.
Auch Hanna hatte nie an eine Trennung gedacht.
(...) weil lediglich Kevin gestern ein Tor geschossen hat.

Einige wenige Fokuspartikeln können auch nachgestellt werden. In diesem Fall trägt die Partikel den Akzent:

Mit dem guten Willen allein ist es nicht getan.

Eine vergleichbare fokussierende Wirkung wie Negations- und Fokuspartikel haben auch einige Konnektivpartikeln. Sie bewirken, dass die Nachbarkomponente (i. d. R. die vorangehende) einen Hervorhebungsakzent erhält. Dies ist Ausdruck der Tatsache, dass ähnlich wie bei Negations- und Fokuspartikeln, die Bezugskomponente im spezifischen Wirkungsbereich der Konnektivpartikel liegt:

Aus dem Inland konnte BBC um 12 v.H. mehr Bestellungen herein nehmen. Im Ausland dagegen blieb der Auftragseingang (...) um 7 v.H. (...) zurück. [Mannheimer Morgen, 1.3.1985, 8]
Gar nicht geknickt ist zum Beispiel der typische Sitzenbleiber. Sein Selbstwertgefühl ist eindeutig gestiegen. So jedenfalls erlebten Gottfried Schröders Interviewer 137 sitzengebliebene Hauptschüler. [Mannheimer Morgen, 23.11.1985, 12]
Sicherlich keine aufregenden Zahlen, die deutsche Großchemie jedoch zeigt in dem kleinen Land erstaunlich stark Flagge. [Mannheimer Morgen, 10.9.1985, S. 6]

Übung: Hervorhebung

Kontrastierung

Man kann Kontraste allein durch einen Gewichtungsakzent andeuten wie in

(10) Seine Argumente überzeugen mich nicht.

Man kann sie aber auch explizit machen. Indem die Alternative genannt und z. B. mit sondern angeschlossen wird (11), erscheint der Kontrast verstärkt. In (12) werden Präverben kontrastiert, indem – jeweils elliptisch ohne das Basisverb – das eine Präverb vom Partizip II getrennt und ins Vorfeld gestellt wird und das andere, negierte Präverb angehängt wird (12': ohne Basisverb-Ellipse). Die kontrastierten Elemente werden durch Akzent hervorgehoben:

(11) Nicht [heute] ist Anna gekommen, sondern [gestern Abend].
(12) (Sprecher A: Ist der Mann tatsächlich aus dem Zug ausgestiegen und in Mannheim geblieben?)
Sprecher B: Um ist er gestiegen, nicht aus. ( Jetzt ist er schon auf der Weiterfahrt nach Frankfurt!)
(12') Er ist umgestiegen, nicht ausgestiegen.
Nicht [Anna] ist heute gekommen, sondern [ihre Zwillingsschwester Ulrike].
Nicht [der Sinn des Lebens] ist futsch, sondern [die Werte des letzten Jahrzehnts]. [Zeit, 28.2.1986]
[Seine Argumente] überzeugen mich nicht, [seine Motive] schon.
Nicht nur [die Fusionspartner] halten sich in dieser Frage noch bedeckt, sondern auch [die Börsianer].
[Berghoff] ist [ein halbes Jahr] Verkehrsminister gewesen, [Müller-Landau] hat es [einen Monat länger] im Kabinett ausgehalten.
[An seiner Bewerbung] gab es nichts auszusetzen, aber sehr wohl [an seinem Auftreten].

Semantische Differenzierung

Die relationale Stellung von temporalen (temp) und quantifizierenden Satzadverbialia(quant) ist nicht fest geregelt. Die zwei Typen der quantifizierenden Satzadverbialia, Frequentativa (wie häufig, manchmal, wiederholt, immer, dreimal) und Durativa (wie lange, ewig, drei Stunden, acht Monate), haben einen engeren Skopus als temporale und stehen deshalb meist nach diesen. Sie tragen dann auch den Satzakzent:

(13) Solche Tragödien haben sich [in den ersten Nachkriegsmonaten]temp [sehr häufig]quant abgespielt.
(14) Kannst du [im Mai] temp wenigstens [für ein paar Tage]quant kommen?
(15) Er hat [am Sonntag] temp [zweimal]quant angerufen.

Die Abfolge der Satzadverbialia kann geändert werden, so dass die quantifizierenden vor den temporalen stehen. Wenn die vorangestellten quantifizierenden Satzadverbialia den Akzent behalten, wird mit diesem der engere semantische Bezugsbereich (Skopus) markiert, und die Bedeutung des Satzes verändert sich nicht.

(13a) Solche Tragödien haben sich [sehr häufig]quant [in den ersten Nachkriegsmonaten]temp abgespielt.
(14a) Kannst du wenigstens [für ein paar Tage]quant [im Mai] temp kommen?
(15a) Er hat [zweimal]quant [am Sonntag]temp angerufen.

Die Satzbedeutung ändert sich erst, wenn mit der markierten Verschiebung der Satzadverbialia auch eine Verschiebung des Akzents einhergeht. In diesem Fall findet auch eine Änderung des Skopus statt.

(15b) Er hat [zweimal]quant [am Sonntag]temp angerufen.
'zweimal, und zwar jeweils an einem Sonntag' oder 'zweimal, und zwar an einem Sonntag und an keinem anderen Tag'
(= markierte Folge: quant[weiter Skopus] >> temp[enger Skopus])

Übung: Quantifizierende Satzadverbialia

Übung: Semantische Differenzierung

Die Akzentuierung auf der Ebene des Satzes oder einer kommunikativen Minimaleinheit unterscheidet sich von der Wortakzentuierung dadurch, dass sie durch mehrere physikalische Parameter zum Ausdruck gebracht wird. Während auf der Wortebene praktisch nur die Grundtonfrequenzänderung als Betonungsparameter ausgenutzt (auch im perzeptiven Bereich) wird, was die Zahl der betonbaren Segmente bis auf stimmhafte Sprachlaute (im Polnischen und im Deutschen in der Regel nur Vokale) einschränkt, aktivieren sich auf höheren Ebenen des prosodischen Ausdrucks zusätzlich Lautstärke/Intensität sowie zum Teil Quantität und Sprechtempo. Dies ermöglicht, dass der Gewichtungsakzent ganze Silben, Wörter oder sogar Phrasen umfassen kann.
Genauso wie im Deutschen dienen Gewichtungakzente im Polnischen zur Hervorhebung (in Form von sog. Fokusakzenten) und Kontrastierung (in Form von sog. Kontrastakzenten). Da die Wortstellung im polnischen Satz nicht so fest wie im Deutschen geregelt ist, können so gut wie alle Bestandteile eines Ausdrucks den fokussierenden Gewichungsakzent tragen, unabhängig davon, wo sie im Satz stehen, z. B.: To jest jej zadanie, To jest jej zadanie, To jest jej zadanie, To jest jej zadanie. Sollte in einem Satz eine zwar korrekte, aber auffallende Wortfolge vorkommen, muss die untypisch platzierte Einheit unbedingt durch den fokussierenden Gewichtungsakzent hervorgehoben werden, z. B.: To jest zadanie jej, Jej zadanie to jest. In neutralen Aussagen ohne besondere Hervorhebung tendiert man im Polnischen, einen schwachen Fokusakzent initial zu setzen, z. B.: Polska lezy w Europie środkowej. Die kontrastierenden Gewichtungsakzente wirken erst dann effektiv, wenn der Kontrast sprachlich voll zum Ausdruck im Satz oder in einer kommunikativen Minimaleinheit gebracht wird und durch Akzentuierung das Wichtige hervorgehoben wird, z. B. Nie ty, tylko ja oder Pojedziemy na Olszewskiego, nie na Wróblewskiego. Im letztgenannten Beispiel weicht der Kontrastakzent von der suprasegmentalen Wortbetonung ab, was eine natürliche Folge polnischer phonotaktisch bedingter Wortbetonungsregeln (betont wird der Vokal in der vorletzten Silbe im Wort) und allgemeiner Wortbildungsregeln ist. In solchen Fällen übernimmt der Kontrastakzent die Haupt- und der suprasegmentale Wortakzent die Nebenbetonung. Die Verletzung der suprasegmentalen Wortbetonungsregeln durch die fokussierenden Gewichtungsakzente ist im Polnischen nicht akzeptabel. Semantische Differenzierung infolge von Verschiebung eines Satzbestandteils samt seiner Akzentuierung kommt im Polnischen systematisch nicht vor.

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