Wortstellung und Akzentuierung
Hierunter fallen die Verfahren Hervorhebung, Kontrastierung und semantische Differenzierung.
Hervorhebung
Der Gewichtungsakzent, mit dem besonders relevante Informationen hervorgehoben werden, liegt auf einer einzelnen Silbe. Neben der akzentuierten Silbe können in deren Umgebung aber auch weitere Silben bis hin zu größeren Ausdruckseinheiten hervorgehoben werden. Die Akzentuierung eröffnet also einen unterschiedlich großen Hervorhebungsbereich und damit einen engeren oder weiteren Fokus (= spezifischen Wirkungsbereich). Die folgenden Beispiele weisen unterschiedliche Fokusbereiche (in eckigen Klammern) auf:
(und nicht mit dem Schiff fahren.)
(und nicht nach Neuseeland.)
(und nicht die Wohnung renovieren.)
Unterschiedliche Verfahren führen zur Hervorhebung:
(a)
Hervorhebung durch markierte Stellung und
Akzent
(b) Hervorhebung nur durch
Akzent
(c) Hervorhebung durch
bestimmte Partikeln
(a) Bei der Hervorhebung durch markierte Stellung und Akzent zieht die Abweichung von der Grundfolge in der Wortstellung fokussierende Akzentuierung nach sich. Es handelt sich dabei meist um einen engen Fokus. So können unterschiedliche Hervorhebungen in Verbindung mit fokussierender Akzentuierung vorgenommen werden.
Infinite Teile des Verbalkomplexes können ins Vorfeld gerückt werden:
Eine Hervorhebung des Subjekts am rechten Innenrand des Mittelfeldes ist möglich:
Nachfeldstellung von Einheiten können der Hervorhebung dienen:
In Vorfeldstellung (auf Satzebene):
Bei koordinierten Ausdrücken :
Be- oder Entladen erlaubt. [Hinweisschild]
(b) Bei der Hervorhebung nur durch Akzent wird auf das Mittel der markierten Stellung verzichtet und die Hervorhebung allein durch Akzentuierung erreicht. Dieses Verfahren ist deshalb nur in gesprochener Sprache möglich.
Bei unmarkierter Wortstellung ist das Vorfeld mit Hintergrundeinheiten besetzt. Der Sprecher kann aber auch, ohne eine Umstellung oder "Aufspaltung" von komplexen Komponenten vornehmen zu müssen, eine solche Vorfeldeinheit hervorheben, d. h. zu einer Vordergrundeinheit machen, indem er sie mit einem Gewichtungsakzent versieht, wie jeweils in den a)-Beispielen (Für eine bessere Übersichtlichkeit werden hier weitere Akzente nicht markiert. Mögliche Kontexte werden in Klammern angegeben.):
(6a) [Seine Argumente] überzeugen mich nicht. (Was überzeugt Sie an seinem Vortrag nicht?)
(7a)[Berghoff] ist nur vier Monate Minister gewesen. (Welcher Minister ist nur vier Monate im Amt gewesen?)
(8a) Er hält sich in dieser Frage sehr bedeckt. (Wer hält sich in dieser Frage sehr bedeckt?)
Die Hervorhebung erfolgt in (6) und (7) durch Gewichtungsakzente mit engem Fokus und kann sich wie in (7) und (8a) auch nur auf ein Wort (oder Wortteil, z. B. ein Präverb (12)) beziehen. Das Verfahren kann auch im Mittelfeld angewendet werden:
(9a) (...,) dass er morgen vielleicht seinem Freund das Auto leiht
(9b) (...,) dass er morgen vielleicht seinem Freund das Auto leiht
(9c) (...,) dass er morgen vielleicht seinem Freund das Auto leiht
Auch die Hervorhebung der/einer Einheit im rechten Satzklammerteil ist möglich:
(c) Hervorhebung kann auch durch bestimmte Partikeln ausgelöst werden, entweder durch die Negationspartikel nicht, durch bestimmte Fokuspartikeln oder durch Konnektivpartikeln. Der Hervorhebungsakzent liegt dann meist auf der folgenden Einheit, die damit im (engen) Fokus steht.
Negationspartikel nicht:
Oft wird – mit sondern eingeleitet – die Alternative angehängt. Diese Art der Verstärkung der Fokussierung wird unter Kontrastierung behandelt. Die im Fokus von nicht stehende Komponente kann auch getrennt von der Negation stehen und ihr dann vorausgehen. Beide Einheiten erhalten dann einen Akzent. Mit dieser zweifachen Akzentuierung wird gekennzeichnet, dass die Einheit trotz der markierten Stellung im (engen) Fokus der Negation liegt, z. B.:
Die Negationspartikel nicht kann i. d. R. nicht allein im Vorfeld stehen. Möglich ist das aber doch unter bestimmten Bedingungen, besonders bei Erweiterungen. In den folgenden Sätzen liegt ein Gewichtungsakzent auf nicht oder den erweiterten Formen wie gar nicht, überhaupt nicht, erst recht nicht, und zwar mit einem weiten Fokus, der den ganzen Satz umfassen kann:
Häufig ist auch noch eine weitere Informationseinheit fokussiert, die mit einer Einheit im Vorgängersatz kontrastiert wird. Diese Kontrastierung wird oft durch satzverknüpfende Ausdrücke (z. B. Konnektivpartikeln wie aber, jedoch, dagegen) zusätzlich verdeutlicht:
Fokuspartikel
Die Fokuspartikel steht in der Regel vor der fokussierten Einheit, welche auch den Akzent trägt.
Ausgerechnet Haeberlin wollte als erster den Piz Nivea bestiegen haben.
Auch Hanna hatte nie an eine Trennung gedacht.
(...) weil lediglich Kevin gestern ein Tor geschossen hat.
Einige wenige Fokuspartikeln können auch nachgestellt werden. In diesem Fall trägt die Partikel den Akzent:
Mit dem guten Willen allein ist es nicht getan.
Eine vergleichbare fokussierende Wirkung wie Negations- und Fokuspartikel haben auch einige Konnektivpartikeln. Sie bewirken, dass die Nachbarkomponente (i. d. R. die vorangehende) einen Hervorhebungsakzent erhält. Dies ist Ausdruck der Tatsache, dass ähnlich wie bei Negations- und Fokuspartikeln, die Bezugskomponente im spezifischen Wirkungsbereich der Konnektivpartikel liegt:
Kontrastierung
Man kann Kontraste allein durch einen Gewichtungsakzent andeuten wie in
Man kann sie aber auch explizit machen. Indem die Alternative genannt und z. B. mit sondern angeschlossen wird (11), erscheint der Kontrast verstärkt. In (12) werden Präverben kontrastiert, indem – jeweils elliptisch ohne das Basisverb – das eine Präverb vom Partizip II getrennt und ins Vorfeld gestellt wird und das andere, negierte Präverb angehängt wird (12': ohne Basisverb-Ellipse). Die kontrastierten Elemente werden durch Akzent hervorgehoben:
Sprecher B: Um ist er gestiegen, nicht aus. ( Jetzt ist er schon auf der Weiterfahrt nach Frankfurt!)
(12') Er ist umgestiegen, nicht ausgestiegen.
Nicht [der Sinn des Lebens] ist futsch, sondern [die Werte des letzten Jahrzehnts]. [Zeit, 28.2.1986]
[Seine Argumente] überzeugen mich nicht, [seine Motive] schon.
Nicht nur [die Fusionspartner] halten sich in dieser Frage noch bedeckt, sondern auch [die Börsianer].
[Berghoff] ist [ein halbes Jahr] Verkehrsminister gewesen, [Müller-Landau] hat es [einen Monat länger] im Kabinett ausgehalten.
[An seiner Bewerbung] gab es nichts auszusetzen, aber sehr wohl [an seinem Auftreten].
Semantische Differenzierung
Die relationale Stellung von temporalen (temp) und quantifizierenden Satzadverbialia(quant) ist nicht fest geregelt. Die zwei Typen der quantifizierenden Satzadverbialia, Frequentativa (wie häufig, manchmal, wiederholt, immer, dreimal) und Durativa (wie lange, ewig, drei Stunden, acht Monate), haben einen engeren Skopus als temporale und stehen deshalb meist nach diesen. Sie tragen dann auch den Satzakzent:
(14) Kannst du [im Mai] temp wenigstens [für ein paar Tage]quant kommen?
(15) Er hat [am Sonntag] temp [zweimal]quant angerufen.
Die Abfolge der Satzadverbialia kann geändert werden, so dass die quantifizierenden vor den temporalen stehen. Wenn die vorangestellten quantifizierenden Satzadverbialia den Akzent behalten, wird mit diesem der engere semantische Bezugsbereich (Skopus) markiert, und die Bedeutung des Satzes verändert sich nicht.
(14a) Kannst du wenigstens [für ein paar Tage]quant [im Mai] temp kommen?
(15a) Er hat [zweimal]quant [am Sonntag]temp angerufen.
Die Satzbedeutung ändert sich erst, wenn mit der markierten Verschiebung der Satzadverbialia auch eine Verschiebung des Akzents einhergeht. In diesem Fall findet auch eine Änderung des Skopus statt.
'zweimal, und zwar jeweils an einem Sonntag' oder 'zweimal, und zwar an einem Sonntag und an keinem anderen Tag'
(= markierte Folge: quant[weiter Skopus] >> temp[enger Skopus])
Übung: Quantifizierende Satzadverbialia
Übung: Semantische Differenzierung
Die Akzentuierung auf der Ebene des Satzes oder einer kommunikativen Minimaleinheit unterscheidet sich von der Wortakzentuierung dadurch, dass sie durch mehrere physikalische Parameter zum Ausdruck gebracht wird. Während auf der Wortebene praktisch nur die Grundtonfrequenzänderung als Betonungsparameter ausgenutzt (auch im perzeptiven Bereich) wird, was die Zahl der betonbaren Segmente bis auf stimmhafte Sprachlaute (im Polnischen und im Deutschen in der Regel nur Vokale) einschränkt, aktivieren sich auf höheren Ebenen des prosodischen Ausdrucks zusätzlich Lautstärke/Intensität sowie zum Teil Quantität und Sprechtempo. Dies ermöglicht, dass der Gewichtungsakzent ganze Silben, Wörter oder sogar Phrasen umfassen kann.
Genauso wie im Deutschen dienen Gewichtungakzente im Polnischen zur Hervorhebung (in Form von sog. Fokusakzenten) und Kontrastierung (in Form von sog. Kontrastakzenten). Da die Wortstellung im polnischen Satz nicht so fest wie im Deutschen geregelt ist, können so gut wie alle Bestandteile eines Ausdrucks den fokussierenden Gewichungsakzent tragen, unabhängig davon, wo sie im Satz stehen, z. B.: To jest jej zadanie, To jest jej zadanie, To jest jej zadanie, To jest jej zadanie. Sollte in einem Satz eine zwar korrekte, aber auffallende Wortfolge vorkommen, muss die untypisch platzierte Einheit unbedingt durch den fokussierenden Gewichtungsakzent hervorgehoben werden, z. B.: To jest zadanie jej, Jej zadanie to jest. In neutralen Aussagen ohne besondere Hervorhebung tendiert man im Polnischen, einen schwachen Fokusakzent initial zu setzen, z. B.: Polska lezy w Europie środkowej. Die kontrastierenden Gewichtungsakzente wirken erst dann effektiv, wenn der Kontrast sprachlich voll zum Ausdruck im Satz oder in einer kommunikativen Minimaleinheit gebracht wird und durch Akzentuierung das Wichtige hervorgehoben wird, z. B. Nie ty, tylko ja oder Pojedziemy na Olszewskiego, nie na Wróblewskiego. Im letztgenannten Beispiel weicht der Kontrastakzent von der suprasegmentalen Wortbetonung ab, was eine natürliche Folge polnischer phonotaktisch bedingter Wortbetonungsregeln (betont wird der Vokal in der vorletzten Silbe im Wort) und allgemeiner Wortbildungsregeln ist. In solchen Fällen übernimmt der Kontrastakzent die Haupt- und der suprasegmentale Wortakzent die Nebenbetonung. Die Verletzung der suprasegmentalen Wortbetonungsregeln durch die fokussierenden Gewichtungsakzente ist im Polnischen nicht akzeptabel. Semantische Differenzierung infolge von Verschiebung eines Satzbestandteils samt seiner Akzentuierung kommt im Polnischen systematisch nicht vor.