Wortstellung und Tonmuster
Die Stellung des finiten Verbs ist das wichtigste Formmerkmal der verschiedenen Satztypen (Verberst-, Verbzweit- und Verbletztsatz). Sätze lassen sich aber auch in Bezug auf ihren Satzmodus (z. B. Aussage-Modus, Frage-Modus) beschreiben. Hierbei ist neben der Verbstellung ein bestimmtes Grenztonmuster relevant. Letzteres kann mit dem Satztyp zusammenfallen, also satztypkongruent sein, oder auch nicht-satztypkongruent verwendet werden. Zunächst werden die satztypkongruenten Beispiele gezeigt:
Aussagesätze haben Verbzweitstellung und ein fallendes Grenztonmuster (↓):
Entscheidungsfragesätze haben Verberststellung und meist ein steigendes Grenztonmuster (↑):
Aufforderungssätze haben Verberststellung (mit dem Verb im Imperativ) und ein fallendes Grenztonmuster (↓):
Zu dieser Kongruenz bei der Modusmarkierung gibt es Ausnahmen, d. h. Fälle, in denen das Grenztonmuster nicht satztypkongruent verwendet wird. So können Verbzweitsätze, die formal einen Aussage-Modus charakterisieren, durch ein steigendes Grenztonmuster zu Fragen überformt werden:
Und umgekehrt kann mit einem Verberstsatz, der typischerweise zum Ausdruck einer Frage dient (9), mit fallendem Grenztonmuster eine bestimmte Art der Aussage, ein Ausruf, formuliert werden (Exklamativ-Modus) (9a). Dann ändert sich auch die Akzentstruktur:
In den Beispielen 7, 8 und 9a zeigt sich, dass die formale Ausrichtung der Satztypen an der Stellung des finiten Verbs durch das Grenztonmuster überschrieben werden kann.
Im Gegensatz zum Deutschen ist die Stellung des finiten Verbs in der Regel kein relevantes Merkmal des Satzmodus im Polnischen. Daher wird angenommen, dass der graduelle Tonhöhenverlauf bei formgleichen Sätzen ihren Modus erkennen lässt und zwar nach dem sprachuniversellen (abgesehen von Tonsprachen) Modell: Der Aussagemodus wird durch das final fallende und der Fragemodus durch das final steigende Grenztonmuster gekennzeichnet, z. B.:
Pójdziesz jutro do sklepu.↓ vs. Pójdziesz jutro do sklepu?↑
Zahlreiche Experimente bestätigen jedoch die Tatsache, dass die Differenzierung zwischen den beiden Satzmodi in realen Kommunikationssituationen dank unterschiedlicher Tonmuster nicht ganz konsequent möglich ist, sondern vielmehr durch kontextuelle Faktoren optimiert wird. Außerdem weisen die polnischen neutralen Aussagen im Vergleich zum Deutschen eine stärkere Tendenz zum fallenden Grenztonmuster auf, was durch die nicht vorhandene Klammerstruktur im Polnischen bedingt ist.