Ergebnisübersicht

Das Ergebnis der Datenerfassung ist, dass es hinsichtlich der Variantenpräferenz wie aus nachstehender Tabelle ersichtlich selten überregional Übereinstimmung gibt. Die regionalen Unterschiede werden weiter unten genauer beschrieben.


LemmaNordostSüdostNordwestSüdwest
-es : -s -es : -s -es : -s-es : -s
Brautpaar 62 : 38 89 : 11 63 : 27 59 : 41
Fundort 69 : 31 89 : 11 63 : 37 76 : 24
Kampfflugzeug 47 : 53 60 : 40 33 : 67 34 : 66
Kraftfahrzeug 30 : 70 81 : 19 26 : 74 33 : 67
Kreuzweg 40 : 60 78 : 22 72 : 28 67 : 33
Kulturaustausch 45 : 55 93 : 7 66 : 34 73 : 27
Mahl 36 : 64 55 : 45 14 : 86 29 : 71
Menschenraub 52 : 48 62 : 38 50 : 50 25 : 75
Nationalfeiertag 50 : 50 63 : 37 57 : 43 43 : 57
Pfand 63 : 37 81 : 19 57 : 43 66 : 34
Presseamt 74 : 16 72 : 28 100 : 0 80 : 20
Raubtier 47 : 53 41 : 59 45 : 55 50 : 50
Rheinland 44 : 56 90 : 10 100 : 0 77 : 23
Rindfleisch 51 : 49 71 : 29 100: 0 59 : 41
Versicherungsbetrug 19 : 81 57 : 43 20 : 80 15 : 85
Verwaltungsaufwand 80 : 20 62 : 38 52 : 48 42 : 58
Volkswagenwerk 52 : 48 0 : 100 55 : 45 n.A.
Vordermann 59 : 41 75 : 25 44 : 56 56 : 44
Werkstoff 52 : 48 78 : 22 17 : 83 40 : 60
Wochenblatt 63 : 37 63 : 37 44 : 56 44 : 56

Tab.: Prozentuale Wahrscheinlichkeit für -es bzw. -s. (vgl. Rohdaten)


1) (Tendenzielle) überregionale Übereinstimmung
Überregionale Übereinstimmung existiert bei den Wörtern Brautpaar, Presseamt, Pfand und Fundort. Hier gilt für alle Regionen: Der Genitiv wird vorzugsweise mit -es gebildet. Nicht weit von einer überregionalen Übereinstimmung entfernt sind Rindfleisch, Kulturaustausch und Mahl. Während sich im Nordosten bei den Lemmata Rindfleisch und Kulturaustausch beide Varianten die Waage halten, entscheidet man sich in den übrigen Regionen häufiger für -es. Bei Mahl hingegen wird in drei Regionen -s bevorzugt, während der Südosten beide Varianten ausgeglichen verwendet.

2) Isoglosse zwischen Ost und West
Eine Differenzierung in Ost und West wird bei dem Lemma Wochenblatt ersichtlich. Während der Osten -es präferiert, tendiert der Westen zur Endung -s. Auch Werkstoff und Kampfflugzeug werden im Westen hauptsächlich mit -s gebildet, im Südosten wird in diesen Fällen -es bevorzugt, der Nordosten verfährt hier unterschiedlich. Der Genitiv von Verwaltungsaufwand wird wiederum im gesamten Osten vorwiegend mit -es gebildet, im Nordwesten sind beide Varianten ähnlich häufig, im Südwesten überwiegt leicht die Endung -s.

3) Isoglosse zwischen Südost und Südwest
Bei dem Lemma Menschenraub entscheidet sich der Südwesten für -s, der Südosten für -es. Der Norden akzeptiert gleichermaßen beide Varianten. Ein ähnliches Bild ergibt sich beispielsweise bei Nationalfeiertag. Südwest präferiert erneut -s, während Südost -es wählt. Der Nordwesten entscheidet sich ebenfalls für -es, während im Nordosten beide Varianten ähnlich häufig vorkommen.

4) Ausnahme: Nordost
Die Wörter Rheinland und Kreuzweg werden überregional vorwiegend mit -es gebildet. Eine Ausnahme bildet der Nordosten: Hier wird -s bevorzugt verwendet.

5) Ausnahme: Südost
Alle Regionen entscheiden sich bei den Lemmata Versicherungsbetrug und Kraftfahrzeug vorwiegend für -s mit Ausnahme des Südostens, der die lange Genitivendung -es bevorzugt. Volkswagenwerk hingegen wird im Südosten bevorzugt mit -s gebildet, während Nordost und Nordwest beide Varianten ausgewogen verwenden. Auch Raubtier wird im Südosten mit -s gebildet, alle anderen Regionen lassen in dem Fall beide Allomorphe gleichermaßen zu.

6) Ausnahme: Nordwest
Der Nordwesten fällt nur einmal aus der Reihe: Er bildet den Genitiv beim Wort Vordermann im Gegensatz zu allen anderen Regionen mit -s.


Die folgende Abbildung fasst die Ergebnisse für die einzelnen Regionen zusammen. Dargestellt sind die sog. Pseudo-Mediane der relativen Häufigkeiten von -es für einzelne Lemmata mit den Fehlerbalken, die die 95%-igen Konfidenzintervalle symbolisieren. Der Südosten sticht signifikant heraus, insbesondere im Vergleich zum Nordosten.1


Abb. 1: Relative Häufigkeit für -es in den einzelnen Regionen: Lemmaperspektive


In einem nächsten Schritt wird die Abhängigkeit der Allomorphhäufigkeit (B) von den Regionen (A) zusätzlich geprüft, indem pro Region eine relative Häufigkeit der es-Token für die Gesamtheit der Lemmata berechnet wird. Die sich ergebenden Residuen sind durch den Assoziationsplot in Abbildung 2 visualisiert. Die Breite der Balken ist proportional zur erwarteten Häufigkeit. Je weiter ein Balken von seiner jeweiligen gestrichelten Linie nach oben oder nach unten zeigt, desto stärker weichen die beobachteten Häufigkeiten in der jeweiligen Kategorie nach oben oder nach unten von der erwarteten Häufigkeit ab. Zeigt ein Balken nach oben, ist diese Zelle "überrepräsentiert". Zeigt ein Balken nach unten, ist diese Zelle "unterrepräsentiert". Die Farbe kodiert die Signifikanz der Abweichung. Stärker eingefärbte Balken stehen für kleinere Irrtumswahrscheinlichkeiten. Der Wert der Residuen weist im Südosten mit 5.957 für -es bzw. -7.461 für -s, aber auch im Südwesten mit -4.252 für -es bzw. 5.326 für -s auf eine besondere Bedeutung der Abweichung für die Signifikanz der Unterschiede hin.


Abb. 2: Assoziationsplot für -es und -s in Abhängigkeit der einzelnen Regionen

Die besondere Position des Südostens könnte u. a. dadurch bedingt sein, dass hier dem häufigeren Gebrauch der Endung -es in der geschriebenen Sprache eine kompensierende Funktion gegenüber der gesprochenen Sprache zukommt, da in dieser das Schwa gemieden wird (vgl. Tatzreiter 1988: 79 zur Standardsprache in Österreich, allerdings nur zum auslautenden Schwa).

1Obwohl im Südosten ein Nullwert vorliegt und im Nordwesten zwei Lemmata mit 100%-iger Wahrscheinlichkeit -es zu sich nehmen, wodurch wegen eines Rang-Bindungsproblems die Konfidenzintervalle nicht exakt berechnet werden können, verändert sich der abgetragene Intervall durch Weglassung der drei kritischen Werte nur minimal. Das entstehende Rauschen kann somit vernachlässigt werden. Die Werte bleiben signifikant.

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Autor(en)
Monica Fürbacher
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