Konsonantenqualität

Während Szczepaniak (2010: 113) zu dem Ergebnis kommt, dass Simplicia auf [l] und Simplizia mit nasalem oder frikativem Auslaut zu der kurzen Genitivvariante tendieren und bei Simplizia auf Plosive, Affrikaten sowie [st] beide Genitivvarianten möglich sind, belegt Fehringer (2011: 97) durch eine Untersuchung mit Hilfe von DeReKo, dass Wörter mit einem Obstruenten im Auslaut die Genitivform vorzugsweise mit -es bilden können. Außerdem meint Fehringer, dass es prinzipiell keine Präferenz gibt, falls der Auslaut ein Sonorant ist. Die Ausnahme bilde hierbei der laterale Approximant [l], der als einziger Sonorant die kurze Genitivendung -s bevorzuge. Während beide Autorinnen sich bei den Plosiven noch am ehesten einig sind, dass nämlich Lemmata mit plosivem Auslaut den Genitiv vorzugsweise mit -es bilden, gehen ihre Ergebnisse schon bei Frikativen auseinander. Die Unterschiede zwischen Szczepaniak (2010) und Fehringer (2011) sind in nachfolgender Tabelle noch einmal festgehalten:


Szczepaniak (2010)Fehringer (2011)
Plosiv-es / (-s)-es
Frikativ-s-es
Affrikate-es / (-s)-es
Sonorant-s-es / -s

Tab 1.: Vergleich der erwarteten Endungen bei Simplicia nach Szczepaniak (2010) und Fehringer (2011)


Vergleicht man dies mit den nach Regionen differenzierenden Ergebnissen,1 so ergeben sich nachfolgende Beobachtungen:

a) Auslaut auf Plosiv
Die folgende Tabelle zeigt die prozentuale Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen von -es nach Plosiv an. Das Gesamtergebnis ist, dass bei Komposita mit plosivem Auslaut häufiger -es verwendet wird, was nach Szczepaniaks und Fehringers Studien zu den Simplizia nicht verwundert. Es fällt jedoch eine Ausnahme auf: Wenn das komplexe Wort auf -zeug endet, wird nicht -es bevorzugt, sondern -s. (Dies findet sich im Norden sowie im Westen. Nur im Südosten wird der Genitiv auch bei diesen Wörtern weiterhin vorzugsweise mit -es gebildet.) Für die verbleibenden Lemmata mit plosivem Auslaut existiert in sieben von neun Fällen mindestens eine Region, die sich anders verhält als erwartet. Dabei ist auffällig, dass sich vor allem der Südwesten nicht an die es-Erwartung hält.


LemmaNordostSüdostNordwestSüdwest
Fundort 69% 89% 63% 76%
Kampfflugzeug 47% 60% 33% 34%
Kraftfahrzeug 30% 81% 26% 33%
Kreuzweg 40% 78% 72% 67%
Menschenraub 52% 62% 50% 25%
Nationalfeiertag 50% 63% 57% 43%
Presseamt 74% 72% 100% 76%
Rheinland 44% 90% 100% 77%
Versicherungsbetrug 19% 57% 20% 15%
Verwaltungsaufwand 80% 62% 52% 42%
Volkswagenwerk 52% 0% 55% n. a.
Wochenblatt 63% 63% 44% 44%

Tab. 2: Prozentuale Wahrscheinlichkeit für -es bei Lemmata auf Plosiv


b) Auslaut auf Frikativ
Nach Szczepaniak (2010) folgt auf einen Frikativ bevorzugt die kurze Genitivendung, nach Fehringer (2011) die lange. Unter den hier untersuchten Lemmata befinden sich drei mit frikativem Auslaut (Werkstoff, Rindfleisch, Kulturaustausch). Alle drei Lemmata verwenden vorzugsweise -es, was eher zu den Ergebnissen der Untersuchung Fehringers (2011) passt, aber auch hier gibt es regionale Ausnahmen. Während der Südosten durchweg den Genitiv vor allem mit -es bildet, bevorzugen die anderen drei Regionen in jeweils einem der Fälle die kurze Variante. Generell lässt sich also auch für Wörter mit einem Frikativ im Auslaut keine allgemeingültige Präferenz ausmachen.


Lemma Nordost Südost Nordwest Südwest
Kulturaustausch 45% 93% 66% 73%
Rindfleisch 51% 71% 100% 59%
Werkstoff 52% 78% 17% 40%

Tab. 3: Prozentuale Wahrscheinlichkeit für -es bei Lemmata auf Frikativ


c) Auslaut auf Sonorant
Befindet sich ein Sonorant im Auslaut, sollte nach Szczepaniak im Genitiv bevorzugt ein -s stehen, nach Fehringer sind beide Varianten gleichermaßen möglich. Während bei Vordermann der Südosten klar -es präferiert und auch der Nordosten und der Südwesten mit 59% bzw. 56% zu -es tendieren, entscheidet man sich im Nordwesten häufiger für die kurze Variante -s. Von den untersuchten Lemmata wird Brautpaar als einziges regionenunabhängig bevorzugt mit -es gebildet, Raubtier hingegen tendenziell mit einem leichten Übergewicht der kurzen Genitivvariante. Das Ergebnis ist also heterogen und damit mit Fehringers Feststellungen zu den Simplizia auf Sonoranten vereinbar.


Lemma Nordost Südost Nordwest Südwest
Brautpaar 62% 89% 63% 59%
Raubtier 47% 41% 45% 50%
Vordermann 59% 75% 44% 56%

Tab. 4: Prozentuale Wahrscheinlichkeit für -es bei Lemmata auf Sonorant

1 Regional nicht differenzierte Ergebnisse werden im Abschnitt Sonoritätshierarchie und Kodakomplexität dargestellt.

Zum Text

Schlagwörter
Autor(en)
Monica Fürbacher
Letzte Änderung
Aktionen
Seite merken
Seite als PDF
Seite drucken
Seite zitieren

Seite teilen