Konvertierte Nomenderivate

Nominale Konversion ist eine relativ einfach zu handhabende und daher gut ausgebaute, mit fast allen Wortarten mögliche und wenig beschränkte Wortbildungsart; vor allem die Infinitivkonversion ist nahezu unrestringiert.

Nomenkonvertate aus Verben

Nomenkonvertate aus Infinitiven

Sicher am häufigsten nutzen Sprecherschreiber die Konversion aus Verbinfinitiven.

das Drehen
das Gehen
das Gelingen
das Singen
das Sehen
das Stehen
das Beten
das Verfluchen

Zur Infinitivkonversion werden - nach Sandberg 1976, 124 seltener als in der Forschungsliteratur angegeben - auch Verbphrasen mit Reflexivpronomen als Basis verwendet.

verbittertes Sich-Abfinden [...], Sich-Einmischen und Sich-Verweigern
(Loest 1995, 144)

Umstritten ist, ob die Nominalisierung von Verbinfinitiven überhaupt zur Wortbildung gehört. Vgl. Die Infinitivkonversion.

Nomenkonvertate aus Präsensstämmen

Häufig finden sich auch Derivate aus Präsensstämmen.

Lauf
Schlaf
Schwenk
Stau
Treff

Hier kommen auch auffallende Okkasionalismen vor.

Sie sagen, das sei kein Borg, das sei eine Bettelei.
(Kesten 1931, 152)

allerdings war das Gewebe [des Schirms] den Wassermassen nicht gewachsen, zersiebte lediglich die Tropfen zu Niesel
(Woelk 1993, 167)

Auszuckerung und Nachdunklung bedeuten keinen Verderb, sondern sind natürliche Vorgänge
(Aufschrift auf einer Tüte mit Sonnenblumenkernen der Firma Kluth 1998)

Aus Verben konvertierte Nomina sind grundsätzlich Transpositionen, d. h. es findet ein Wortartwechsel statt, von dem die kategorielle Bedeutung nicht betroffen ist. Transposition liegt auch vor bei Nomina wie Sitz 'Sitzgelegenheit' wie in Autositz, Hochsitz, Kindersitz. Solche Nomina werden hier als umgedeutete, sekundäre Bildungen analysiert: Aus Sitz mit der primären Bedeutung 'das Sitzen' (sie lobte den Sitz seines Fracks) hat sich eine sekundäre Bedeutung konkretisiert. Auch bei Konvertaten wie Versteck, zu denen es heute keine transponierten Pendants mehr gibt (Großvater Eduard plant den *Versteck von Ostereiern im Kürbisbeet ), liegen offenbar historisch nachweisbare primäre Bildungen zugrunde: "man gebraucht es auch wohl in der kriegeskunst, sowohl zu wasser, als zu lande, wo truppen und kriegesschiffe einen versteck machen, wenn sie sich in den hinterhalt legen" (Adelung, nach DWB 25/ 1956, 1639). Vgl. auch das Versteck.

Nomenkonvertate aus Präteritalstämmen und sprachhistorischen Formen

Ebenfalls als Konvertate werden hier Bildungen des Typs Biss analysiert. In der Forschungsliteratur werden sie daneben als implizite Derivate verstanden. Vgl. Implizite Derivation. Hier werden sie als unmittelbare Ableitungen aus verschiedenen Verbstämmen, vor allem aus Präteritalstämmen gesehen: sie biss, sie ritt, sie verbot. Bildungen wie Wurf sind aus sprachhistorischen, heute nicht mehr gebräuchlichen Formen konvertiert.

Es kommen vor allem etablierte Nomenderivate vor.

Betrieb
Biss
Ritt
Tritt
Verbot
Wurf
Zwang

Der Bestand wird erweitert durch Kopien mit Präverbfügungen wie Ausritt, Einwurf. Okkasionalismen wie der Schlich und das Kalt sind selten.

ein kleiner Spazierschlich
(Klemperer 1934, 162)

Als Letztes sollst du wissen, dass hier der texanische Winter eingezogen ist. Aber welch ein schlapper und dürftiger Winter! Da sollten die sich mal ein Beispiel an unserem deutschen Matsch und Wind und Grau und Kalt nehmen.
(Becker 2004, 207)

Nomenkonvertate aus Adjektivstämmen

Eher selten wird die Konversion von Adjektivstämmen zur Bildung von Bezeichnungen für Eigenschaften genutzt.

Ernst
Gut
das Gesamt
ein Hoch
das Blau des Himmels
das Rot ihrer Wangen

Häufiger bilden Sprecherschreiber dagegen auch okkasionell Personenbezeichnungen mit adjektivischer Basis.

der alte Unverzagt
(Barlach 1936, 271)

ein korrekt gekleideter Stehkragenneureich
(Mahlsdorf 1992: 162)

Abgrenzung ähnlicher Phänomene

Formen wie der Charmante, die Kluge, der Abgeordnete, die Kranke sind dagegen keine Wortbildungsprodukte. Es gibt im Deutschen nämlich keine Nomina, die adjektivtypisch flektiert werden, dreierlei Genus haben (der Charmante, die Charmante, das Charmante) oder Komperativ- und Superlativformen. Wörter wie im kleinen Schwarzen, das sehr Allgemeine, das absolut Schöne, der Charmantere, der Behutsamste haben eindeutig Adjektiv-, nicht Nomentypika. Die fraglichen Wörter sollten allerdings auch nicht als Adjektive interpretiert werden, weil es allen gängigen Syntaxtheorien widerspräche anzunehmen, dass es Nominalphrasen mit adjektivischem Kopf gäbe. Daher werden Formen wie der Charmante, das kleine Schwarze hier als "wissensgestützte Ellipsen" interpretiert, d. h. als Nominalphrasen mit einem Nomen, das nicht unbedingt expliziert werden muss: der charmante (Mann), das kleine schwarze (Kleid). Vgl. auch etablierte Ellipsen wie die Elektrische in Onkel Helmuth und Tante Hertha fuhren wieder mit der Elektrischen (Rezzori 1976, 219).

Nomenkonvertate aus Wörtern weiterer Wortarten, Sätzen und Phrasen

Außerdem werden Nomina aus Wörtern weiterer Wortarten oder aus Sätzen und Phrasen konvertiert. Diese Nomina sind meist irgendwie auffällig, aber vom System her erlaubt.

Möhrings waren Frühaufs [...] ob ihr Mieter nicht ein Frühauf sei
(Fontane 1907, 16)

sein Leben im schrankfreien Überall
(Barlach 1936, 34 )

die Lippen der Mussehls sogen das Tröpfchen Blut wie ein rotes Bisschen Vergissmichschnell ein.
(Barlach 1936, 271 )

Der Gauleiter und seine Frau waren umgekommen. Sie hatten die kleine Todeskapsel des Für-alle-Fälle geschluckt.
(Koeppen 1953, 13)

Und die Straße führt nur ins Undsoweiter.
(Noteboom 1958, 87)

Die Philosophen sind wirlose Iche
(Die Zeit 1.5.87, 45)

Eindrücke wieder mal von Langzuvor und Fastnichtmehrwahr
(Rühmkorf 1995, 362)

Extrem ungewöhnlich sind - übliche Abfolgen auf den Kopf stellende - okkasionelle Konvertate wie in Diese Verwendung-von-Sprache-zu-einem-Zweck konstituiert sich in Akten des Meinens und Verstehens (Hörmann 1976,497) oder unsere geliebten Gespräche-am-Tage-danach (Lander 1995: 35) .

Nomenkonvertate aus Wortbildungsaffixen

Selten, schon der begrenzten Auswahl der Basen wegen, kommen auch Nominalisierungen von bedeutungshaltigen Wortbildungsaffixen wie ismus vor.

Sartre, Camus und die Ismen der Vierzigerjahre
(Meckel 1980, 81)

Ein Ismus ist immer eine Ideologie, das Gegenteil einer wissenschaftlichen Theorie.
(Ditfurth 1993, 109)