Modale Verwendung von sein und haben sowie verwandte Verwendungen anderer Verben


sein und haben und der Kernbereich der Modalverben

sein und haben mit zu-Infinitiv weisen die Merkmale 2, 3 und 5 der Modalverben auf, d. h.:

  • Sie haben keinen Imperativ.
  • Sie verfügen über ein volles Paradigma der Verbalformen.
  • Mit ihnen wird auf Redehintergründe Bezug genommen.

Von den Modalverben des Kernbereichs unterscheidet sein und haben in modaler Verwendung, dass

  • sie den zu-Infinitiv regieren, was mit Merkmal 1 der Modalverben kontrastiert,
  • dass auf sie Merkmal 4 der Modalverben (= Valenzübertragung) nur mit jeweils spezifischen Modifikationen zutrifft.


haben zu

haben zu überträgt den Valenzrahmen des Infinitivs, mit dem es sich verbindet, unverändert auf den Verbalkomplex. Die Verben bzw. Prädikatsausdrücke, auf die es angewendet wird, bezeichnen in der Regel Handlungen oder auch Prozesse und Zustände, die durch menschliche Handlungen beeinflusst, herbeigeführt oder durch Menschen verfügt werden können, vgl.:

Ein Kind hat die Anweisungen der Eltern zu befolgen.
Das Fenster hat immer offen zu sein.
Diese Regel hat einfach zu stimmen.

Sporadisch können sie jedoch auch Prozesse und Zustände bezeichnen, die von menschlichen Handlungen und Intentionen weitgehend unabhängig sind, vgl. etwa:

Das Kind hat zu wachsen.


sein zu

Konversion

Der Verbalkomplex mit sein zu steht zu dem Vollverbinfinitiv in Konversion: Letztzubindendes Komplement des Verbalkomplexes mit sein zu ist ein verbnäher anzubindendes Komplement des Vollverbs:

Konversion

Das Argument, das als Akkusativkomplement des Vollverbs vorgesehen ist, wird im Satz mit sein zu zum Subjekt, das als Subjekt vorgesehene Argument des Vollverbs wird dann degradiert zum fakultativen Präpositivkomplement, das meist entfällt (vgl. oben). In der Regel entsprechen die Möglichkeiten einer sein-zu-Konverse denen der Passivierbarkeit des entsprechenden Verbs (zu Ausnahmen vgl. sein-zu-Konverse und Passivierbarkeit):

Diese Arbeit wird bis morgen (von Hans) erledigt.


Infinitive

Sein zu verbindet sich ausschließlich mit Verben mit personalem Subjekt. Neben Handlungsverben wie erledigen spielen Verben der sinnlichen Wahrnehmung (Beispiel (1)), des Sagens (Beispiel (2)), Denkens (Beispiel (3)) und der subjektiven Einstellung (Beispiel (4)) eine große Rolle:

(1) Die Musik war kaum noch zu hören.
(2) Dieser Name ist sehr schwer auszusprechen.
(3) Sachlich und menschlich waren wohl kaum größere Gegensätze zu denken als die zu der gepflegten Brillanz seines unmittelbaren Onkels, des ehemaligen Reichskanzlers, des Fürsten Bülow. (Heuss, Theodor: Erinnerungen 1905-1933. Tübingen 1964)
(4) Auf Liebe und Gunst der Menschen ist kaum zu zählen.

Zu sein-zu-Konverse mit Modifikatoren


Verwandte Verwendungen der Verben bleiben, stehen und gehören

Ähnlich wie sein zu gehören bleiben zu, stehen zu und gehören (mit Rektion des Partizip II) neben Passiv zur Familie der grammatischen Konversen.

Das modale bleiben ist - bei relativ niedriger Frequenz - nur auf eine Teilmenge der bei sein zu möglichen Kontexte eingeschränkt:

Das Ergebnis bleibt abzuwarten.
Mir bleibt nichts zu tun als zu warten.

Stehen und gehören werden nur hin und wieder modal gebraucht, vgl.:

Das steht zu befürchten.
"Das gehört doch verboten, das können die nur mit uns alten Frauen machen." (Mannheimer Morgen, 13.7.1985, 27)

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